Entsetzen nach Terrorakt in Wien

Sechs verschiedene Tatorte

Die Zahl der Opfer des Terroranschlags in Wien ist gestiegen. Die Polizei spricht nun von mindestens vier getöteten Passanten. Der erschossene Attentäter gilt als Islamist. Die Kardinäle Schönborn und Woelki verurteilten die Tat scharf.

Wien: Bewaffnete Polizisten stehen Wache nach einem Schusswechsel im Stadtzentrum / © Ronald Zak (dpa)
Wien: Bewaffnete Polizisten stehen Wache nach einem Schusswechsel im Stadtzentrum / © Ronald Zak ( dpa )

Bei der Terrorattacke in Wien sind nach offiziellen Angaben mindestens vier Passanten getötet worden. Es handele sich um zwei Männer und zwei Frauen, bestätigte der österreichische Innenminister Karl Nehammer der Nachrichtenagentur APA am Dienstagmorgen.

Zudem wurde ein Täter von der Polizei erschossen. Die Behörden sprachen außerdem von mehr als einem Dutzend zum Teil schwer verletzten Menschen, darunter auch ein Polizist. Ob ein oder mehrere Attentäter beteiligt waren, ist aus Sicht der Behörden weiter unklar. Sie gehen von einem islamistischen Motiv aus.

Sympathisant der Terrormiliz Islamischer Staat

Die Attacke geht nach den Worten von Innenminister Nehammer auf das Konto mindestens eines islamistischen Terroristen. Der Attentäter sei ein Sympathisant der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) gewesen, sagte Nehammer am Dienstagmorgen. Er sei mit einem Sturmgewehr bewaffnet gewesen und habe zudem eine Sprengstoffgürtel-Attrappe getragen. Er habe offenbar Panik verbreiten wollen.

Im Umfeld des Täters wurden mehrere Objekte durchsucht. Es seien mehrere Personen festgenommen worden, hieß es aus dem Innenministerium, wie die österreichische Nachrichtenagentur APA am Morgen meldete.

"Wir können derzeit nicht ausschließen, dass es noch andere Täter gibt", sagte Nehammer am frühen Morgen. Die Ermittlungen liefen auf Hochtouren. Die Bevölkerung habe der Polizei inzwischen Tausende von Videoaufnahmen für die Ermittlungen zur Verfügung gestellt. Die Wohnung des Verdächtigen sei auf der Suche nach belastendem Material durchsucht worden, hieß es. 1000 Beamte seien in Wien im Einsatz.

Die Wiener Innenstadt war zeitweise mit öffentlichen Verkehrsmitteln nicht mehr erreichbar. Weder Busse noch Bahnen steuerten Ziele im historischen Kern der Zwei-Millionen-Metropole an.  

Die Regierung hält angesichts des Anschlags um 9 Uhr - per Videokonferenz - einen Sonderministerrat ab. Um 11.30 Uhr wendet sich Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) dann in einer Rede an die Bevölkerung.

Um 12 Uhr empfangen Kurz und Vizekanzler Werner Kogler (Grüne) den Wiener Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) sowie die Fraktionschefs der Parlamentsparteien im Bundeskanzleramt zu einem Gespräch. Danach folgt eine gemeinsame Kranzniederlegung am Tatort, um der Opfer zu gedenken. Aufgrund der weiteren polizeilichen Ermittlungen wurden die Bürger dazu aufgerufen, die Innenstadt zu meiden. 

Sechs verschiedene Tatorte

Der Terrorangriff ereignete sich wenige Stunden vor Beginn des teilweisen Lockdowns in Österreich. Seit Mitternacht sind alle Gaststätten im Kampf gegen die Corona-Pandemie geschlossen. Die ersten Schüsse fielen am Montagabend gegen 20 Uhr nahe der Hauptsynagoge in einem Ausgehviertel Wiens. Nach Augenzeugenberichten feuerte der Täter wahllos in die Lokale. Ein Mann brach tödlich getroffen auf einem Bürgersteig zusammen. Viele Passanten rannten in Panik davon. Einige erhoben die Hände, um der Polizei zu zeigen, dass sie nicht bewaffnet sind.

