Pfarrer sammeln Wünsche von Nicht-Stimmberechtigten

Auch mal über den Tellerrand schauen

Kinder, Jugendliche oder Migranten: Es gibt Millionen Menschen in Deutschland, die bei der Bundestagswahl keine Stimme abgeben können. Denen will eine ökumenische Initiative in Essen nun ein Forum bieten. Das Ziel ist dabei klar umrissen.

Ein Wahllokal / © Bernd von Jutrczenka (dpa)
Ein Wahllokal / © Bernd von Jutrczenka ( dpa )

DOMRADIO.DE: Allen, die am 26. September nicht wählen dürfen, möchten Sie ein Forum geben. Sie sollen also ihre Wünsche und Erwartungen äußern können. Warum ist Ihnen das so wichtig?

Bernd Wolharn (Leiter der Cityseelsorge am Essener Dom): Weil wir glauben, dass auch die jüngeren Menschen und die, die überhaupt keine Stimme haben, bei der Bundestagswahl Themen haben, die ihnen wichtig sind. Da wollen wir im wahrsten Sinne des Wortes eine Plattform schaffen, auf der diese Themen und diese Inhalte stark gemacht werden können.

Wir wollen - wenn man so will - den Stimmenlosen in dieser Zeit eine Stimme geben. Von daher laden wir ein, bei dieser Videoaktion mitzumachen.

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie sammeln Videos, Statements, kleine Videoclips. Die Aktion läuft auch schon seit ein paar Tagen. Welche Wünsche und Anregungen erreichen Sie da?

Wolharn: Wir waren in Kindergärten, wir kooperieren mit Jugendverbänden, wir gehen in Jugendeinrichtungen und haben auch gute Kontakte zu Migrantinnen und Migranten.

Es gibt Geflüchtete, die tatsächlich keine Stimmenmöglichkeit haben und trotzdem gerne ihre Themen gehört wissen wollen. Das ist der Impuls, uns zu sagen: Vergesst diese Themen nicht, wenn ihr dann am Tag der Bundestagswahl eure Stimme abgebt.

Bei jungen Menschen spielt die Ökologie eine große Rolle. Es gibt sehr viele junge Menschen, die sich auch hier in Essen für "Fridays for Future" engagieren. Es gibt weiter die Geflüchteten, die natürlich hoffen, dass die Integration für sie voranschreitet. Das Thema Arbeit ist für viele ein wichtiges Thema. Also, diesen Themen wollen wir gerne eine Stimme geben.

DOMRADIO.DE: Sieht man jetzt schon, welche Gruppen da ganz besonders aktiv sind, sich melden und was sagen?

Wolharn: Wir stehen ja noch am Anfang. Aber ich habe den Eindruck, dass gerade junge, engagierte Menschen, die noch nicht wählen können, auch über das Medium Video richtig Lust haben, sich zu beteiligen. Wir hoffen dann über eine kleine Seite, aber vor allen Dingen auch über Instagram und über Facebook dann im Evangelischen Kirchenkreis in Essen und beim Bistum Essen, diese Themen zur Sprache zu bringen.

Ich finde übrigens den Interviewtermin heute richtig passend, weil ja heute der Wahl-O-Mat an den Start gegangen ist, wie ich in der Zeitung gelesen habe. Ich glaube, dass es einfach wichtig ist, Menschen eine Stimme zu geben und deren Themen zu Gehör zu bringen, die sonst vielleicht vergessen werden.

Deshalb haben wir gesagt, es geht um mehr als mich. Es geht wirklich um die anderen. Wir gucken über den Tellerrand. Was ist denn bei den anderen Thema in diesen Zeiten?

DOMRADIO.DE: #ummehralsmich lautet das Motto. Glauben Sie denn, diese Botschaft kommt insofern an, als dass für andere quasi mit abgestimmt wird, die das selber nicht können?

Wolharn: Ich würde es mir sehr wünschen, wenn uns das gelingt. Wir überlegen noch, wie wir es visualisieren können und in die Stadtgesellschaften und in die Fußgängerzonen hineinbringen, damit Leute von den Interessen der nicht wahlberechtigten Menschen Kenntnis erhalten und dann hoffentlich beim Wählen ihr Kreuzchen so setzen, dass sie auch die Themen der anderen mit im Hinterkopf haben.

Von daher wäre das gerade der Wunsch, wenn das für Kinder, Jugendliche, Migrantinnen und Migranten gelingen könnte, tatsächlich eine Stimme zu erheben.

DOMRADIO.DE: Das heißt, kurz vor der Wahl wird man irgendwo noch was zu sehen bekommen?

Wolharn: Das ist gerade unser größtes Ziel, diese Videoaktionen so öffentlich zu machen, dass Menschen sehen, dass Kirchen auch Demokratie stark machen und sich mit so einer ökumenischen Aktion zur Demokratie in unserem Land bekennen. Auch das ist, glaube ich, ein wichtiges Zeichen in diesen Zeiten.

Das Interview führte Carsten Döpp.


Quelle:
DR
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