Caritas besorgt über junge Migranten in spanischer Enklave

Das Leiden der Kinder in Ceuta

Sie schlafen im Wald, in Häusereingängen. Helfer suchen sie, um sie zumindest mit Lebensmitteltüten zu versorgen. Die Behörden der spanischen Exklave Ceuta sind überfordert mit dem Ansturm minderjähriger Marrokaner.

Spanien, Ceuta: Ein spanischer Soldat begleitet ein Kind nach seiner Ankunft in Ceuta / © Antonio Sempere (dpa)
Spanien, Ceuta: Ein spanischer Soldat begleitet ein Kind nach seiner Ankunft in Ceuta / © Antonio Sempere ( dpa )

Er friert, ist vollkommen erschöpft. Sein Schwimmring aus Plastikflaschen hält ihn kaum noch über Wasser. Dennoch traut sich der marokkanische Junge nicht aus dem Meer. Er weint. Am El-Tarajal-Strand von Ceuta warten bereits spanische Soldaten und Grenzschützer, um die ankommenden Migranten abzufangen.

Auch der junge Marokkaner befürchtet, sofort wieder zurückgeschickt zu werden. Der spanische Soldat Rachid Mohamed al Messaoui kann den geschätzt 14-Jährigen dennoch überzeugen, endlich an Land zu kommen, und verhinderte damit vielleicht eine weitere Flüchtlingstragödie.

Die Bilder des verzweifelten Jungen gingen vergangene Woche um die Welt. "Er versicherte mir, lieber zu sterben, als zurück nach Marokko zu müssen", berichtete der Soldat später. Zurück müssen aber nur die Erwachsenen.

Fast alle wurden wieder abgeschoben

Von den mehr als 8.000 Migranten, die vor einer Woche die spanische Nordafrika-Exklave Ceuta am Mittelmeer regelrecht stürmten, hat Spanien fast alle wieder nach Marokko abgeschoben. Diese sogenannten heißen Abschiebungen sind völkerrechtlich höchst umstritten, wegen eines Sondervertrags zwischen Spanien und Marokko aber seit Jahren gängige Praxis.

Für unbegleitete Minderjährige sind diese aber nicht gestattet. Der spanische Staat muss sie in Obhut nehmen, bis die Eltern gefunden sind - was aber nicht immer möglich oder von vielen Jugendlichen auch nicht gewollt ist. Damit gelangt das von Marokko umgebende Ceuta mit seinen knapp 85.000 Einwohnern an seine Grenzen.

Fast 1000 Minderjährige ohne Begleitung

Fast 1.000 unbegleitete Minderjährige erreichten vergangene Woche das kleine Ceuta. Für ihre Versorgung fehlt es an allen Ecken und Enden. Juan Jesus Vivas, Regierungschef von Ceuta, gibt offen zu, dass die Stadt vollkommen überfordert ist, und fordert Solidarität vom Rest Europas.

Da die beiden Zentren für unbegleitete Minderjährige überfüllt sind, wurden die meisten provisorisch in Lagerhallen mehr schlecht als recht untergebracht. Und längst nicht alle. "In der Stadt und der Umgebung verstecken sich noch rund 300 Minderjährige vor den Beamten.

Einige sind gerade zehn oder zwölf Jahre alt. Sie schlafen im Wald, in Häusereingängen", berichtet Manuel Gestal, Caritas-Direktor in Ceuta, der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Täglich fahren die Caritas-Helfer die Straßen und die umliegenden Berge ab, um Kinder zu suchen.

Decken, Essenstüten, sonst kaum etwas

"Wir geben ihnen Decken, Essenstüten, und wir raten ihnen, sich bei der Polizei zu melden. Viel mehr können wir nicht tun", meint Gestal. Obwohl Minderjährige zunächst keine Abschiebung befürchten müssen, trauen sie den Behörden nicht. Viele schlafen unter Brücken oder in Stadtparks.

Einige versuchen, sich auf die Fähren im Hafen zu schmuggeln, um aufs spanische Festland zu kommen. "Sie fliehen vor Armut, Hunger und fehlender Zukunft", so Gestal. Die marokkanische Region um Ceuta sei sehr strukturschwach. Die Jugendarbeitslosigkeit liegt hier bei 80 Prozent. Die einzigen Jobs gibt es eigentlich nur in Ceuta.

Doch mit Ausbruch der Covid-Pandemie wurde die Grenze vor einem Jahr geschlossen. Damit verarmten noch mehr Familien, deren Eltern zuvor täglich zur Arbeit nach Ceuta gependelt waren. Spanien vermutet, dass der Flüchtlingsansturm von Marokko orchestriert wurde - wegen erneuter diplomatischer Meinungsverschiedenheiten im Westsahara-Konflikt.

Sicherung der Landesgrenzen in der Kritik

Bereits häufiger setze in Marokko in diesen Fällen einfach mal die Sicherung der Landgrenzen zu den beiden Exklaven Ceuta und Melilla aus. Diesmal wurden aber anscheinend bewusst auch Minderjährige animiert, die Grenzen zu überschreiten.

Verteidigungsministerin Margarita Robles warf Marokko vor, "Kinder von sieben oder acht Jahren" unter Missachtung des Völkerrechts benutzt zu haben, um Spanien unter Druck zu setzen. Es sei "inakzeptabel", das Leben von Kindern und anderen Menschen für politische Zwecke aufs Spiel zu setzen.

Auch Spaniens Bischofskonferenz forderte Marokko auf, Armutsflüchtlinge und Kinder nicht weiter für geopolitische Interessen zu instrumentalisieren. "Gerade viele jüngere Kinder wurden anscheinend getäuscht, um nach Ceuta zu kommen. Im Internet verbreiteten sich Gerüchte über kostenlose Kinderfeste und sogar von Fußballspielen mit Cristiano Ronaldo und Leo Messi", so Caritas-Direktor Gestal.

Marrokanische Eltern suchen verzweifelt nach ihren Kindern

Wer solche Gerüchte verbreitete, kann er nicht sagen. "Einige Kinder erzählten uns, sie seien nach dem Unterricht mit Schulbussen zur Grenze gebracht worden." Marokkanische Eltern sind verzweifelt auf der Suche nach ihren Kindern. Die Regionalregierung in Ceuta richtete eine Telefon-Hotline ein, die bereits 4.400 Hilferufe erhielt.

Unterdessen will Sozialministerin Ione Belarra 200 Minderjährige, die bereits zuvor in den Auffanglagern Ceutas untergebracht waren, aufs spanische Festland übersetzen lassen, um Platz für die Neuankömmlinge zu schaffen. Einen Plan für ihre Unterbringung und Versorgung oder was mit ihnen passieren soll, gibt es aber bislang nicht.


Spanien, Ceuta: Migranten kommen in der spanischen Enklave Ceuta an / © Bernat Armangue (dpa)
Spanien, Ceuta: Migranten kommen in der spanischen Enklave Ceuta an / © Bernat Armangue ( dpa )
Quelle:
KNA