Katholisches Büro zuversichtlich über neue Regierung in Sachsen-Anhalt

"Mehr als Symbolpolitik"

Erst im zweiten Wahlgang wurde Sachsen-Anhalts Ministerpräsident Rainer Haseloff im Amt bestätigt. Trotzdem blickt der Leiter des Katholischen Büros - der Schnittstelle von Kirche und Politik - optimistisch auf die neue Legislaturperiode.

Rainer Haseloff bei seiner Vereidigung durch Landtagspräsident Gunnar Schellenberger / © Ronny Hartmann (dpa)
Rainer Haseloff bei seiner Vereidigung durch Landtagspräsident Gunnar Schellenberger / © Ronny Hartmann ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie haben Sie das erlebt im Landtag in Magdeburg?

Stephan Rether (Leiter des Katholischen Büros Sachsen-Anhalt): Für mich als einen, der nicht unmittelbar beteiligt ist, aber natürlich sehr interessiert, war es schon mehr überraschend als absehbar. Selbst wenn der Ministerpräsident anschließend gesagt hat, er hat schon damit gerechnet, dass es mit dem ersten Wahlgang ein bisschen schwierig wird. Ich hatte eigentlich den Eindruck, weil bis dahin die Verfahren unter den drei Parteien und Fraktionen so reibungslos, so still, so zielgerichtet gelaufen sind, dass auch die Ministerpräsidentenwahl im ersten Wahlgang erledigt ist.

Ich glaube für den einen oder anderen war das eine Mischung aus Erstaunen und Erschrecken, dass das eben nicht so war. Gut, das gehört zum parlamentarischen Betrieb dazu. Auch bei der Wahl vor zwei Legislaturen hat Reiner Haseloff mehr als einen Wahlgang gebraucht. Insofern war das jetzt nicht völlig was Neues. Interessant war für mich eher, wie schnell dann die Legendenbildung losging, nach dem Motto - woran lag es denn? Haben eventuell die drei Parteien folgendes gesagt: Gut, statistisch brauchen wir eigentlich die Liberalen gar nicht, weil ja die CDU-Fraktion mit der SPD-Fraktion eine Stimme Mehrheit im Landtag hat. Und das reicht ja eigentlich, wenn sie alle diszipliniert sind. Und trotzdem hat man sozusagen die Koalition mit drei Parteien gewählt. Und jetzt zeigt sich, selbst das reicht nicht im ersten Wahlgang aus, weil offensichtlich andere Beweggründe den einen oder anderen unterm Strich dazu veranlasst haben, nicht für den Wahlvorschlag zu stimmen.

DOMRADIO.DE: Wenn Sie es am Amtsschwur ablesen sollten - wie ist die neue Landesregierung von Sachsen-Anhalt jetzt aufgestellt?

Rether: Ich bin grundsätzlich, mit Blick durch die katholisch-kirchliche Brille, zuversichtlich und optimistisch. Das ist, glaube ich, schon eine Koalition, die auch die Herausforderungen der nächsten Jahre meistern kann. Und die sind natürlich geprägt von den Folgen der Pandemie und der Coronapolitik. In der Sache selber gibt es ein Kabinett, bei dem nicht nur der Ministerpräsident, sondern nahezu alle Ministerinnen und Minister neben dem Amtseid auch die religiöse Beteuerung "so wahr mir Gott helfe" geleistet haben vor dem Parlament. Das ist für mich erst einmal mehr als Symbolpolitik, sondern auch sozusagen die öffentliche, bekundete persönliche Überzeugung, dass man nicht allein und nicht allein mit eigener Kraft dieses Amt bekleiden möchte. Darüber habe ich mich schon sehr gefreut.

DOMRADIO.DE: Die AfD hat bei der letzten Wahl 20,8 Prozent der Stimmen geholt, wurde stärkste Kraft in der Opposition. Was bedeutet das für die parlamentarische Arbeit?

Rether: Das muss man sehen. Eine kleine Vorausschau gab es gestern schon nach der Verkündigung des Wahlergebnisses im ersten Wahlgang. Da hat die AfD-Fraktion nach Kräften applaudiert. Ich habe das empfunden als eine Art kollektive Schadenfreude, dass es nicht funktioniert hat. Und diese emotionale Dimension von Landespolitik, ich glaube, wird uns auch in den nächsten Jahren sehr stark begleiten. Und diese Art sich politisch einzubringen, steht halt immer in der Gefahr, dass auch die Kultur des politischen Umgangs miteinander nicht gerade gestärkt wird.

DOMRADIO.DE: Sie haben heute Vormittag schon das Landtags-Morgengebet geleitet. Routine? Oder ist das am Tag nach einer Wahl, einer neuen Regierung, dann doch eine ganz besondere andere Atmosphäre? Wie haben Sie das wahrgenommen?

Rether: Nein, wir sind politisch, also auch in den Beziehungen und der Zusammenarbeit zwischen dem katholischen und evangelischen Büro und der Landespolitik, jetzt im Alltag. Sachsen-Anhalt ist politisch wieder am Netz. Und in ökumenischer Zusammenarbeit mit meinem evangelischen Kollegen bieten wir zu jeder Landtagssitzung freitags früh ein ökumenisches Landtags-Morgengebet an, was sozusagen die Einladung ist an die Abgeordneten und Mandatsträger, die das annehmen wollen, noch vor dem Parlamentsbetrieb eine Viertelstunde "durchzuatmen", zur Ruhe zu kommen, vielleicht auch in die Kommunikation mit unserem Herrgott zu treten, gemeinsam zu beten. Und das ist ein Format, was seit vielen, vielen Jahren hier fest etabliert ist und immer im Wechsel stattfindet. Also einmal ist mein evangelischer Kollege dran, der findet im evangelischen Dom zu Magdeburg statt und nächstes Mal bin ich dran. Und dann findet es in der katholischen Kathedralkirche hier in Magdeburg statt. Und das ist eine feste Größe. Und so war es dann auch heute Morgen. Was wohl aber neu war, war tatsächlich das eine oder andere vielleicht nicht unbekannte, aber doch fremde Gesicht für dieses Landtags-Morgengebet. Denn wir haben sehr, sehr viele Abgeordnete im Landtag, die das erste Mal in dieser Legislatur dieses Mandat ausfüllen; und ich habe mich sehr darüber gefreut, dass davon auch einige den Weg zu uns gefunden haben, zum Morgengebet.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR
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