Kirchen sehen neue Vorschrift zum Ethikunterricht mit Sorge

Gewissensfragen in der Bundeswehr

Im Verteidigungsministerium wird derzeit an einer Vorschrift zur ethischen Bildung in der Bundeswehr gearbeitet. Kirchen und Wehrbeauftragte sind alarmiert. Sie wollen nicht, dass künftig Dienstvorgesetzte die Gewissensschulung übernehmen.

Militärbischof Franz-Josef Overbeck im Gespräch (Archiv) / © Dana Kim Hansen (KNA)
Militärbischof Franz-Josef Overbeck im Gespräch (Archiv) / © Dana Kim Hansen ( KNA )

Der Begriff  "Innere Führung" ist die Chiffre für die Besonderheit des deutschen Militärs. Bei der Gründung der Bundeswehr definierte sie als Lehre aus der Mitschuld der Streitkräfte an den Verbrechen im Nationalsozialismus ein neues Verständnis des Soldaten - als "Staatsbürger in Uniform", der dem Grundgesetz und seinem Gewissen verpflichtet ist.

"Innere Führung gewährleistet, dass die Bundeswehr in der Mitte der Gesellschaft bleibt", heißt es dazu in der entsprechenden Dienstvorschrift. Um das zu gewährleisten, ist ein Teil des Unterrichtsplans deutscher Soldatinnen und Soldaten ethische Bildung, quasi als Gewissensschulung.

"Dafür sind die Kirchen zuständig"

Für diesen Unterricht ist eine neue Vorschrift geplant, die bei den Kirchen und der Wehrbeauftragten des Bundestags auf Widerstand stößt. Im Grunde geht es um die Frage, wer künftig für Gewissensfragen zuständig ist: Das Militär selbst oder Kirchen und andere zivile Institutionen.

"Unter dem Dach 'Innere Führung' haben wir momentan politische und historische Bildung sowie seit 65 Jahren den Lebenskundlichen Unterricht, den Militärgeistliche erteilen", erklärt der evangelische Militärbischof Bernhard Felmberg.

Neben die politische und historische Bildung solle nun eine ethische Bildung als dritte Säule gestellt werden. Felmberg lehnt die Reform ab, vor allem weil nach seinen Worten künftig Dienstvorgesetzte diesen ethischen Unterricht erteilen sollen.

"Ein Dienstvorgesetzter kann nicht wie ein Pfarrer handeln"

"Der Dienstvorgesetzte, der Befehle erteilt, würde dann gleichzeitig lehren, wie solche Befehle ethisch begründet abgelehnt werden können", sagt der Theologe. Er spricht von einem "Zielkonflikt" und befürchtet, dass der Unterricht an Offenheit verliert.

"Ein Dienstvorgesetzter kann aufgrund seiner Rolle nie den Freiheitsraum entfalten wie ein Pfarrer, der außerhalb der Befehlskette steht", sagt Felmberg. Ähnlich sieht es der katholische Militärbischof Franz-Josef Overbeck. Viele Vorgesetzte unterrichteten mit hoher Kompetenz die Fächer "Politische Bildung", "Interkulturelle Bildung" und "Innere Führung".

Ethische Bildung unterscheide sich davon aber, weil sie oft sehr persönliche Fragestellungen berühre. "Hier ist es klug, bei der Komplexität der Anforderungen entsprechende Unterscheidungen vorzunehmen und diesen Unterricht durch die Militärseelsorgen erteilen zu lassen", sagt er.

Werbeauftragte unterstreicht die Kritik

Die Kritik der Kirchen teilt auch die Wehrbeauftragte Eva Högl (SPD). Mit Blick auf die Ausweitung der Militärseelsorge erschließe sich nicht, warum das Verteidigungsministerium für diese Aufgabe nicht auf Seelsorger zurückgreift.

Gemeint sind der bevorstehende Start für die jüdische Militärseelsorge und Überlegungen, auch muslimische und orthodoxe Geistliche einzubinden. Zudem betont auch Högl auf die Bedeutung unabhängigen Personals, die einen "freien und vertrauensvollen Gedankenaustausch" ermöglichten.

Das Verteidigungsministerium wiegelt die Kritik ab. Es sei im Prinzip keine Änderung geplant, sagte ein Sprecher dem epd. Zweck und Ziele der ethischen Bildung sollen vielmehr erstmals in einem Regelungswerk dargestellt und zusammengefasst werden.

Zudem solle der Lebenskundliche Unterricht, der in der Regel von Militärseelsorgern erteilt wird, unverändert bestehen bleiben, "das heißt, es bleibt auch bei der bisherigen Durchführung". Die Kirchen haben dennoch Sorge, dass sich der Charakter des Unterrichts durch die neue Vorschrift ändern wird.

Neue Regelung tritt dieses Jahr in Kraft

Laut Ministerium soll die neue Regelung in diesem Jahr herausgegeben werden. Hinter den Kulissen wird über die letztlichen Formulierungen noch verhandelt, auch mit den Kirchen, die ihre Seelsorger als wichtiges Element in der Truppe sehen.

"Bei der Gründung der Bundeswehr 1956 hat man nach der Erfahrung der NS-Diktatur bewusst für einen zivilen Faktor in der Bundeswehr gesorgt", sagt Militärbischof Felmberg. Deswegen seien evangelische und katholische Pfarrer von Anfang an nicht nur als Seelsorger, sondern auch als Personal für die Bildung eingebunden gewesen.

"Ein neuer Ethikunterricht, erteilt durch Dienstvorgesetzte, hebelt diese historische Erkenntnis aus."


Quelle:
epd