Dompropst Bachner über die Zeichenhaftigkeit der Rituale am Kölner Dom

Licht an, Licht aus

Der Kölner Dom ist das deutsche Wahrzeichen schlechthin. Und die Kirche weiß um seine Bedeutung auch als Symbol. Glockenläuten, Schweigeminuten und Lichtaktionen: Dompropst Gerd Bachner über das Setzen von Zeichen.

Dompropst Bachner / © Foxius (DR)
Dompropst Bachner / © Foxius ( DR )

domradio.de: Ich zitiere mal einen der harmloseren Kommentare auf Facebook. Da heißt es: „Tote Christen sind uns wohl keine 23.000 Glockenschläge wert." Gab es Überlegungen, auch für die verfolgten Christen wie in Frankreich die Domglocken zu läuten?

Dompropst Bachner: Für uns als Christen ist jeder Mensch, der gestorben ist oder lebt, jeder Mensch der in Not ist, einer, für den wir uns einsetzen und für den wir da sind. Weil Gott für diese Menschen da ist. Das ist unser Grundsatz. Wir dürfen nur nicht irgendwelche Zeichen gegeneinander ausspielen. Wir haben nicht geläutet in diesem Fall, aber wir haben ein Zeichen gesetzt. Wichtig ist nicht, welches Zeichen wir setzen, sondern, dass wir es setzen. Wir müssen uns überlegen und haben uns überlegt, welche Zeichen jeweils richtig sind. Es gibt innere und äußere Zeichen. Und äußere Zeichen gibt es auch viele. Wir haben mit dem Kardinal dieses wirkungsvolle Symbol gesetzt  mit den 23.000 Glockenschlägen zum Gedenken an die ertrunkenen Flüchtlinge. Jetzt haben wir beim Mittagsgebet eingeladen zu den Fürbitten und zu einer Schweigeminute für die verfolgten Christen weltweit. Eine intensive Schweigeminute kann viel mehr ausdrücken als ein Glockenschlag. Jedes Zeichen hat seine Bedeutung: Licht aus, Licht an, Glockenschläge, Schweigeminuten. Wir müssen immer überlegen, welches Zeichen wir setzen wollen und wo wir uns einbringen. Insofern haben wir uns nicht ausgeschlossen bei dem wichtigen Thema der verfolgten Christen, wir haben uns solidarisiert und dieses Zeichen der Schweigeminute gesetzt.

domradio.de: Wie muss man sich das vorstellen? Werden Gedenkanlässe an das Domkapitel herangetragen?

Dompropst Bachner: Es kommen viele Ansinnen: Wir haben die Themen Lebensrecht, Hunger auf der Welt, Umweltprojekte, fast täglich erreichen mich Anfragen und werde ich darum gebeten, dieses oder jenes Zeichen zu setzen. Wir müssen aufpassen: Jedes Zeichen verwirkt sich, wenn es permanent gesetzt wird, inflationär eingesetzte Zeichen bringen nichts. Wir können keine Not in der Welt außer Acht lassen. Jede Not und jeder einzelne Mensch mit seiner Not ist wichtig. Nicht nur die globale Not, sondern auch die ganz konkrete Not beim Einzelnen. Die muss ich wahrnehmen und mich einsetzen mit Gebeten, Fürbitten und der sozialen Tat. Zeichen müssen ganz klar gesetzt werden, die unser Anliegen deutlich machen.

domradio.de: Immer öfter läuten die Kirchenglocken für nicht-liturgische Belange. Ist das ein Trend?

Dompropst Bachner: Wir haben es in Köln jetzt einmal gemacht, aber es hat das schon früher gegeben. Eine Glocke ist ja auch immer eine Friedensglocke. Und es kann auch ein Weckruf sein. Es darf nur nicht inflationär sondern gezielt eingesetzt sein. Mir persönlich sind neben diesen äußeren Zeichen aber auch die inneren wichtig. Die französischen Bischöfe haben zum Gebet während des Läutens aufgerufen. Nur die Glocken läuten zu lassen - damit ist es nicht getan! Jeder Einzelne muss überlegen, was er tun kann. Insofern sind alle diese Zeichen Weckrufe. Wir müssen als Kirche Zeichen setzen und die Menschen wachrufen aus der Botschaft des christlichen Glaubens heraus. Und wir müssen differenziert, klug und sparsam mit diesen Zeichen umgehen.

Wir verstehen und als Kirche ja auch politisch. Kirche ist nicht nur in der Sakristei. Die Botschaft Gottes geht zu den Menschen und unsere Glaubwürdigkeit wird an der sozialen Dimension gemessen. Die Gottesliebe ist für mich als Christ die Grundlage der Nächstenliebe, aber die Nächstenliebe ist der Prüfstein der Gottesliebe. Und beides gehört eng zusammen, und nur wenn wir das aus der Kraft Gottes heraus auch leben, uns für die Menschen einsetzen, Mahner sind und denen eine Stimme geben, die in der Gesellschaft keine Stimme haben – aus welchen Gründen auch immer – geht die Gleichung auf. Uns dafür als Kirche und auch als Kölner Dom einzusetzen, ist der Auftrag, den uns Jesus Christus mitgegeben hat und den ich als Dompropst im Domkapitel auch immer wieder thematisiere.

domradio.de: Ist schon eine weitere Aktion geplant?

Dompropst Bachner: Nein. Jesus hat gesagt: Der Nächste ist nie einer, den ich mir einfach aussuche, sondern der Nächste ist immer der, der mein Leben kreuzt. Dann muss ich reagieren. Wir müssen wachsam sein und hörend. Und überlegen, wo wir gefordert sind und dann auch sehr schnell entscheiden und handeln. 

Das Interview führte Daniel Hauser.


Quelle:
DR