"Wer einen von uns angreift, greift uns alle an", sagte Nehammer. Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz verurteilte den Angriff als "widerwärtigen Terroranschlag".

Der Polizei zufolge gab es sechs verschiedene Tatorte. Einer davon liegt direkt neben der Synagoge. Der Vorsitzende der Israelitischen Kultusgemeinde, Oskar Deutsch, schrieb auf Twitter, es könne nicht gesagt werden, ob sie eines der Ziele war. "Fest steht allerdings, dass sowohl die Synagoge (...) als auch das Bürogebäude an derselben Adresse zum Zeitpunkt der ersten Schüsse nicht mehr in Betrieb und geschlossen waren."

Spitzenpolitiker in aller Welt zeigten sich betroffen. "Nach einem weiteren abscheulichen Terrorakt in Europa sind unsere Gebete bei den Menschen in Wien", schrieb US-Präsident Donald Trump am späten Montagabend (Ortszeit) auf Twitter. Die USA stünden an der Seite Österreichs, Frankreichs und ganz Europas im Kampf gegen Terroristen, einschließlich radikal-islamische Terroristen.

Sein demokratischer Herausforderer Joe Biden twitterte, er und seine Frau Jill beteten nach dem schrecklichen Terrorangriff in Wien für die Opfer und deren Familien. "Wir müssen alle vereint gegen Hass und Gewalt eintreten", ergänzte er. In den USA wird am Dienstag ein neuer Präsident gewählt.

Auch UN-Generalsekretär António Guterres verurteilte den Terrorangriff in der Wiener Innenstadt scharf. Er verfolge die Situation mit "äußerster Sorge", sagte der UN-Chef nach einer Mitteilung in der Nacht zum Dienstag in New York.

Frankreichs Präsident Emmanuel Macron schrieb auf Deutsch auf Twitter: "Nach Frankreich ist es ein befreundetes Land, das angegriffen wird. Dies ist unser Europa. Unsere Feinde müssen wissen, mit wem sie es zu tun haben. Wir werden nichts nachgeben." In Frankreich hatte es in den vergangenen Wochen drei Anschläge gegeben, die Ermittler gehen jeweils von einem islamistischen Hintergrund aus.

Reaktionen von Kirchenvertretern

Christoph Kardinal Schönborn, Erzbischof von Wien, hat sich noch in der Nacht auf Facebook zur Lage in Wien geäußert: "In diesen dramatischen Stunden bete ich mit vielen anderen, die über die Medien die tragischen Ereignisse im Herzen unserer Stadt mitverfolgen, für die Opfer, die Einsatzkräfte und dass es zu keinem weiteren Blutvergießen kommt." Was auch immer die Hintergründe für den Anschlag seinen, so sei blinde Gewalt durch nichts zu rechtfertigen, so der Wiener Erzbischof.

Auch der Kölner Erzbischof Rainer Maria Kardinal Woelki hat in der Nacht zum Gebet für die Menschen in Wien aufgerufen. "Ich bin betroffen und tief erschüttert von den Bildern und Nachrichten, die uns in dieser Nacht aus Österreich erreichen", so Woelki. Gewalttaten und Terror seien "durch nichts zu rechtfertigen."

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, hat nach dem mutmaßlich islamistischen Anschlag in Wien zum Ende des Hasses aufgerufen.

"Keinerlei Form von Terror, kein islamistischer, kein rechts- und kein linksextremer, darf einen Platz haben in unserer Gesellschaft und Kultur. Terror im Namen der Religion pervertiert den Namen Gottes. Wir brauchen ein Ende der Gewalt", erklärte der Limburger Bischof am Dienstag. Er sei zutiefst erschüttert von den nahezu wöchentlichen Nachrichten von Terror in Europa. "Meine ersten Gedanken und Gebete gelten den Opfern, den vielen Verletzten und den Angehörigen."

