Reaktionen auf den Tod von Hans-Jochen Vogel

Verfechter eines "Nie-Wieder"

Der frühere SPD-Vorsitzende Hans-Jochen Vogel ist tot. Stimmen aus Politik, Gesellschaft und Kirche würdigen Vogel als als "soziales Gewissen der SPD" und eine "herausragende Persönlichkeit". 

Hans-Jochen Vogel (dpa)
Hans-Jochen Vogel / ( dpa )

Der gebürtige Göttinger prägte über Jahrzehnte die deutsche Sozialdemokratie. Der in zweiter Ehe verheiratete Vogel lebte zuletzt mit seiner Frau in einem Münchner Seniorenstift. Er war an Parkinson erkrankt.

Steinmeier: Verfechter eines "Nie-Wieder"

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zeigte sich auch persönlich sehr betroffen. "Wir haben einen Mann verloren, der die deutsche Sozialdemokratie und die Politik unseres Landes maßgeblich geprägt hat. Hans-Jochen Vogel hat für Toleranz, Respekt und das friedliche Zusammenleben in unserer Gesellschaft gearbeitet und gekämpft", erklärte er. "Seine Disziplin und Geradlinigkeit, sein Pflichtbewusstsein und sein christliches Menschenbild haben ihm über alle Parteigrenzen hinweg größten Respekt eingebracht."

In allen seinen Ämtern habe sich Vogel engagiert für das friedliche Miteinander der europäischen Völker eingesetzt. Die eigene Erfahrung als Kriegsteilnehmer habe ihn zum leidenschaftlichen Verfechter eines "Nie-Wieder" gemacht.

Brückenbauer und "soziales Gewissen der SPD"

Der Münchner Kardinal Reinhard Marx würdigte Vogel als einen Menschen, für "dessen Handeln das christliche Menschenbild leitend gewesen" sei. "Es war nicht unbedingt selbstverständlich, wie Hans-Jochen Vogel als Sozialdemokrat sein Katholisch-Sein und seine
damit verbundenen moralischen Grundsätze öffentlich bekannte und lebte." Zeit seines Lebens habe er auf Missstände hingewiesen und den Blick der Verantwortlichen in besonderer Weise auf Ungerechtigkeit gelenkt. "Mit Recht nannte man ihn das soziale Gewissen der SPD", so Marx.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble erklärte, der "leidenschaftliche Sozialdemokrat" habe "Politik stets aus tiefer Überzeugung und aus innerer Verpflichtung gestaltet". Vogel sei daran gelegen gewesen, Menschen zusammenzuführen und Brücken zu bauen.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, mit Vogel "verliert Deutschland eine herausragende Persönlichkeit. Über Parteigrenzen hinweg genoss er durch seine glaubwürdige Politik und authentische Art höchstes Ansehen." Als Münchner Oberbürgermeister habe Vogel die Entwicklung der Stadt entscheidend mitgeprägt.

"Zeit seines Lebens an der Seite der jüdischen Gemeinschaft"

Die Präsidentin der Israelitischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, Charlotte Knobloch, erklärte, sie sei von "unendlicher Trauer" ergriffen. "Mit ihm verlieren wir einen außergewöhnlichen Politiker, eine prägende Figur der Zeitgeschichte und ganz besonders einen treuen und engen Freund. Seine Geradlinigkeit und Offenheit waren einzigartig und werden unvergessen bleiben."

Vogel habe in seiner Jugend den Aufstieg der Nationalsozialisten und die Zerstörung des Landes im Krieg erlebt. "Der Drang, die demokratische Kultur der Bundesrepublik zu bewahren und zu schützen, wurde zu einer Triebfeder seines politischen Handels. Auch das Gedenken an die Opfer der NS-Zeit war ihm ein Herzensanliegen", so Knobloch. "Er stand zeit seines Lebens an der Seite der jüdischen Gemeinschaft, die ihm wie unser ganzes Land ein ehrendes Andenken bewahren wird."

Erst Bürgermeister, dann Minister

Mit 34 Jahren wurde Vogel 1960 in München jüngster Oberbürgermeister einer europäischen Millionenstadt. Er trug dazu bei, die Olympischen Spiele 1972 nach München zu holen. Wegen heftiger Auseinandersetzungen mit der SPD-Linken warf er das Handtuch und ging in die Bundespolitik.

In der sozialliberalen Koalition diente er unter Willy Brandt und später unter Schmidt in Bonn als Bau- und Justizminister. Vor der härtesten Bewährungsprobe stand Vogel als Justizminister - gemeinsam mit Kanzler Helmut Schmidt und anderen - während der Zeit des RAF-Terrorismus. "Die schwierigste Entscheidung, an der ich beteiligt war, war die Entscheidung nach der Entführung von Hanns Martin Schleyer und nach der Entführung der Landshut", sagte er.

Seine eigenen Ambitionen als Kanzlerkandidat musste er nach der Wahlniederlage 1982 gegen Helmut Kohl (CDU) begraben. 1981 war er für kurze Zeit Regierender Bürgermeister von Berlin. Als Fraktionschef im Bundestag und Parteivorsitzender bekleidete er aber noch bis 1991 Spitzenämter in der SPD. Sein jüngerer Bruder Bernhard Vogel machte derweil Karriere in der CDU und war unter anderem Ministerpräsident in Rheinland-Pfalz und später in Thüringen.

Katholischer Parteisoldat

Der Katholik Vogel galt in der SPD als Urgestein und Parteisoldat mit starken moralischen Grundsätzen. Verspottet wurde er als Pedant mit der Klarsichthülle. Bis zuletzt engagierte sich Vogel gesellschaftlich, unter anderem als Gründungsvorsitzender des Vereins "Gegen Vergessen - Für Demokratie".

Zu Tagungen der Katholischen Akademie in Bayern kam er gerne und beteiligte sich an aktuellen Debatten. Als Katholik und Jurist hielt der SPD-Politiker das Staat-Kirche-Verhältnis in Deutschland für gelungen, wie er der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA) einmal sagte. Es sprächen gute Gründe dafür, daran festzuhalten. Dabei schließe er die Kirchensteuer und die "aus der Weimarer Verfassung übernommenen Regelungen des Grundgesetzes" mit ein.


Vogel als Justizminister mit Kanzler Schmidt / © Peter Popp (dpa)
Vogel als Justizminister mit Kanzler Schmidt / © Peter Popp ( dpa )
Quelle:
KNA