Moraltheologe zum geplanten Verbot des Kükenschredderns

"Das Gesetz ist überfällig"

Bundeslandwirtschaftsministerin Julia Klöckner will das Töten männlicher Küken per Gesetz verbieten. Dafür erntet sie Lob vom Linzer Moraltheologen Michael Rosenberger. Denn die Branche ignoriere Alternativen – obwohl diese gut seien.

Junge Küken / © szefei (shutterstock)

DOMRADIO.DE: Ist dieser Schritt von Bundeslandwirtschaftsministerin Klöckner eine Erziehungsmaßnahme für die Branche?

Prof. Michael Rosenberger (Moraltheologe und Prorektor der Katholischen Privat-Universität Linz): Nein, es geht nicht um Erziehung. Erziehung ist eine Sache der Verantwortlichen in Bildungssystemen, der Eltern und so weiter.

Es geht bei einer gesetzlichen Maßnahme in diesem Bereich darum, dem Tier einen gewissen Schutz zu geben. Unser Tierschutzgesetz sieht vor, dass es keine Tötung von Tieren ohne vernünftigen Grund geben darf. Außerdem, dass diese Tötung nicht grausam passiert und nicht unnötig Leid und Schmerzen verursacht. Beides ist im vorliegenden Fall in der Zwischenzeit nicht mehr gegeben. Also wir haben keinen vernünftigen Grund mehr, weil es eben auch Alternativen gibt. Und darum ist es überfällig, dass gesetzlich etwas getan wird.

DOMRADIO.DE: Allein 2019 sollen ja mehr als 45 Millionen Küken lebendig geschreddert oder vergast worden sein. Und der Grund dahinter ist fehlende Wirtschaftlichkeit: männliche Küken sind ein Nebenprodukt, oder?

Rosenberger: Ganz genau. So ist es. Es kostet einfach mehr, wenn man die männlichen Küken großzieht und leben lässt. Das ist ganz klar. In den letzten Jahrzehnten gab es Entwicklungen in der Landwirtschaft, wo man die Züchtung von Tieren immer stärker spezialisiert hat, auf maximale Leistung und einen maximalen Ertrag. Und das heißt, wir haben die Tiere - die Legehühner - so hochgezüchtet, dass sie nicht mehr in der Lage sind, für zwei verschiedene Nutzungen zu dienen. Nämlich gleichzeitig zum Eierlegen - die weiblichen Tiere. Und zum Fleischverzehr - die männliche Tiere.

Die Situation war früher selbstverständlich so gegeben. Aber wir haben den maximalen Ertrag an Eiern gesteigert. Eine Legehenne gibt praktisch heute jeden Tag ein Ei. Das war noch vor einigen Jahrzehnten viel weniger. Und das heißt jetzt eben, dass die männlichen Tiere nicht mehr so viel Fleisch ansetzen und daher für den Fleischverzehr nicht attraktiv sind.

DOMRADIO.DE: Es gibt Alternativen, die das Schreddern umgehen könnten. Zum Beispiel eine Geschlechtsbestimmung schon im Ei. Oder das sogenannte Zwei-Nutzungs-Huhn. Also da würden tatsächlich auch männliche Tiere gemästet werden. Sind das für Sie denkbare Alternativen?

Rosenberger: Das sind denkbare Alternativen. Die Geschlechtsbestimmung ist noch nicht ganz sicher. Noch nicht ganz zuverlässig. Sie ist aber der Zuverlässigkeit nahe. Und hier wäre natürlich auch gefordert, dass die Betriebe mit dafür sorgen, indem sie das schon mal einsetzen, um die Verlässlichkeit, die Treffgenauigkeit, zu erhöhen. Das geht eben nur, wenn man große Zahlen hat und wenn man das entsprechend einsetzt.

Das Zweite: Das wäre natürlich das viel bessere noch - das sogenannte Zwei-Nutzungs-Huhn. Also wo man wieder den Schritt zurück macht, zu der Situation, wie wir sie noch vor fünfzig bis sechzig Jahren ganz selbstverständlich hatten. Dass man Hühnerrassen züchtet, die beides können und beides ganz gut machen. Sowohl eine durchaus passable Zahl an Eiern legen und auch als Fleisch dienen können - gerade die männlichen Tiere.

Das wäre natürlich die beste Situation, weil man auch bei der Geschlechtsbestimmung im Ei dann erst einmal nach neun Tagen das Ei verwerfen kann. Und da wächst dann ja schon ein kleines Tier.

DOMRADIO.DE: Der Zentralverband der Geflügelwirtschaft sagt jetzt zum Beispiel auch, das bringe alles nichts. Es wird einfach im Ausland weiter geschreddert. Was ist da Ihre Einschätzung?

Rosenberger: Naja, das könnte theoretisch passieren, dass sich die Produktion ins Ausland verlagert. Ich denke, hier wird es einerseits darauf ankommen, bei den Menschen für die Maßnahme zu werben.

Es wird andererseits auch darauf ankommen, dass wir uns überlegen, wie weit wir in Europa zum Beispiel nach außen hin Standards mit Barrieren versehen. Es gibt das Recht der Staaten, auch einen Importzoll zu erheben, wenn Produkte aus dem Ausland aufgrund ethischer Überzeugungen schlechter sind, als die Produkte im Inland. Auch wenn das dann den Preisunterschied ausmacht. Auf diesem Weg könnte man theoretisch die inländischen Produzenten schützen.

DOMRADIO.DE: Also alle müssen Verantwortung übernehmen. Wie kann das jeder Einzelne tun?

Rosenberger: Wir können schon jetzt jene Eier kaufen, die tatsächlich so produziert werden, dass die männlichen Küken leben dürfen. Da gibt es eine ganze Menge Initiativen, die schon im Lebensmittelhandel angeboten werden. Sie laufen unter Stichworten, wie Bruder-Hahn, Bruder-Herz, Hähnlein, Bruder-Küken und so weiter. Also eine ganze Menge solcher Initiativen.

Diese Eier sind im Handel. Sie kosten eben ein paar Cent mehr als die anderen Eier. Es liegt in der Verantwortung der Konsumentinnen und Konsumenten, bereit zu sein, diese paar Cent mehr zu zahlen.

Das Interview führte Verena Tröster


Michael Rosenberger / © privat (DR)
Michael Rosenberger / © privat ( DR )
Quelle:
DR
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