"Wir brauchen ein Ende des Hasses. Wir brauchen Religionen, die das verwirklichen, was sie versprechen: Frieden zu stiften", fügte Bätzing hinzu: "Europa wird eine Heimat für Menschen sein, die friedlich zusammenleben. Diese Heimat lassen wir uns nicht nehmen. Wir sind mit den Menschen in Österreich im Gebet verbunden und trauern mit ihnen.

Der Bamberger Erzbischof Ludwig Schick nannte die Tat einen "verabscheuungswürdigen Terroranschlag". Auf Facebook wünschte er den Angehörigen Trost, der Polizei schnellen Erfolg bei der Fahndung und der Gesellschaft Zusammenhalt.

Der evangelische Bischof Michael Chalupka schrieb auf Twitter: "Wien hält zusammen für das Leben in dieser Stadt. Terror wird den Zusammenhalt nicht spalten."

Synagogen geschlossen

Die Islamische Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGÖ) bot ihre uneingeschränkte Kooperation mit den Sicherheitsbehörden an. Man wisse über den oder die Täter auch nicht mehr, als das Innenministerium bekanntgegeben habe, sagte eine Sprecherin. Die IGGÖ werde nun prüfen, ob der Täter in die Gemeinschaft eingebunden gewesen oder aufgefallen sei. Die Tat mache die Muslime fassungslos.

Unterdessen schloss die Israelitische Kultusgemeinde (IKG) alle Synagogen in Österreich. Betroffen seien in Wien zudem sämtliche Einrichtungen, wie koschere Restaurants, Supermärkte und Schulen.

Gemeindemitglieder wurden dazu aufgefordert, zu Hause zu bleiben. Man wisse aber nicht, ob der Anschlag der IKG gegolten habe.


Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn / © Cristian Gennari (KNA)
Der Wiener Kardinal Christoph Schönborn / © Cristian Gennari ( KNA )

Rainer Maria Kardinal Woelki / © Julia Steinbrecht (KNA)
Rainer Maria Kardinal Woelki / © Julia Steinbrecht ( KNA )

Georg Bätzing, Bischof von Limburg / © Arne Dedert (dpa)
Georg Bätzing, Bischof von Limburg / © Arne Dedert ( dpa )

Erzbischof Ludwig Schick / © Harald Oppitz (KNA)
Erzbischof Ludwig Schick / © Harald Oppitz ( KNA )

Österreich, Wien: Polizeibeamte patrouillieren am frühen Morgen auf einer abgesperrten Straße nach einem Schusswechsel im Stadtzentrum / © Ronald Zak (dpa)
Österreich, Wien: Polizeibeamte patrouillieren am frühen Morgen auf einer abgesperrten Straße nach einem Schusswechsel im Stadtzentrum / © Ronald Zak ( dpa )

Österreich, Wien: Schwerbewaffnete Polizisten sind in der Wiener Innenstadt im Einsatz / © Ronald Zak (dpa)
Österreich, Wien: Schwerbewaffnete Polizisten sind in der Wiener Innenstadt im Einsatz / © Ronald Zak ( dpa )

Österreich, Wien: Einsatzkräfte der Polizei stehen am Schwedenplatz. Nach den Schüssen in der Wiener Innenstadt ist die Lage weiter unklar. / © Georg Hochmuth/APA (dpa)
Österreich, Wien: Einsatzkräfte der Polizei stehen am Schwedenplatz. Nach den Schüssen in der Wiener Innenstadt ist die Lage weiter unklar. / © Georg Hochmuth/APA ( dpa )

Österreich, Wien: Einsatzkräfte der Polizei stehen am Schwedenplatz. Nach den Schüssen in der Wiener Innenstadt ist die Lage weiter unklar. / © Georg Hochmuth/APA (dpa)
Österreich, Wien: Einsatzkräfte der Polizei stehen am Schwedenplatz. Nach den Schüssen in der Wiener Innenstadt ist die Lage weiter unklar. / © Georg Hochmuth/APA ( dpa )
Quelle:
dpa , DR , KNA