Kirche drängt auf Stabilität bei Italiens Regierung

Papst und Bischöfe fürchten Rechtsruck

Inmitten der Corona-Pandemie steht die Regierung des italienischen Ministerpräsidenten Giuseppe Conte auf der Kippe. Die katholische Kirche wirbt mehr oder minder offen für einen Fortbestand der fragilen Koalition.

Autor/in:
Alexander Pitz
Regierungssitz in den italienischen Farben / © Cristian Gennari/Romano Siciliani (KNA)
Regierungssitz in den italienischen Farben / © Cristian Gennari/Romano Siciliani ( KNA )

Regierungskrisen sind in Italien nichts Ungewöhnliches: In der Nachkriegszeit erlebte die Mittelmeernation 66 Regierungen und 29 Ministerpräsidenten. Dass einer von ihnen die volle fünfjährige Amtszeit absolviert, ist eher die Ausnahme. Das Besondere an der aktuellen Konstellation ist nicht das erneute Zerwürfnis, sondern der Zeitpunkt.

Ausgerechnet auf dem Höhepunkt der Corona-Pandemie hat Ex-Premier Matteo Renzi die Koalition in Rom platzen lassen. Anlass sind Differenzen über die Verteilung von mehr als 200 Milliarden Euro aus dem EU-Wiederaufbaufonds. Trotz des Geldsegens stehen Sozialdemokraten und Fünf-Sterne-Bewegung ohne Renzis Splitterpartei Italia Viva ohne tragfähige Mehrheit da. Der parteilose Regierungschef Giuseppe Conte wirbt verzweifelt um Überläufer aus anderen Reihen. "Helfen Sie uns!", appellierte er am Montag im Abgeordnetenhaus. Am Abend Erleichterung für ihn: Nach stundenlanger Diskussion überstand er die Vertrauensabstimmung.

Italiener unzufrieden mit Krisenmanagement

Doch am Dienstag droht dem 56-Jährigen abermals das Aus - bei der zweiten Vertrauensabstimmung im Senat. Die dürfte nach Einschätzung von Experten weitaus schwieriger zu gewinnen sein. Im Falle einer Niederlage sind Neuwahlen ein denkbares Szenario. Dann müsste die Regierung mit einem Absturz in der Wählergunst rechnen. Viele Italiener sind mit dem Krisenmanagement alles andere als zufrieden. Mehr als 80.000 Corona-Tote und eine durch harte Restriktionen abgewürgte Wirtschaft sind die bisherige Bilanz. Die linkspopulistische Fünf-Sterne-Bewegung steht laut neuesten Erhebungen 18 Prozentpunkte schlechter da als 2018.

Die Opposition beobachtet derweil genüsslich, wie sich das Conte-Lager zerlegt. Größter Profiteur ist dabei nicht - wie man meinen könnte - Ex-Innenminister Matteo Salvini (Lega). In den vergangenen Wochen stahl ihm Giorgia Meloni, telegene Frontfrau der noch weiter rechts stehenden Fratelli d'Italia die Show. Kaum eine bedeutende TV-Debatte findet zurzeit ohne sie statt. In den Umfragen liegen die Fratelli inzwischen bei mehr als 16 Prozent. Gemeinsam mit Salvinis Lega und Silvio Berlusconis Forza Italia läge ein Wahlsieg der Rechtsparteien in greifbarer Nähe.

Papst mahnt zu Einheit aller gesellschaftlichen Kräfte

Eine Vorstellung, die offenkundig gar nicht ins Konzept von Papst Franziskus passt. Das nationalistische Programm der Fratelli d'Italia ist in vielerlei Hinsicht das genaue Gegenteil seiner jüngsten Enzyklika "Fratelli tutti". Während der Argentinier darin mehr "Geschwisterlichkeit" fordert, würde eine neue Koalition mit Salvini und Meloni an der Spitze einen Kurs des "Italia first" verfolgen. Nach dem Abschied von US-Präsident Donald Trump hätte der Vatikan somit einen neuen Gegenspieler - direkt vor den eigenen Toren.

Zwar hat sich der Papst bisher nicht direkt zum italienischen Regierungschaos geäußert. Etliche Medien deuteten allerdings eine Warnung des Kirchenoberhaupts in Richtung Matteo Renzi. Bei einem kürzlich in Italien ausgestrahlten Interview mahnte Franziskus zur Einheit aller gesellschaftlichen Kräfte. Er rate allen Führungspersönlichkeiten in Kirche, Politik und Wirtschaft, Eigeninteressen zurückzunehmen und das Gemeinwohl in den Vordergrund zu stellen.

Italiens Bischöfe beklagen "Mangel an Harmonie"

Mehrere Bischöfe äußerten sich ähnlich. Manche gaben die politische Neutralität vollends auf, um offen für einen Fortbestand der Koalition einzutreten. Domenico Mogavero, Bischof von Mazara des Vallo, bezeichnete das Ausscheren Renzis als "verhängnisvoll". Der Erzbischof von Campobasso-Boiano, Giancarlo Bregantini, meldete sich ebenfalls "sehr besorgt" zu Wort und beklagte einen "Mangel an Harmonie". Eindringlich rief er die Verantwortlichen auf, doch noch eine gemeinsame Lösung zu finden.

Sollte eine solche nicht zustandekommen, bleibt den Bischöfen noch ein Hoffnungsträger: Staatspräsident Sergio Mattarella. Bei einem endgültigen Scheitern der Conte-Regierung hat er die Möglichkeit, ein Experten-Kabinett der "nationalen Einheit" mit den Amtsgeschäften zu betrauen. Kardinal Gualtiero Bassetti, Vorsitzender der Italienischen Bischofskonferenz, lobte vor einigen Tagen vorsorglich die "Weisheit" des 79-Jährigen. Schon bald könnte sich zeigen, ob die Worte berechtigt sind.


Quelle:
KNA