Dommusik stimmt auf Heiligabend ein

Wir warten aufs Christkind

Schon im Sommer gibt es keine Karten mehr für den Nachmittag des 24. Dezembers in der Philharmonie. Denn nichts stimmt festlicher auf die Menschwerdung Gottes ein als die Domchöre und Dombläser. Mit dabei ist Moderator Christoph Biskupek.

Die Dommusik-Veranstaltung "Wir warten aufs Christkind" ist immer schon im Sommer ausverkauft / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Dommusik-Veranstaltung "Wir warten aufs Christkind" ist immer schon im Sommer ausverkauft / © Beatrice Tomasetti ( DR )

DOMRADIO.DE: Herr Pfarrer Biskupek, wenn die Karten für die Weihnachtsveranstaltung der Kölner Dommusik, die jedes Jahr am Heiligen Abend um 15 Uhr in der Kölner Philharmonie beginnt, im August in den Vorverkauf kommen, ist das beliebte Familienkonzert innerhalb von 48 Stunden ausverkauft. Wie erklären Sie sich das? (DOMRADIO sendet das Konzert am Heiligabend ab 17.30 Uhr)

Monsignore Christoph Biskupek (Pfarrer in Düsseldorf-Hochdahl): Da treten nachmittags etwa 250 Kinder und Jugendliche der Domchöre auf. Wenn die alle ihre Familien, Verwandten und Freunde mitbringen, ist der Saal schnell voll. Aber natürlich kommen darüber hinaus auch noch Zuhörer, die dann ebenfalls ganz schnell bei den Ticketverkaufsstellen sind, weil sie dieser Veranstaltung seit Jahren die Treue halten. Denn schließlich handelt es sich bei "Wir warten aufs Christkind" um ein festliches Konzert, das einfach ein schöner Einstieg in den Heiligabend ist. Die Menschen können nach hektischen Wochen ausruhen und bekommen gleichzeitig eine Einführung in das Weihnachtsgeschehen – mit allem, was wesentlich ist. Dieser Vorhalt tut allen gut. Und ich glaube, das mögen die Menschen.

Hinzu kommt, dass das die einzige Veranstaltung am Heiligen Abend ist, einmal abgesehen davon, dass es im Großraum Köln etwa 150 Kirchen mit rund 1000 Messen und Christmetten gibt. Von daher gab es früher auch schon mal heftige Diskussionen darüber, ob wir uns mit einer derart erfolgreichen Veranstaltung nicht selbst Konkurrenz machen. Mit anderen Worten: Ziehen wir mit dieser hohen musikalischen Qualität, die bei diesem Konzert geboten wird, nicht potenzielle Besucher aus unseren Gottesdiensten ab? Aber diese Diskussion hat sich längst beruhigt. Ich denke, beides kann ganz wunderbar nebeneinander bestehen.

DOMRADIO.DE: Als die Erfolgsgeschichte von "Wir warten aufs Christkind" angefangen hat, die nun schon in die 27. Runde geht, waren Sie – im Jahr 1993 – der erste Schulseelsorger an der erst kurz zuvor in Betrieb genommenen Kölner Domsingschule, aus der sich die Domchöre rekrutieren. Erinnern Sie sich noch an die Genesis dieser Veranstaltung?

Biskupek: In den Tagen vor Weihnachten gab es damals ein schreckliches Hochwasser in der Kölner Altstadt, woraufhin die Philharmonie geschlossen werden musste und der damalige Intendant, Franz-Xaver Ohnesorg, auch die Wiener Sängerknaben, die an diesem Nachmittag eigentlich auftreten sollten, im Vorfeld wieder ausladen musste. Doch dann ging das Wasser mit einem Mal zurück, und nun gab es keinen Chor mehr, aber ein ausverkauftes Haus.

In seiner Not wandte sich Ohnesorg an die Kölner Dommusik. Das war damals eine große Chance, die wir – rückblickend – für uns genutzt haben und aus der nun 26 Jahre mit ungebrochenem Erfolg geworden sind. Domkapellmeister Metternich reagierte sehr flexibel auf diese Anfrage und stellte umgehend ein Programm zusammen. Vorbehalte hatte eher ich. Denn ich war zu diesem Zeitpunkt nicht nur Schulseelsorger und Präses der Chöre am Kölner Dom, sondern auch Domvikar. Und da hatte ich zunächst Vorbehalte, dass die Menschen dann nicht mehr in die Kirche kommen. Metternich aber wollte unbedingt einspringen und helfen.

Und da habe ich dann gesagt: Dann aber moderiere ich und bitte um die Genehmigung, dass ich daraus dann auch etwas Religiös-Affines machen darf. Mir schwebte eine Werbeveranstaltung für die katholische Kirche vor, bei der gleichzeitig die Botschaft von Weihnachten verkündet werden sollte. Den auftretenden Chören, dem Domchor und dem Mädchenchor am Kölner Dom, sollte als Protagonisten die Aufgabe zufallen, in einem der repräsentativsten Räume der Stadt, einem – wenn man so will – säkularen Heiligtum, diese Botschaft von der Menschwerdung Gottes musikalisch zu gestalten.

