Zum 100. Geburtstag von Anglikaner-Primas Robert Runcie

Ein Schweinezüchter, der die Königin der Herzen traute

Seinen größten Auftritt hatte er bei der "Hochzeit des Jahrhunderts" - obwohl er angeblich schon wusste, dass aus dem Paar nichts werde. Auch sonst hatte Robert Runcie, Erzbischof von Canterbury, wenig Furcht anzuecken.

Autor/in:
Alexander Brüggemann
Archivbild: Robert Runcie (l.) und Papst Johannes Paul II. beim Einzug in die Kathedrale von Canterbury am 29, Mai 1982 / © KNA-Bild (KNA)
Archivbild: Robert Runcie (l.) und Papst Johannes Paul II. beim Einzug in die Kathedrale von Canterbury am 29, Mai 1982 / © KNA-Bild ( KNA )

Als wohl einziger Erzbischof von Canterbury der jüngeren Geschichte hat Robert Runcie aktiv für sein Land gekämpft. Als Panzerkommandant landete er im Juli 1944 mit seinem Scots-Guards-Regiment in der Normandie, einige Wochen nach dem D-Day. Mit ihnen kämpfte er im Nordwesten Europas bis zur deutschen Kapitulation im Mai 1945. Einen seiner Männer zog Runcie aus einem zerschossenen Panzer. Im Mai 1945 gehörte er zu jenen Einheiten, die das Konzentrationslager Bergen-Belsen befreiten. Danach blieb er zunächst Teil der britischen Besatzungssoldaten im zerstörten Köln.

Geistlicher und Schweinezüchter

Robert Runcie, geboren vor 100 Jahren, am 2. Oktober 1921 in Liverpool, konnte sich also gut auseinandersetzen. Er schlug die geistliche Laufbahn ein, wurde 1951 zum Priester geweiht und empfahl sich schon früh für höhere Ämter. Gleichzeitig galt seine zweite Passion der Schweinezucht; er nannte eine Herde von 60 Berkshire-Schweinen sein eigen, mit denen er nach eigenen Worten auch "Stress bewältigen" konnte. Bei seiner Ernennung zum anglikanischen Primas freute sich die britische Presse über einen "Schweinehalter und Kriegshelden".

Runcie entwickelte sich zu einem Wortführer des anglokatholischen Flügels innerhalb der anglikanischen Staatskirche; zugleich war er theologisch eher liberal eingestellt, befürwortete später die Priesterweihe für Frauen. 1970 zum Bischof von St. Albans ernannt, wurde er 1980 Erzbischof von Canterbury und Primas der Church of England. Weltweit bekannt wurde Runcie, als er im Juli 1981 in der Londoner Pauls-Kathedrale die Trauung von Prinz Charles mit Lady Diana leitete. Dabei soll er bereits im Vorfeld privat geäußert haben, die Sache mit den beiden werde nicht gutgehen.

Kritik in Kirche und Politik

Mit der konservativen Regierung von Margaret Thatcher geriet Runcie mehrfach aneinander. Er beklagte chauvinistisch-nationale Töne im Falklandkrieg mit Argentinien, kritisierte Thatchers schroffen Marktliberalismus, forderte sozialpolitische Milde ein und solidarisierte sich mit den Bergarbeitern, die sich Mitte der 80er Jahre vor dem Nichts sahen. Die Regierung ihrerseits warf Runcie politische Einmischung vor.

Auch vor dem historischen Papstbesuch Johannes Pauls II. im Mai 1982 zog der Primas massiven Zorn auf sich, als er mehrfach die volle Kircheneinheit als Ziel der Ökumene betonte - wenn möglich bis zum Jahr 2000 und mit dem Papst in der Rolle eines zentralen "Sprechers" des weltweiten Christentums. Bei einem Gottesdienst in Liverpool wurde er dafür sogar ausgebuht, als Verräter, Lügner und Judas beschimpft. Vor der Kirche hielten Demonstranten Plakate hoch wie "Rom beherrscht Runcie" oder "Kavallerie statt Popentum". Der katholische Erzbischof von Westminster, Kardinal Basil Hume, sprach von einem Skandal, Runcie selbst von einer "nur schwer verzeihlichen Entgleisung".

Bis zu seinem Tod Mitglied des House of Lords

Gegen Ende seiner Amtszeit präzisierte er sein Konzept für den Papst als "Ehrenprimat", nicht als "Jurisdiktionsprimat". In den internen anglikanischen Auseinandersetzungen wurden solche ökumenischen Visionen ohnehin konterkariert durch die Diskussionen um die Einführung des Frauenpriestertums - die Runcie befürwortete.

Seine Mitgliedschaft als Abgeordneter des britischen Oberhauses wurde jenseits aller politischen Querelen auch über Runcies Amtszeit als Erzbischof von Canterbury hinaus verlängert. 1991 wurde er als Baron Runcie of Cuddesdon zum "Life Peer", blieb also bis zu seinem Tod im Juli 2000 Mitglied des House of Lords.

Mit seiner Ehefrau Rosalind, einer Pianistin, hatte Runcie seit 1957 zwei Kinder und vier Enkelkinder. Sein Biograf Adrian Hastings beschrieb ihn als weder glänzenden Autor noch Denker, doch als sehr begabten Organisator und scharfsichtigen Beobachter.


Quelle:
KNA