Corona-Fehlinformationen sind ein weltweites Problem - doch in den meisten Ländern scheinen sie nicht vorherrschend zu sein. Zusammenkünfte wie die sogenannten Hygiene-Demonstrationen in Deutschland sind anderswo meist weniger ausgeprägt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur weltweit ergibt.
GROSSBRITANNIEN: Vor allem der Astrophysiker Piers Corbyn fällt im Land der Briten derzeit als Corona-Verschwörungstheoretiker auf. Der Bruder des früheren Chefs der oppositionellen Labour-Partei beschwört einen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch des Coronavirus und dem superschnellen 5G-Mobilfunknetz. Der 73-Jährige, der auch den vom Menschen verursachten Klimawandel für Unsinn hält, hat schon diverse Protestzüge angeführt. Er meint, die Menschen würden mit Lügen "einer Gehirnwäsche unterzogen". Piers Corbyn soll Medienberichten zufolge auch Angriffe auf die "gefährlichen" G5-Anlagen befürworten.
SCHWEIZ: Viele Demonstranten hier sind Anhänger der europaweiten Bewegung "Corona-Rebellen". Unter ihnen ist auch der Kardiologe Thomas Binder, dessen vorübergehende Festnahme Ostern nach einem Aufruf zum bewaffneten Kampf Schlagzeilen machte. Auch er behauptet, die Verbreitung des Coronavirus hänge mit den 5G-Mobilfunkantennen zusammen, und warnte vor "Weltputschterroristen", die Regierungen kontrollieren und Menschen eine Corona-Impfung aufzwingen wollten.
FRANKREICH: Verschwörungstheorien sind in Frankreich ein Thema, vor allem im Internet. Die drei Organisationen SOS-Racisme, die Vereinigung jüdischer Studenten in Frankreich (UEJF) und SOS Homophobie erstatteten Anzeige, da Hasskommentare bei Twitter während der coronabedingten Ausgangsbeschränkungen um 43 Prozent gestiegen seien. Frankreich gehört in Europa zu den Ländern, die besonders von der Pandemie betroffen sind.
ISRAEL: Da sich einige der Verschwörungstheorien insbesondere gegen Juden richten, werden diese genau beobachtet. Das Ministerium für strategische Angelegenheiten stellte in der Krise eine Zunahme antisemitischer Rhetorik fest, die von Gewaltandrohungen begleitet werde. Befürchtet wird, dass es in der Folge zu Angriffen von Extremisten auf Juden und jüdische Einrichtungen kommen könnte, insbesondere nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen.
USA: Präsident Donald Trump misstraut Experten und wissenschaftlichen Erkenntnissen und wenn Vertreter seiner Regierung sich äußern, verschwimmen zuweilen die Grenzen zu abseitigen Theorien: Wird die Zahl der Corona-Toten übertrieben? Wird sich das Virus bei wärmerem Wetter einfach in Luft auflösen? Hat China das Virus absichtlich als Waffe in die Welt gesetzt? Solche Fragen werden in den USA auch von Trump oder seinen Beratern gestellt. Konkrete Belege bleiben sie meist schuldig.
SPANIEN: Obwohl der Unmut in Spanien über die Corona-Politik der Regierung groß ist, gibt es keine Verschwörungstheorien wie in Deutschland. Sogenannte Hygienedemos sind in Spanien unbekannt. Die Proteste beschränken sich auf relativ kleine Kundgebungen. Im privaten Gespräch sind der Fantasie bei Vermutungen über den Ursprung des Virus sowie Profiteure der Pandemie aber kaum Grenzen gesetzt.
AFRIKA: Verschwörungstheorien wie in Deutschland sind auch hier eher selten. Obwohl die meisten Regierungen schnell und entschlossen teils überaus strenge Restriktionen angeordnet haben, sind Massenproteste rar. Vorübergehend für Aufregung sorgten missverständliche Äußerungen französischer Mediziner, Covid-19-Mittel in Afrika zu testen. Viele Afrikaner hoffen auf pflanzliche Heilmittel: Auf der Gewürzinsel Madagaskar wird ein "Covid Organics" genannter Gesundheitstrunk propagiert, trotz erster Expertenwarnungen. Tansanias Präsident John Magufuli empfiehlt Zitronen und Ingwer sowie Beistand von oben: Er propagiert die Kraft des Gebetes.
BRASILIEN: Immer wieder gehen Anhänger des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro im Streit über den richtigen Umgang mit dem Coronavirus auf die Straße und fordern ein Eingreifen der Streitkräfte. Die Proteste richten sich gegen die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die Bürgermeister und Gouverneure erlassen haben, um das Virus einzudämmen. Der brasilianische Außenminister Ernesto Araújo glaubt, dass sich hinter dem Coronavirus ein großer Plan verbirgt, den Kommunismus in der Welt zu verbreiten. "Das Comunavirus (Wortspiel Coronavirus und "comunista") ist gekommen", heißt ein Text auf seinem Blog, in dem er schreibt: "Das Coronavirus weckt erneut den kommunistischen Albtraum." Nationale Kompetenzen der WHO zu übertragen sei nur der erste Schritt zum Aufbau einer kommunistischen Solidarität auf der Welt. (dpa/21.05.2020)
20.07.2020
Die USA sind an "alternative Wahrheiten" gewöhnt. In der Corona-Krise lobte Trump Erfolge, obwohl die Zahl der täglichen Neuinfektionen in die Höhe ging. Rechte Publizisten behaupten, Medien würden die Pandemie übertreiben, um Trump zu schaden.
