Kann der Papst im Zypern-Konflikt vermitteln?

"Betrifft gesamtes griechisch-türkisches Verhältnis"

Der Papstbesuch auf Zypern ist politisch heikel. Die Grenze zwischen griechischem Süden und türkischem Norden verläuft mitten durch die Hauptstadt Nikosia. Michael Schwartz nennt die Hintergründe dieses Konfliktes, die in anderen Ländern zu suchen sind.

Blick von Süd-Nikosia durch den Maschendrahtzaun der UN-Pufferzone nach Nord-Nikosia  / © Andrea Krogmann (KNA)
Blick von Süd-Nikosia durch den Maschendrahtzaun der UN-Pufferzone nach Nord-Nikosia / © Andrea Krogmann ( KNA )

DOMRADIO.DE: Wie kam es denn damals, 1974, zu dieser Teilung Zyperns?

Prof. Dr. Michael Schwartz (Institut für Zeitgeschichte): Wenn wir auf die kurzfristige Entwicklung schauen, dann hat das mit Konflikten dieser beiden religiös-nationalistischen Gruppen zu tun. Das ist ja eine Mischung auf der Insel, die aus orthodoxen Griechen und muslimischen Türkischstämmigen besteht.

Diese Konflikte gibt es schon seit der Zeit vor der Unabhängigkeit um 1960. Aber sie sind 1974 dadurch hochgekocht, dass eine vermittelnde Position des damaligen zypriotischen Präsidenten, der gleichzeitig der orthodoxe Erzbischof Makarios III. war, von griechischen Nationalisten innerhalb und außerhalb Zyperns so nicht mehr mitgetragen wurde.

Die damals in Griechenland herrschende Militärdiktatur hat hier versucht, auch auf Zypern Änderungen in ihrem Sinne herbeizuführen und einen Putsch gegen Makarios organisiert, der dann dazu führte, dass die benachbarte Türkei auch militärisch interveniert hat, um die Interessen der türkischstämmigen Minderheit auf Zypern zu verteidigen.

Seitdem haben wir diese Entwicklung, dass die Insel in zwei staatliche Entitäten (Einheiten; Amn. d. R.) gespalten wurde und dass das auch mit Flucht und Vertreibung der meisten Angehörigen der jeweiligen Minderheit im jeweiligen Teil einherging.

DOMRADIO.DE: Welche Rolle spielt denn Griechenland heute in dieser Gemengelage?

Schwartz: Griechenland hat keine besonders förderliche Rolle gespielt. Es hat ja vor einigen Jahren einen Versuch der UN gegeben, den sogenannten Annan-Plan, benannt nach dem damaligen UN-Generalsekretär Kofi Annan, hier möglicherweise die beiden geteilten Hälften doch wieder zusammenzubringen.

Im griechischen Teil der Insel hat es dafür keine hinreichende Mehrheit bei der Volksabstimmung gegeben. Man muss leider befürchten, dass das auch mit nationalistischen Strömungen im Mutterland Griechenland zu tun hat, wie ja überhaupt dieser Konflikt ohne die beiden Mutterländer, wenn man das mal so nennen will, gar nicht denkbar ist.

Griechenland und die Türkei spielen da automatisch immer eine Rolle mit. Denn die Republik Zypern und jetzt auch diese beiden Staaten sind ja im Grunde Zufallsprodukte in einem sehr viel älteren und längeren Konflikt, der das gesamte griechisch-türkische Verhältnis seit dem 19. Jahrhundert betrifft.

Zypern blieb nur dadurch übrig, dass es durch einen historischen Zufall lange unter britische Kolonialherrschaft gekommen ist, die ja ungefähr ein Jahrhundert, von 1878 bis 1960, währte. Die Briten haben auch immer noch zwei Stützpunkte auf der Insel. Durch diesen historischen Zufall blieben beide Bevölkerungsgruppen vor der Unabhängigkeit relativ geschützt auf der Insel.

