Karina Castellini über ihren Traumberuf in der Kirche

Eine Kunsthistorikerin und die Kathedrale

Kirche ist ein großer Arbeitgeber und beschäftigt neben Priestern die verschiedensten Berufsgruppen: Musiker, Architekten, Betriebswirte, Kunsthistoriker. Auch Karina Castellini hat ihren Traumberuf in der Kirche gefunden. Welchen denn?

Besucher des Kölner Doms bestaunen das Deckengewölbe / © Tjalke Weber (KNA)
Besucher des Kölner Doms bestaunen das Deckengewölbe / © Tjalke Weber ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wo fangen Sie an, wenn Sie mit einer Gruppe von Touristen den Kölner Dom – dieses gigantische Bauwerk betreten?

Karina Castellini (Kunsthistorikerin und Führerin im Kölner Dom): Am liebsten noch im Westwerk mit dem Blick durchs Langhaus. Denn wenn die Besucher reinkommen und dann diesen Blick durch das Langhaus haben bis zum Ende, merke ich wie staunend die Gesichter sind, wie groß die Augen werden, wie ein Moment der Stille eintritt und wie der innere Kirchenraum tatsächlich seine Wirkung entfalten kann.

DOMRADIO.DE: Beeindruckt Sie das heute auch immer noch?

Castellini: Jedes Mal.

DOMRADIO.DE: Hätten Sie das denn für möglich gehalten, dass sie so selbstverständlich mal im Dom ein- und ausgehen?

Castellini: Das bin ich eigentlich schon bevor ich Domführerin geworden bin. Für mich gehört der Kölner Dom einfach dazu. Und wenn es die Gelegenheit gibt, wenn man einen Moment der Pause braucht, der Ruhe, der Besinnung, ist der Dom einfach wunderbar. Sich auch mal in eine Kirchenbank zu setzen, die Fenster auf sich wirken zu lassen, das Licht, die ganze Atmosphäre, vielleicht auch den Besuchern mal zuzuschauen, wie die gucken, wie die wahrnehmen: Das finde ich immer sehr inspirierend.

DOMRADIO.DE: Sie stehen ja vor Kindergruppen, geben auch Führungen für zum Beispiel eingeschränkte Menschen, für blinde Menschen sogar. Was erleben Sie denn da so in Ihrem Beruf?

Castellini: Vollkommen unterschiedliche Reaktionen. Auch wenn Gruppen sich sehr ähnlich sind, jede Gruppe ist anders. Jede Gruppe hat eine eigene Dynamik. Das heißt für mich auch, dass ich auf jede Gruppe anders reagiere. Und es gibt Gruppen, die fordern mehr, das heißt, die brauchen mehr Aufmerksamkeit, mehr Energie, mehr Zuspruch, vielleicht auch ein bisschen mehr Lenkung im Blick. Ich will das vorsichtig ausdrücken, weil die Wahrnehmung bei jedem ja ganz anders ist. Manchmal gibt es sehr, sehr heitere, amüsante Situationen, manche sind auch eher nachdenklich, vielleicht geht es auch ein bisschen in Richtung Traurigsein.

DOMRADIO.DE: Haben Sie ein Beispiel für so eine lustige Situation?

Castellini: Kinder sind toll! Gerade kleinere Kinder, auch Grundschulkinder, die sind mit so einem offenen Blick und die zeigen oft Dinge ganz spontan und wollen das sofort wissen, was sie da entdecken. Ob das die Tuben im Westwerk sind oder "was macht die goldene Kiste dahinten"?

Ich kann mich an eine Kindergruppe erinnern, wir haben über den Schrein im Binnenchor gesprochen und ich habe ein bisschen Bildmaterial dabei, auf dem man dann eben sehen kann, wie die Trapezplatte entfernt ist und ein Blick auf die Schädel der Heiligen Drei Könige werfen kann. Die Kinder wussten im ersten Moment nicht was es ist. Sie haben so ein bisschen erkannt, dass da Kronen sind. Aber was ist das dort runter?. Die Jungs waren wirklich ganz schnell und die meinten: "Das sind ja Kokosnüsse!".

DOMRADIO.DE: Und bei Erwachsenen, was passiert Ihnen da?

Castellini: Mir fällt da eine Damengruppe ein. Wenn ich mich recht erinnere eine Kegelgruppe, die sich ein schönes Wochenende in Köln gemacht hat. Auch da standen wir vor dem Schrein, haben ein bisschen über die Heiligen Drei Könige reflektiert, was wissen wir denn aus der Bibel darüber, welche Geschenke haben die denn zu Jesu Geburt mitgebracht... Und die Damen brauchten so einen Moment und einer fiel es dann ganz spontan ein: "Ja, ich kann mich erinnern - Myrrhe, Weihrauch und Basilikum".

DOMRADIO.DE: Ist das Ihr Traumberuf?

Castellini: Einer von vielen, ja. Ich bin ja freiberuflich als Kulturarbeitin tätig, so nenne ich das. Und ich bin nicht nur als Dom-Guide unterwegs, sondern ich mache auch Führungen in den Kölner Museen, ich mache Stadtführungen. Ich bin da viel beschäftigt. Und das Wunderschöne an meinem Beruf ist, dass ich mit ganz unterschiedlichen Menschen zu tun habe, die mich auch ganz unterschiedlich fordern.

Das Interview führte Verena Tröster.


Quelle:
DR