DOMRADIO.DE: Ihr Vorhaben hört sich ja fast nach einem verwegenen Plan an, wenn man bedenkt, dass die Dommusik damals noch nicht denselben Stellenwert im Kulturleben der Stadt hatte wie heute und es da sicher auch genug Skeptiker gab, zumal mit der Philharmonie ja hier ein recht weltlicher Veranstalter der Kirchenmusik ihre Türen öffnete…

Biskupek: Das stimmt. Aber Domkapellmeister Metternich war sofort Feuer und Flamme. Man muss wissen, dass die breite Öffentlichkeit zum damaligen Zeitpunkt die Dommusik sicher noch unterschätzte, sich aber schon bald eines Besseren belehren lassen musste. Denn seit nun 26 Jahren ist dieses Konzert am Heiligabend ausverkauft. Dementsprechend erkannte man jetzt: Die Chöre – die sind ein Juwel. Heute besteht außerdem kein Zweifel mehr daran, dass die Dommusik mit ihrer herausragenden musikalischen Qualität nicht nur Werbeträger für die Kathedrale und ihre Liturgie ist, sondern darüber hinaus für die ganze Stadt.

DOMRADIO.DE: Welches Konzept haben Sie denn dann – gewissermaßen aus dem Stand – entwickelt?

Biskupek: Mir ging es darum, neben der schönen Musik, die eigentlich keiner Erklärhilfe bedarf, auch die Weihnachtsbotschaft in ihrer ganzen Tiefe zu Wort kommen zu lassen. Und auch ein Element zum Schmunzeln sollte nicht fehlen. Daher suche ich meist das ganze Jahr über nach einer originellen Weihnachtsgeschichte, die gleich mehrere Kriterien erfüllen muss: Sie soll humorvoll sein, am liebsten mit kölschem Lokalkolorit und einen religiösen Kern  beinhalten. Schließlich kommen die Menschen voller Erwartung und hoffen auf ein intensives Weihnachtsgefühl. Da sollen sie nicht enttäuscht werden.

Wir alle hatten ganz klar einen religiösen Anspruch an diese Veranstaltung, und daher ist die Aufgabe der jungen Sängerinnen und Sänger auch genauso wichtig wie eine Predigt. Die Chöre und ihre Musik sind das Fundament, nicht nur das Sahnehäubchen. Sie stehen vollkommen selbständig und hinreichend für das Religiöse. Mein Part ist dann, die Aussagekraft der Musik – das, wovon die Kinder und Jugendlichen singen – zu aktualisieren und mit dem, was zurzeit in unserem Land, in Europa oder der Welt geschieht, in einen Zusammenhang zu bringen. Die Chöre sind Botschafter des Evangeliums. Das will auch ich mit meinen Wortbeiträgen sein. Schließlich wird alles von DOMRADIO.DE übertragen. Das heißt, unsere Botschaft geht hinaus in die Welt, und jeder Mitwirkende ist ein Teil von ihr.

DOMRADIO.DE: Sie sprechen über ein ganz besonderes Zusammenspiel von Musik und Wort. Was genau erwartet die Menschen denn in der Philharmonie?

Biskupek: Chor- und Instrumentalmusik aus fünf Jahrhunderten an der Nahtstelle des endenden Advents und der beginnenden Weihnachtszeit. Das Programm ist sehr abwechslungsreich. Mal singen die Chöre im Wechsel, mal hört man wunderbare Solostimmen, die einem mitunter die Tränen in die Augen treiben. Dann gibt es immer auch einen Kanon, den Herr Metternich mit dem Publikum einstudiert, was allen große Freude macht und ein ebenso großes Gemeinschaftsempfinden schafft.

DOMRADIO.DE: Konzertsäle – wie im Übrigen auch Museen – werden zunehmend als die neuen Kathedralen in unseren Städten definiert. Als Pfarrer einer Gemeinde verknüpfen Sie mit Ihrer Moderation daher sicher auch ein missionarisches Anliegen, gerade weil Sie ja nicht Ihre eigenen spirituellen bzw. kirchlichen Angebote untergraben wollen…

Biskupek: Ich bin insoweit einverstanden, dass, bevor die Leute nirgendwohin gehen, sie in die Philharmonie kommen sollten. Dann mag das für sie den Charakter einer kirchenmusikalischen Andacht haben. Grundsätzlich aber bin ich davon überzeugt, dass die allermeisten Besucher diese Veranstaltung nicht als Ersatz erleben, sondern als Ergänzung und Ermunterung zu einem Kirchenbesuch. Das Erlebnis in der Philharmonie bewegt sie dazu, auch mal in den Dom zu gehen und sich dort die Chöre anzuhören.