Anderswo ist die Entwicklung oft so gelaufen, dass die türkischen Minderheiten gewaltsam vertrieben wurden. In Griechenland gibt es so gut wie keine muslimischen Minderheiten mehr. Und umgekehrt hat es im Zuge des Ersten Weltkriegs und der Neuformierung der Türkei unter Kemal Atatürk dann einen heftigen griechisch-türkischen Krieg gegeben, der zur Vertreibung so gut wie aller christlich-orthodoxen Minderheiten aus der Türkei geführt hat.

Wir finden eigentlich nur noch in Istanbul, im alten Konstantinopel, wo ja auch der Sitz des orthodoxen Patriarchen ist, nach wie vor eine kleine griechische Minderheit. Von diesen wechselseitigen ethnischen oder ethno-religiösen "Säuberungen", also wirklich gewaltsamer Vertreibungspolitik auf beiden Seiten ist ja Zypern lange verschont geblieben, bis dann eben diese Krise von 1974 diese Spaltungen und auch Vertreibungen auf der Insel bewirkt hat.

DOMRADIO.DE: Warum wird denn von Religionsvertretern vor allen Dingen immer wieder beteuert, dass es sich doch um einen rein politischen Konflikt handelt? Das klingt bei Ihnen ja ganz anders.

Schwartz: Ich würde glauben, das kann man so nicht trennen. Das wäre sicher falsch, denn natürlich spielt auch dieser alte religiöse Gegensatz eine Rolle. Er ist aber verschränkt mit politischen Machtverhältnissen und auch wahrscheinlich mit sozialen Machtverhältnissen.

Denn in vielen ehemaligen osmanischen Provinzen war es so, dass Muslime zwar die Minderheit bildeten, aber oft überproportional Landbesitz hatten. Wie sich das heute genau auf Zypern verhält, kann ich jetzt natürlich nicht mehr sagen. Denn spätestens die Flucht- und Vertreibungsprozesse der 70er Jahre haben da auch signifikant etwas geändert.

Aber das ist eine Verschränkung von kulturell religiösen, von machtpolitischen und von sozialen Konflikten, die wir - wie im gesamten Umfeld - dann eben auch auf Zypern sehen müssen. Und da spielt auch Religion eine gewisse Rolle. Sie kann die Dinge entweder verschärfen oder sie kann sie mildern.

Es ist ja auch kein Zufall, dass mit Erzbischof Makarios - der oberste orthodoxe Geistliche - der politische und nationale Anführer der griechischen Zyprioten in den 50er Jahren geworden ist. Das zeigt ja, wie bedeutsam die Kirchenführung damals auch noch politisch wirken konnte. Und er war dann über 15 Jahre auch der Präsident.

DOMRADIO.DE: Glauben Sie denn, dass dieser Papstbesuch jetzt tatsächlich irgendetwas bewirken kann in Richtung Frieden oder zumindest eine etwas entspanntere Situation, die ja nach wie vor eben nicht so ist?

Schwartz: Man soll das von den Einwirkungsmöglichkeiten nicht überschätzen. Das ist wird der Papst gewiss auch nicht tun. Er weiß ja um die Jahrzehnte und zuweilen sogar Jahrhunderte alte strukturelle Situation in diesem Konflikt. Aber ein solcher Besuch kann schon deutlich Wertschätzung gegenüber beiden Konfliktparteien ausdrücken und tatsächlich mit dem Gewicht seiner Persönlichkeit und auch seines Amtes versuchen, in Richtung Gesprächsbereitschaft und Versöhnung zu wirken.

Das ist schon sehr wichtig. Und insofern ist dieser Papstbesuch auch ein sehr ermutigendes Signal.

Das Interview führte Martin Mölder.


Maronitische Georgskirche in Kormakitis, Zypern / © Andrea Krogmann (KNA)
Maronitische Georgskirche in Kormakitis, Zypern / © Andrea Krogmann ( KNA )

Heiligkreuzkirche in Karpasha (Zypern), eine maronitische Kirche, die in einem der vier noch existierenden Maronitendörfern im Nordteil Zyperns steht / © Andrea Krogmann (KNA)
Heiligkreuzkirche in Karpasha (Zypern), eine maronitische Kirche, die in einem der vier noch existierenden Maronitendörfern im Nordteil Zyperns steht / © Andrea Krogmann ( KNA )
Quelle:
DR
Mehr zum Thema