58. Zyklus der Orgelfeierstunden in Kölner Dom

Nächtliches Zwiegespräch mit der "Königin" der Instrumente

Mit einer "Bach-Nacht" zum 333. Geburtstag des Leipziger Thomas-Kantors eröffnet Domorganist Professor Winfried Bönig die diesjährigen Orgelfeierstunden im Kölner Dom. Zum Auftakt zieht er mit vier weiteren Kollegen alle Register. Hier live ab 20 Uhr!

Autor/in:
Beatrice Tomasetti
 (DR)

In 58 Jahren hat gewissermaßen schon die halbe Welt am Orgelspieltisch des Kölner Domes gesessen. Jedenfalls eine repräsentative Auswahl derer, die als Könner ihres Fachs gelten. Hochgerechnet müssen es demnach etwa mehrere hundert Interpreten aus allen Kontinenten gewesen sein, berücksichtigt man, dass in diesen knapp sechs Jahrzehnten seit Bestehen der Kölner Orgelfeierstunden zunächst zwar Domorganist Josef Zimmermann jedes dieser Konzerte – zumal als Initiator dieser Reihe – selbst bestritt, sein Nachfolger Clemens Ganz aber dann mit dieser Tradition brach und zusätzlich zum eigenen Spiel renommierte Kollegen von berühmten Kathedralen und Domen einlud. Eine Idee, die von Anfang an viele Interessenten fand und seitdem in jedem Jahr während der zwölf Sommerwochen für internationales Flair in Kölns gotischem Prachtbau sorgt.

Heute ist der Dom mehr denn je zu einem attraktiven Anziehungspunkt für die Liebhaber von Orgelmusik geworden. Jedenfalls wertet auch Winfried Bönig – seit 2001 Titular-Organist an der Hohen Domkirche – genau diesen Mix aus eigenem Konzertieren und den Beiträgen internationaler Gäste als Garant für den Erfolg dieses auf die Ferienmonate hin angelegten Zyklus.

"Kölner Dom genau der richtige Ort"

In diesem Jahr soll es zum 333. Geburtstag von Bach eine Musiknacht geben, in der es ausschließlich um dessen Notenkunst oder durch ihn inspirierte Orgelwerke geht. "In Köln sind Schnapszahlen ein Renner", lacht Initiator Bönig über diese Idee, die eigentlich nichts anderes will, als einen Komponisten ins Zentrum zu rücken, der "so vielfältig ist und so unterschiedliche Grenzüberschreitungen erlaubt wie kaum ein anderer". Ganze Generationen habe er geprägt und zur Bearbeitung oder Weiterentwicklung des Motivs B-A-C-H angeregt. Da sei der Kölner Dom genau der richtige Ort, einen solchen Ausnahme-Musiker zu feiern, findet der Domorganist, der unter der genannten Maßgabe demnach auch Literatur von Schumann, Liszt, Reger und Widor aufs Programm gesetzt hat.

Die Bach-Nacht eröffnet nicht nur den diesjährigen Zyklus der Orgelfeierstunden, sie ist auch ein Beitrag zur diözesanen Kirchenmusikwoche "Einfach himmlisch!" mit Experimentiercharakter. Denn von 20 Uhr bis 1 Uhr nachts – sportlich gesehen ein musikalischer Marathon – treten fünf Organisten im Wechsel auf: zunächst der Gastgeber selbst – Winfried Bönig –, dann Daniel Cook aus Durham, Johannes Geffert aus Köln, Otto Maria Krämer aus Straelen und Giampaolo di Rosa aus Rom. DOMRADIO.DE überträgt live in Bild und Ton ab 20 Uhr!

