"Markt der Möglichkeiten" auf dem Kirchentag bietet für jeden etwas

Glaube in allen Facetten

Über 730 Vereine, Initiativen und Verbände stellen sich beim Kirchentag vor. Das Angebot reicht von gediegen bis sehr skurril. Willkommen auf dem Markt der Möglichkeiten.

Autor/in:
Christoph Scholz
Markt der Möglichkeiten / © edkt (DEKT)
Markt der Möglichkeiten / © edkt ( DEKT )

"Hier kansch schnell den Überblick verliere", klagt die ältere Dame mit orangenem Schal leicht schwäbelnd. Etwas orientierungslos irrt sie über den "Markt der Möglichkeiten" des Evangelischen Kirchentags auf dem Berliner Messegelände im Westen der Stadt. Sie sucht die Veranstaltung mit dem ehemaligen US-Präsidenten Barak Obama und Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die am Brandenburger Tor in Berlins Mitte stattfindet.

Das Programm weist die Veranstaltung noch in Halle 25 aus. Damals war allerdings auch noch nicht klar, dass Obama kommt. Wegen des Publikumsandrangs wurde sie später verlegt. Aber auch trotz des Kirchentags-Highlights am Brandenburger Tor sind auch viele in die Hallen gekommen. Tausende Besucher drängen sich durch ein kaum überschaubares Angebot: 730 Vereine, Initiativen und ehrenamtliche Gruppen aus Kirche und Gesellschaft präsentieren sich hier bis einschließlich Samstag (27.5.17).

"Markt der Möglichkeiten" ist thematisch gegliedert

"Hier finden sie Ideen, Visionen und Alternativen, die Mut zur Veränderung machen. Lassen Sie sich inspirieren, sammeln sie Kontakte und Erfahrungen", empfiehlt das Programm. Die Bereiche sind thematisch gegliedert. Bei "Theologie und Spiritualität" lädt etwa Angela Gabriel (55) vom Mecklenburger "Pilger-Kloster Tempzin" zum Gruppenpilgern ein. Sie habe es vor sechs Jahren als "Weg der Begegnung zwischen den Menschen mit der Natur und mit Gott" entdeckt.

Zum Einstieg empfiehlt sie ein viertägiges "Softpilgern". Zehn Tage mit 30 Leuten und Isomatten-Übernachtung in Kirchen und Gemeindehäuser sei "für den Anfang zu anstrengend". Der Zuspruch scheint groß. Immerhin präsentieren sich hier gleich mehrere solcher Vereine. Gleich neben den Ständen breitet sich eine Wüste aus hellen Tüchern mit Meditationsangeboten aus.

Auch Hospiz-Initiativen präsentieren sich

Der Bereich "Theologie und Spiritualität" umfasst auch die "Ahauser Christen gegen Atomenergie" oder die "Aktion Kirche und Tiere" aus dem sächsischen Markkleeberg. Breiten Raum auf dem Markt nimmt die Ökumene ein, allerdings ist sie durchaus breit angelegt. Unter dem Stichwort firmieren nicht nur evangelische oder lutherische Kirchen aus aller Welt, sondern auch Netzwerke wie die "Esperanto-Liga" oder die "Linux-User im Bereich Kirche". Ebenso umfangreich sind die Initiativen zum interreligiösen und interkulturellen Dialog.

Beim Thema "Lebensführung und Zusammenleben" zeigt sich die innere Spannbreite oder Spannung in der Evangelischen Kirche, wenn es um Familie, Gender und den Umgang mit Sexualität geht. Neben dem "Arbeitskreis Sadomasochismus und Christsein" oder den Lesbennetzwerken setzen andere Angebote ganz auf das traditionelle Familienbild und eine entsprechende Sexualerziehung.

Beeindruckend ist die Zahl an Hospiz- und Palliativ-Initiativen. Dem Umgang mit einem würdigen Tod widmet sich die "Tobias-Bruderschaft Göttingen". Für Gerhard von Hugo, der dort Mitarbeiter ist, eine Möglichkeit, "Diakonie in einem überschaubaren Rahmen wahrzunehmen". Die Bruderschaft feiert vierteljährlich Trauergottesdienste für die Verstorbenen, die ansonsten nur eine anonyme Ordnungsamtsbestattungen hätten. In Berlin seien das jährlich rund 2.500, so von Hugo.

Im Café kann man eine Pause machen

Selbstverständlich ist auch der Reformator Martin Luther (1483-1546) im Reformationsgedenkjahr in unterschiedlichster Form präsent. Er ziert Buchdeckel, Plakate, Broschüren, Kerzen, Schlüsselanhänger, Tassen, Lutscher, Würfelspiele oder spülmaschinenfeste Frühstücksbrettchen. Der Ideenreichtum übertrifft selbst manche Devotionalienhandlung südländischer Marienwallfahrtsorte.

Wen bei dieser Fülle an Möglichkeiten die Reizüberflutung erfasst, kann bei "Pause Inklusiv - Cafe & Kultur" verschiedener Diakonie-Vereine etwas Ruhe finden, bei denen auch Menschen mit Behinderung mitarbeiten.

Am "Wunschbaum" der Jugendhilfe Oberbayern kann man schließlich seinen "Wunsch für die Welt" aufhängen. Auf einem Zettel hat sich der Verfasser eine Umwidmung der Milliarden an Dollar "von der Rüstung zur Entwicklungshilfe" gewünscht - diesen Wunsch dürften sich wohl alle Entwicklungsinitiativen anschließen, die zahlreich vertreten sind. Realistischer ist da allerdings die Bitte des 17-jährigen Torsten: "Einfach mehr Rücksicht unter den Menschen" - zumindest auf dem Kirchentag.


Quelle:
KNA