Strafprozess zu Kolping-Bildungswerk Sachsen beendet

"Massiver Vertrauensmissbrauch"

Eines der umfangreichsten Wirtschaftsstrafverfahren der sächsischen Kriminalgeschichte ist zu Ende. Am Freitag sprach das Landgericht Dresden die Urteile im Strafprozess zur 100-Millionen-Euro-Insolvenz des Kolping-Bildungswerks Sachsen (KBS). Mehr als sechs Jahre nach der spektakulären Pleite erhielten die früheren Geschäftsführer Bewährungs- und Geldstrafen.

 (DR)

Gericht: Veruntreuung von Arbeitsentgelt
Angeklagt waren Stephan Michalke, Roland Zimmermann und Stephan Löbbert unter anderem wegen Insolvenz-Verschleppung, Steuerhinterziehung, Untreue und Betrug. Zuletzt blieben nur noch zwei Punkte übrig.

Die Richter befanden alle drei der Veruntreuung von Arbeitsentgelt für schuldig, weil sie Sozialversicherungsbeiträge ihrer Mitarbeiter in Höhe von rund 200.000 Euro nicht an die Kassen abgeführt hatten. Bei Michalke kam dazu noch Untreue im Fall eines Hotelkaufs am Dresdner Bonhoefferplatz. Nach Einschätzung von Staatsanwalt Jürgen Schmidt zahlte er einem Makler zum Schaden des KBS mindestens 140.000 Euro zu viel an Provision.

Insolvenz nach Verzettelung in unrentablen Geschäftsfeldern
Das 1990 von jungen Mitgliedern der Dresdner Kolpingsfamilie gegründete Unternehmen war zehn Jahre später größter freier Träger beruflicher Bildung in Sachsen. Mit Hilfe zunächst üppiger staatlicher Fördermittel entwickelte sich unter dem Namen des katholischen Sozialreformers Adolph Kolping (1813-1865) eine Unternehmensgruppe, die 27 Gesellschaften und 1.200 Mitarbeiter an 50 Standorten in Sachsen und Berlin umfasste.

Im Dezember 2000 meldete das KBS Insolvenz an. Für den Insolvenzverwalter war das die Folge einer Verzettelung in unrentablen Geschäftsfeldern wie Tourismus und in Immobilien; offenbar war das Geschäft zu schnell expandiert und den Betreibern über den Kopf gewachsen. Die überlebensfähigen Bildungseinrichtungen wurden seither von Privatunternehmen übernommen.

Die meisten Anklagepunkte kamen nach Angaben der Vorsitzenden Richterin Praxedis Möhring nicht mehr zur Verurteilung, weil sie kaum noch nachweisbar seien. Gleichwohl vernahm das Gericht seit vergangenem November an 28 Tagen rund 90 Zeugen. Dass es so spät zum mehrfach verschobenen Verhandlungsbeginn kam, resultierte aus der Arbeitsüberlastung der zuständigen Richter.

Enttäuschung bei vielen Pleite-Opfern
Wohl zur Enttäuschung vieler Pleite-Opfer kam die Verzögerung den Angeklagten beim Strafmaß zugute. Michalke erhielt eine Haftstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurde, und eine Bewährungsauflage von 18.000 Euro. An Zimmermann erging eine Geldstrafe von 10.500 Euro und an Löbbert von 9.000 Euro.

Das Gericht hielt den Angeklagten zugute, dass sie nicht vorbestraft und in den meisten Punkten geständig waren. Zudem seien sie durch die lange Prozessdauer persönlich und finanziell bereits erheblich belastet. Ungeachtet dessen wertete der Staatsanwalt vor allem Michalkes Taten als "massiven Vertrauensmissbrauch". Michalke und in geringerem Maße auch die anderen Angeklagten hätten dem Kolpingwerk und den Sozialkassen immensen Schaden zugefügt.

Kolpingwerk: Fall ist nicht abgeschlossen
Für das Kolpingwerk ist der Fall mit dem Strafverfahren noch nicht abgeschlossen. Im August 2005 hatte das Oberlandesgericht Dresden dessen Diözesanverbände Dresden-Meißen und Görlitz und ihre Vereine dazu verurteilt, mehr als 707.000 Euro nebst Zinsen an den Insolvenzverwalter zu zahlen.

Nach Auffassung der Richter hätten deren Vertreter im KBS gegen dessen rechtswidrige unternehmerische Aktivitäten einschreiten müssen. Dagegen legten die verurteilten Organisationen Revision beim Bundesgerichtshof ein. Die Verhandlung ist für 10. Dezember anberaumt.