Debatten nach Vorgängen am Reichstagsgebäude dauern an

"Da spüre ich viel Aggression und Gewalt"

Eine Woche nach den Corona-Demonstrationen in Berlin und den Vorgängen auf der Treppe des Reichstagsgebäudes dauern die Debatten und Analysen an. Am Wochenende äußerten sich auch Vertreter der Kirchen dazu.

Autor/in:
Leticia Witte
Demonstranten auf den Stufen zum Reichstagsgebäude im August 2020 (Archiv) / © Achille Abboud/NurPhoto (dpa)
Demonstranten auf den Stufen zum Reichstagsgebäude im August 2020 (Archiv) / © Achille Abboud/NurPhoto ( dpa )

Die "Frankfurter Allgemeine Sonntagszeitung" berichtete über eine Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung, wonach knapp ein Drittel einen Hang zu Verschwörungstheorien hat. Der Glaube daran ist demnach nicht auf eine bestimmte Bevölkerungsgruppe in Deutschland beschränkt.

Anselm Grün warnt davor, innerlich stehen zu bleiben

Zu den Protesten gegen die Corona-Schutzmaßnahmen insgesamt äußerte sich der Münsterschwarzacher Benediktinerpater und Beststellerautor Anselm Grün kritisch. "Es ist sicher berechtigt, dass man über die Maßnahmen in der Pandemie diskutieren kann", schrieb er auf seiner Facebook-Seite. Die Demonstration in Berlin aber hätten rechte Kreise für ihre Zwecke missbraucht.

"Da spüre ich viel Aggression und Gewalt." Sein Eindruck sei, "dass manche sich einfach weigern, sich durch die äußeren Umstände wandeln zu lassen. Sie möchten so weiterleben, wie es immer war." Grün mahnte: "Wenn wir krampfhaft am Alten festhalten, bleiben wir auch innerlich stehen."

Margot Käßman verurteilt Missbrauch des Namens Gottes

Die evangelische Theologin Margot Käßmann prangerte Missbräuche des Namens Gottes für eine Rechtfertigung von Krieg, Hass und Antisemitismus an. Es gebe keine gerechten Kriege, und im Namen Gottes dürfe es keine Gewalt geben, schrieb sie in ihrer Kolumne in der "Bild am Sonntag". "Wer andere niederbrüllt, wer Menschen aufgrund ihrer Religion oder Herkunft oder Hautfarbe missachtet, andere bedroht, missachtet Gott."

Unter denjenigen, die am Rande der Großdemonstration gegen die Corona-Politik Absperrungen am Reichstagsgebäude überwunden hatten und auf die Treppe des Gebäudes gelangt waren, waren auch Menschen mit schwarz-weiß-roten Reichsflaggen. Auf einem Foto ist ein Mann zu sehen, auf dessen Fahne "Gott mit uns" steht.

Antisemitismusbeauftragter Klein fordert Bannmeile vor dem Reichtstagsgebäude

Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, erneuerte seine Forderung nach einer Bannmeile vor dem Reichstagsgebäude auch außerhalb der Sitzungswochen. Der "Welt am Sonntag" sagte er: "Hier geht es um die Achtung der wichtigsten demokratischen Institution."

Der Beauftragte für Sekten- und Weltanschauungsfragen der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern, Matthias Pöhlmann, verwies auf dem Portal watson.de (Sonntag) auf die heterogene Zusammensetzung der Demonstration. Es gehe "weniger darum, wofür sie sind, eher darum, wogegen". Corona sei ein Anlass, "um sich zu sammeln".

Pöhlmann warnte einer schon seit längerem zu beobachtenden Verbindung von Rechtsextremen und Esoterikern, die nicht verharmlost werden dürfe. Die Motive, sich der Esoterik oder Verschwörungsmythen zuzuwenden, seien vergleichbar mit denen bei religiösen Sekten. Esoteriker hätten einen "Totalitätsanspruch", bei dem scheinbar keine Frage offen bleibe.

Der Historiker Paul Nolte rief dazu auf, Demonstrationen gegen die Corona-Bestimmungen ernstzunehmen. "Da haben wir dieses Phänomen von einem Grummeln im Volk, dem die intellektuelle, die akademische, die gedankliche Führung abhandengekommen ist", sagte er dem BR. Das verweise auf eine Spaltung der Gesellschaft.


Quelle:
KNA
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