Fünfstündiges Programm

"Vokalexkursion", ein noch junges Doppelquartett-Ensemble für geistliche Vokalmusik, das in den Chören am Kölner Dom und in der Musikhochschule zueinander gefunden hat, singt zwischendrin den Choralsatz "Wachet auf, ruft uns die Stimme", die Motette "Das Blut Jesu Christi" von Johann Ludwig Bach sowie "Ich lasse dich nicht, du segnest mich denn" von Johann Sebastian Bach.

Außerdem gehören zu den ausgewählten Kompositionen in dieser Nacht die Goldbergvariationen in Bearbeitung von Giampaolo di Rosa und seine Uraufführung "Studio sul nome di B-A-C-H". Die Moderation übernimmt Michael Schwalb vom WDR, der zu den Werken einführende Texte spricht. Höhepunkt der "Bach-Nacht" ist die berühmte Toccata d-Moll, BWV 565, mit der der Kölner Domorganist das fünfstündige Programm beschließt, das – je nach Wunsch – die Zuhörer zu einem ausgedehnten, aber fakultativ auch nur punktuellen Musikgenuss einlädt.

Auswahl allein nach Qualität

Die Orgelfeierstunden – in diesem Jahr mit Thomas Ospital aus Paris, Anthony Halliday aus Melbourne, Magne Draagen aus Trondheim und Kollegen aus anderen großen deutschen Kirchen – zählen zu den bestbesuchten Klassikkonzerten in Köln und gelten als Publikumsmagnet. Und das nicht etwa, weil der Eintritt frei ist, sondern weil sich von einem immer wechselnden Programm, das mit Bedacht Doppelungen vermeidet und Musik aus fünf Jahrhunderten präsentiert, Kenner oder wenigstens doch Orgelmusik-Begeisterte in großer Zahl ansprechen lassen – manchmal mit Spitzenwerten von bis zu 3000 Zuhörern pro Abend.

"Wir haben ein über viele Jahre gewachsenes Stammpublikum, das sogar aus den angrenzenden Beneluxländern kommt", analysiert Bönig. Bei der Programmgestaltung geht der Lehrstuhlinhaber für das Fach künstlerische Orgel und Improvisation an der Kölner Musikhochschule, wo er den Studiengang Katholische Kirchenmusik leitet, allein nach Qualität und entscheidet sich im Zweifel immer für die Verpflichtung bereits anerkannter Künstler mit eher außergewöhnlicher Expertise. Entweder kennt er diese persönlich oder aber er folgt einer besonderen Empfehlung.

Im Dialog mit der Orgel

Dass das Publikum in Köln mit Organisten von Spitzenniveau aus aller Welt rechnen kann, die das Instrument alle sehr unterschiedlich behandeln, habe sich längst herumgesprochen. Das aber mache ja gerade auch den Reiz aus, so Bönig. Letztlich gehe es doch darum, mit der Orgel in einen Dialog zu treten – wie mit einer starken Persönlichkeit. "Wer hier Kommunikationsschwierigkeiten hat, kann kein schlüssiges Konzert geben." Programm-Vorgaben macht der Dommusiker nicht. Ganz im Gegenteil; die Stückauswahl wird nach dem Lust-Prinzip getroffen. "Manches Werk, zumal Zeitgenössisches, ist auch für mich noch eine Überraschung und durchaus inspirierend. Wichtig ist nur, dass es immer dem Ort angemessen ist und ein solches geistliches Abendkonzert auch Raum für Meditation oder Gebet schafft."

Bönig selbst – auch das gehört zu den Gepflogenheiten dieser Reihe – spielt an dreien der zwölf Abende selbst: zu Beginn, in der Mitte und am Ende. Für die Erarbeitung des stets anspruchsvollen Programms, das räumt der Musikprofi ein, schließt er sich nach der letzten Abendmesse auch schon mal gerne bis morgens früh um drei Uhr im Dom ein: für ein nächtliches Zwiegespräch mit "seiner" Königin der Instrumente.


Domorganist Winfried Bönig / © Beatrice Tomasetti (DR)
Domorganist Winfried Bönig / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR