Zehn Jahre "Nightfever" im Kölner Dom

Das Licht zulassen

Seine Sorgen, Wünsche und Hoffnungen einmal gezielt und in einem angenehmen Ambiente vor Gott tragen – das ist beim Gebetsabend "Nightfever" im Kölner Dom möglich. Seit 10 Jahren gibt es die monatlich stattfinden Gebetstreffen.

Autor/in:
Julia Rosner
Nicht nur Jugendliche beten vor dem Dreikönigsschrein. / © Franziska Strecker (NF)
Nicht nur Jugendliche beten vor dem Dreikönigsschrein. / © Franziska Strecker ( NF )

"Darf ich euch eine Kerze schenken?", fragt Anja Stumpf ein junges Paar, das ihr auf der Kölner Domplatte begegnet. Die beiden schauen erst sich und dann Anja verwundert an. "Kommt mal in den Dom rein. Dort könnt ihr die Kerze für jemanden anzünden. Wir haben gerade 'Nightfever'. Da gibt es Musik, Stille und Zeit zur Anbetung", erklärt Anja. Das macht Anne Milowski und Maximilian Kissinger, die gerade von einem anstrengenden Stadtbummel kommen, neugierig. Zurückhaltend folgen sie Anjas Einladung in den Dom.

Seit sechs Jahren engagiert sich Anja Stumpf als freiwillige Helferin für den offenen Gebetsabend "Nightfever". Sie lädt Passanten auf der Straße ein, verteilt Kerzen, steht für Fragen zur Verfügung und hat das Geschehen im Dom unter Kontrolle.

Meditative Stille

Das Geschehen im Dom ist für Anne und Maximilian etwas Neues. Sie haben selten so viele Kerzen auf einmal gesehen. Die kleinen Lichter sind es auch, die den beiden den Weg vom Seiteneingang des Doms zum Dreikönigsschrein weisen. Vor dem Schrein ist auf dem Altar eine Monstranz aufgestellt, die das Allerheiligste für jeden sichtbar präsentiert. Die eucharistische Anbetung gehört bei "Nightfever" immer dazu.

Überall stehen Kerzen vor dem Altar. Dahinter knien trotz Domkälte von zehn Grad Celsius gut 50 Jugendliche und junge Erwachsene. Sie verharren andächtig in Stille, haben ihren Blick auf die Monstranz gerichtet und lauschen den spirituellen Klängen der Band, die am Rand des Altars musiziert.

Geistliche Atmosphäre überzeugte Domkapitel

Wer nicht knien mag, hat einen Platz in der Bank oder auf den aufgestellten Stühlen gefunden. Viele bleiben über eine Stunde da. Andere nur kurz. Jeder darf kommen und gehen, wann und wie er mag. Wer möchte, kann sich einen kleinen Zettel aus einer Box vor dem Altar ziehen. Darauf steht eine Bibelstelle, über die man nachdenken kann. Auch das persönliche Gespräch mit einem Geistlichen ist möglich. Jeder kann selbst entscheiden, wovon er sich berühren lässt und wie tief er an diesem Abend eintauchen möchte.

"Es ist etwas ganz besonderes, dass der Gebetsabend, der von Jugendlichen organisiert wird, im Kölner Dom stattfinden darf", erklärt Pfarrer Andreas Süß. Gemeinsam mit seiner damaligen Kommilitonin Katharina Fassler hat er als junger Theologiestudent den monatlich stattfinden Gebetsabend 2005 ins Leben gerufen. "Dem Domkapitel mussten wir allerdings zusichern, dass wir für eine geistliche Atmosphäre im Dom sorgen", so Süß, der heute Pfarrer in Bensberg ist. Mit dem Konzept von "Nightfever" zeigte sich das Domkapitel schnell einverstanden und erlaubte den Jugendlichen dann ab 2006, einmal pro Monat den Dom zu nutzen.

Licht, das wir in der Taufe geschenkt bekommen haben

"Die Kernbotschaft von 'Nightfever' ist, dass Gott barmherzig ist. Auch wer lange nicht in der Kirche war und weit von ihm weg ist, kann – wenn er möchte – Gottes Liebe und Barmherzigkeit spüren", erklärt der "Nightfever"-Gründer weiter. Dafür sei es nur nötig, Gottes Barmherzigkeit zuzulassen.

Diesen Gedanken griff auch der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki in seiner Predigt auf, die er bei der Eröffnungsmesse zum zehnjährigen "Nightfever"-Abend an diesem Samstag im Dom gehalten hat. In der Taufe sei jedem Christen das Licht in Form von Christus geschenkt worden.  

Viele kommen immer wieder

Dieses Licht mache jede Dunkelheit von Kriegen, Konflikten und Ängsten hell. Doch es sei wichtig, das Licht zuzulassen, so der Erzbischof. Denn wenn die Menschen Christus, das Licht, wieder mehr zuließen, könne es durch sie und in ihnen leuchten, erklärt er. Damit werde jeder einzelne zu einer leuchtenden Monstranz und trage das Licht hinaus in die Welt. Gebetsabende wie "Nightfever" könnten helfen, wieder offener für Christus zu werden, so der Kardinal in seiner Predigt.

Und auch wenn es vielleicht nicht an einem einzigen Abend geschehen kann, dass man sich wieder mehr auf Gott einlässt, ist die Resonanz von "Nightfever" positiv. Viele, die einmal da waren, kommen immer wieder. Die Gebetsabende dieser Art gibt es nicht nur im Kölner Dom, sondern deutschland- und sogar weltweit.

Mut zur Kerze

"Die ruhige und andächtige Stimmung im Dom hat etwas in mir angestoßen", erzählt Anne, die mit ihrem Freund fast eine dreiviertel Stunde an diesem Abend schweigend in der letzten Bank vor dem Dreikönigsschrein verbracht hat. Obwohl sie selbst katholisch getauft ist, geht sie nur noch selten zur Kirche. Sie kann sich aber gut vorstellen, noch einmal gezielt zu einem "Nightfever"-Abend wieder zukommen.

Bevor Anne mit ihrem Freund an diesem Abend den Dom verlässt, traut sie sich tatsächlich noch kurz nach vorn zu gehen und ihre Kerze anzuzünden. Dann verschwinden die beiden wieder im Gemenge auf der Domplatte. Vielleicht haben sie heute kurz bei "Nightfever" gespürt, wie es sein kann, das Licht wieder mehr zuzulassen.


Kardinal Woelki entzündet eine Jubiläumskerze für "Nightfever". / © Franziska Strecker (NF)
Kardinal Woelki entzündet eine Jubiläumskerze für "Nightfever". / © Franziska Strecker ( NF )

Jeder darf eine Kerze für sein persönliches Gebetsanliegen anzünden. / © Franziska Strecker (NF)
Jeder darf eine Kerze für sein persönliches Gebetsanliegen anzünden. / © Franziska Strecker ( NF )
Quelle:
DR