Es geht nicht nur um Corona: Unter dem Namen "QAnon" drängt sich seit gut drei Jahren ein düsteres und für Außenstehende bizarres Weltbild mit wachsendem Erfolg in das öffentliche Bewusstsein. Die Anhänger dieser Denkrichtung warnen vor einer enormen Verschwörung gegen Amerika, vor der sie nur jemand wie Donald Trump retten könne.
"Q" steht für eine angeblich im US-Regierungsapparat sitzende anonyme Figur, die häppchenweise Geheiminformationen enthüllt. Dabei geht es um eine "deep state"-Verschwörung durch ein verborgenes antidemokratisches Netzwerk gegen Amerika und über die Macht einer "globalen Elite". Die QAnon-Bewegung habe es geschafft, von "paranoiden Katakomben einer Online-Subkultur" in den Mainstream der konservativen Bewegung zu gelangen, analysiert der Menschenrechtsverband "Anti-Defamation League".
Trump und QAnon
US-Präsident Trump retweetet gelegentlich Posts aus dem Q-Umfeld. Rund ein Dutzend republikanische Kongresskandidaten, die im November bei den Kongresswahlen auf dem Stimmzetteln stehen, haben QAnon-freundliches Material online verbreitet, wie der Medieninformationsdienst mediamatters.org dokumentiert.
In der QAnon-Welt ist die politische Opposition mit den beiden Feindbildern Hillary Clinton und dem Investor George Soros besetzt. Das im Februar dieses Jahres gescheiterte Amtsenthebungsverfahren gegen Trump sei ein Coup-Versuch gewesen, heißt es. Ein Kommentar im Wirtschaftsmagazin "Forbes" warnte Anfang Juli davor, QAnon instrumentalisiere die gegenwärtige Unsicherheit durch die Corona-Pandemie. Das bedrohe die Regierung und die Wirtschaft in den USA.
Unorganisierte Struktur
Bei QAnon kann man nicht Mitglied werden, es gibt keine Sprecher oder Vordenker. Thesen werden auf anonymen Konten in den sozialen Medien verbreitet. Bei republikanischen Veranstaltungen sieht man hin und wieder Leute mit einem "Q"-Schild oder einem "Q"-T-Shirt.
Der Direktor des evangelikalen "Billy Graham Center", Ed Stetzer, sagte jüngst im Magazin "Christianity Today", es gebe Christen, die wegen ihres Misstrauens gegenüber den Medien anscheinend besonders anfällig für Verschwörungstheorien seien. Das wird in einigen Q-Verlautbarungen ausgenutzt, indem dort in religiöser Sprache von "Endzeit" oder einer bevorstehenden "Erweckung" gesprochen werde
Die Politik ist ratlos
"A Lot of People are Saying" (Viele Leute sagen) lautet ein aktueller Buchtitel über Verschwörungstheorien. Es sei kaum möglich, das Phänomen zu verstehen und darauf Antworten zu finden, so die beiden Autoren, die Soziologin Nancy Rosenblum und der Politikwissenschaftler Russell Muirhead. Das sei sehr frustrierend. Das "Verschwörungswesen" ("conspiracism") "untergräbt die Legitimität der Demokratie und bietet keine Alternative an", schreiben die beiden. Sein Hauptmerkmal sei sein "Angriff auf die Realität".
Donald Trump ist offenbar wie geschaffen für diese Bewegung. Und er profitiert davon. Trump war führend bei der Kampagne, die Barack Obamas Geburtsurkunde infrage stellte. Mit der Veröffentlichung der Urkunde war der im US-Bundesstaat Hawaii geborene Obama dann selbst Verschwörungstheorien über eine angebliche Geburt im Ausland entgegengetreten. Rosenblum und Muirhead schreiben: Moderne Verschwörungstheorien hätten zwei Ziele: Institutionen delegitimieren und die Bevölkerung desorientieren.
Der 1970 verstorbene Historiker Richard Hofstadter analysierte in den 60er Jahren in heute vielzitierten Essays über den seiner Ansicht nach weit verbreiteten "paranoiden Stil" in der amerikanischen Politik. Amerikaner hätten im Laufe der Jahrzehnte immer wieder Verschwörungen entdeckt. Einmal waren es die Freimaurer, dann die Katholiken gegen das protestantische Amerika und im Kalten Krieg schließlich die Unterwanderung der Regierung durch die Kommunisten. Ganz so neu ist das QAnon-Weltbild also nicht.
Konrad Ege
Corona-Fehlinformationen sind ein weltweites Problem - doch in den meisten Ländern scheinen sie nicht vorherrschend zu sein. Zusammenkünfte wie die sogenannten Hygiene-Demonstrationen in Deutschland sind anderswo meist weniger ausgeprägt, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur weltweit ergibt.