Denn ich stelle seit 26 Jahren eine Art Wechselwirkung fest. Das ist wie ein Dialog: Der Dom befördert die Philharmonie und umgekehrt. Ich halte es von daher auch für ausgesprochen klug, diese Veranstaltung zu machen. Mit Eberhard Metternich und Domkantor Oliver Sperling wünsche ich mir, dass wir die religiöse Empfindung der Menschen zum Klingen bringen und sie in ihrer Gottesbeziehung gestärkt werden. Musik kann sehr bei der Sinnsuche helfen. Mit diesem Konzert machen wir Gott zum Thema. Trotzdem geht es nicht um Vereinnahmung. Jeder hat die Freiheit, auch auf Distanz bleiben zu dürfen.

Es muss so sein, dass ein Passant ein Passant bleiben darf. Das ist letztlich das Prinzip von Cityseelsorge. Dennoch will ich, um im Bild zu bleiben, möglichst viele Passanten darauf aufmerksam machen, dass von Gott etwas Heilsames kommt. Insofern haben eigentlich alle Konzerte, zu denen die Dommusik einlädt, Verkündigungscharakter. Sie sind so etwas wie ein Vorraum, in dem man erwartet wird und der eine gewisse Neugierde schürt. Hier erzielt die Dommusik ihre volle Wirkung. Dommusik-Konzerte sind ein gutes Foyer, um zu entscheiden: Hier gehe ich weiter. So gesehen haben Kirchenkonzerte ganz allgemein eine große Bedeutung. Denn sie öffnen den Raum zum Innersten: zur Liturgie. Bei einem Konzert in einer Kirche sollen die Menschen spüren, dass die Musik ihre Seele weitet.

DOMRADIO.DE: Wo finden Sie Ihre Ideen?

Biskupek: Wie gesagt, im Großen und Ganzen geht es um die Weihnachtsbotschaft. Sobald ich von Herrn Metternich das Musikprogramm bekomme, gibt es mit der gewählten Literatur ja auch bereits inhaltliche Vorgaben. Natürlich wächst von Jahr zu Jahr die Erwartung an eine wirklich tolle Geschichte. Das erhöht für mich ungemein den Druck auf den 24. Dezember hin. Außerdem muss ich hier auch immer auf die "political correctness" achten. Das heißt, auch die jeweilige Stimmung in der Gesellschaft will bedacht sein. Hinzu kommt, die Leute haben eine große Sehnsucht nach Inhalten, sie begnügen sich nicht allein mit Unterhaltung.

Mittlerweile darf man ja auch wieder Gefühle zeigen. Besinnung und Besinnliches stehen hoch im Kurs. In der Summe bringt mich das zu der Frage: Wo ist mein Mittelpunkt? Wo ist meine Laterne, an der ich mich beim Fangenspielen abklatsche? Woran mache ich mich fest? Im Letzten haben alle Menschen eine tiefe Sehnsucht nach einem Zusammengehörigkeitsgefühl. Das sieht man, wenn die Leute in einem Stadion zusammenrücken und alle gemeinsam eine Hymne singen. Meines Erachtens zeigt das, dass sich die Gesamtgesellschaft verändert hat und sie in den letzten Jahren religiös auch wieder ansprechbarer geworden ist. Nur den Verpflichtungscharakter von Religion gibt es so wie früher nicht mehr. Das heißt, ich darf bei meinem Auftritt in der Philharmonie nicht als Kleriker vereinnahmen.

DOMRADIO.DE: Was bedeutet Ihnen selbst Musik in der Advents- und Weihnachtszeit?

Biskupek: Ich wäre nicht Priester geworden, wenn es nicht die Kirchenmusik gäbe. Schon als Kleinkind hat mich der Glockenklang meiner Pfarrkirche St. Adolfus in Düsseldorf-Derendorf berührt. Außerdem war ich immer schon hingerissen von Orgelmusik. Mit 13 Jahren war ich dann Messdiener und habe ab und zu auf der Orgelempore etwas von dem, was ich gehört hatte, nachzuahmen versucht. Mit 16 war ich dann soweit, dass ich selbst die Organistenvertretung übernehmen konnte. Advent und Weihnachten sind einfach eine ganz besonders sensible Zeit. Bis heute bewundere ich diejenigen, die für andere diese schöne Musik mit viel Fleiß einüben und sie ihnen dann zum Geschenk machen.

Vor jedem Heiligabend in der Philharmonie bin ich enorm angespannt und habe Lampenfieber. Das ist wie die Weihnachtspredigt, die die anspruchsvollste im ganzen Jahr ist, weil die Menschen mit einer hohen Erwartung kommen, die ich nicht enttäuschen will. Und ich bin dann einfach nur froh, wenn die Menschen danach glücklich und erfüllt nach Hause gehen.

Das Interview führte Beatrice Tomasetti.


Pfarrer Christoph Biskupek moderiert in jedem Jahr am Heiligabend in der Philharmonie / © Beatrice Tomasetti (DR)
Pfarrer Christoph Biskupek moderiert in jedem Jahr am Heiligabend in der Philharmonie / © Beatrice Tomasetti ( DR )
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DR