GROSSBRITANNIEN: Vor allem der Astrophysiker Piers Corbyn fällt im Land der Briten derzeit als Corona-Verschwörungstheoretiker auf. Der Bruder des früheren Chefs der oppositionellen Labour-Partei beschwört einen Zusammenhang zwischen dem Ausbruch des Coronavirus und dem superschnellen 5G-Mobilfunknetz. Der 73-Jährige, der auch den vom Menschen verursachten Klimawandel für Unsinn hält, hat schon diverse Protestzüge angeführt. Er meint, die Menschen würden mit Lügen "einer Gehirnwäsche unterzogen". Piers Corbyn soll Medienberichten zufolge auch Angriffe auf die "gefährlichen" G5-Anlagen befürworten.
SCHWEIZ: Viele Demonstranten hier sind Anhänger der europaweiten Bewegung "Corona-Rebellen". Unter ihnen ist auch der Kardiologe Thomas Binder, dessen vorübergehende Festnahme Ostern nach einem Aufruf zum bewaffneten Kampf Schlagzeilen machte. Auch er behauptet, die Verbreitung des Coronavirus hänge mit den 5G-Mobilfunkantennen zusammen, und warnte vor "Weltputschterroristen", die Regierungen kontrollieren und Menschen eine Corona-Impfung aufzwingen wollten.
FRANKREICH: Verschwörungstheorien sind in Frankreich ein Thema, vor allem im Internet. Die drei Organisationen SOS-Racisme, die Vereinigung jüdischer Studenten in Frankreich (UEJF) und SOS Homophobie erstatteten Anzeige, da Hasskommentare bei Twitter während der coronabedingten Ausgangsbeschränkungen um 43 Prozent gestiegen seien. Frankreich gehört in Europa zu den Ländern, die besonders von der Pandemie betroffen sind.
ISRAEL: Da sich einige der Verschwörungstheorien insbesondere gegen Juden richten, werden diese genau beobachtet. Das Ministerium für strategische Angelegenheiten stellte in der Krise eine Zunahme antisemitischer Rhetorik fest, die von Gewaltandrohungen begleitet werde. Befürchtet wird, dass es in der Folge zu Angriffen von Extremisten auf Juden und jüdische Einrichtungen kommen könnte, insbesondere nach der Aufhebung der Corona-Beschränkungen.
USA: Präsident Donald Trump misstraut Experten und wissenschaftlichen Erkenntnissen und wenn Vertreter seiner Regierung sich äußern, verschwimmen zuweilen die Grenzen zu abseitigen Theorien: Wird die Zahl der Corona-Toten übertrieben? Wird sich das Virus bei wärmerem Wetter einfach in Luft auflösen? Hat China das Virus absichtlich als Waffe in die Welt gesetzt? Solche Fragen werden in den USA auch von Trump oder seinen Beratern gestellt. Konkrete Belege bleiben sie meist schuldig.
SPANIEN: Obwohl der Unmut in Spanien über die Corona-Politik der Regierung groß ist, gibt es keine Verschwörungstheorien wie in Deutschland. Sogenannte Hygienedemos sind in Spanien unbekannt. Die Proteste beschränken sich auf relativ kleine Kundgebungen. Im privaten Gespräch sind der Fantasie bei Vermutungen über den Ursprung des Virus sowie Profiteure der Pandemie aber kaum Grenzen gesetzt.
AFRIKA: Verschwörungstheorien wie in Deutschland sind auch hier eher selten. Obwohl die meisten Regierungen schnell und entschlossen teils überaus strenge Restriktionen angeordnet haben, sind Massenproteste rar. Vorübergehend für Aufregung sorgten missverständliche Äußerungen französischer Mediziner, Covid-19-Mittel in Afrika zu testen. Viele Afrikaner hoffen auf pflanzliche Heilmittel: Auf der Gewürzinsel Madagaskar wird ein "Covid Organics" genannter Gesundheitstrunk propagiert, trotz erster Expertenwarnungen. Tansanias Präsident John Magufuli empfiehlt Zitronen und Ingwer sowie Beistand von oben: Er propagiert die Kraft des Gebetes.
BRASILIEN: Immer wieder gehen Anhänger des rechten Präsidenten Jair Bolsonaro im Streit über den richtigen Umgang mit dem Coronavirus auf die Straße und fordern ein Eingreifen der Streitkräfte. Die Proteste richten sich gegen die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die Bürgermeister und Gouverneure erlassen haben, um das Virus einzudämmen. Der brasilianische Außenminister Ernesto Araújo glaubt, dass sich hinter dem Coronavirus ein großer Plan verbirgt, den Kommunismus in der Welt zu verbreiten. "Das Comunavirus (Wortspiel Coronavirus und "comunista") ist gekommen", heißt ein Text auf seinem Blog, in dem er schreibt: "Das Coronavirus weckt erneut den kommunistischen Albtraum." Nationale Kompetenzen der WHO zu übertragen sei nur der erste Schritt zum Aufbau einer kommunistischen Solidarität auf der Welt. (dpa/21.05.2020)