Grünen-Politikerin Brantner zur deutschen EU-Ratspräsidentschaft

"Kirchen könnten bei Flüchtlingspolitik ein Zeichen setzen"

Am 1. Juli übernimmt Deutschland die EU-Ratspräsidentschaft. Die europapolitische Sprecherin der Grünen, Franziska Brantner, plädiert für ein gemeinsames Wort der Kirchen zur Asylpolitik zu Beginn der anstehenden Präsidentschaft.

Autor/in:
Bigit Wilke
Migranten an der griechisch-türkischen Grenze / © Emrah Gurel (dpa)
Migranten an der griechisch-türkischen Grenze / © Emrah Gurel ( dpa )

Katholische Nachrichten-Agentur (KNA): Frau Brantner, wie groß sind Ihre Hoffnungen, dass es bei der Übernahme der EU-Ratspräsidentschaft mit einer gemeinsamen europäischen Asylpolitik vorangeht?

Franziska Brantner (europapolitisce Sprecherin der Grünen): Ich erwarte, dass die Bundesregierung die EU-Ratspräsidentschaft nutzt, um dieses schwierige Thema anzugehen. Vielleicht könnte die Corona-Krise eine Chance bieten, mehrere Solidaritätsfragen wie gemeinsame Migrations-, Außen- und Sicherheits-, Wirtschafts- und Fiskal- sowie Energiepolitik zusammenzuführen und sich in einem großen Paket zu verständigen. Auch die Erwartungen der anderen EU-Länder, dass sich während der deutschen Ratspräsidentschaft etwas bewegt, sind sehr groß.

Derzeit wird Griechenland weiter im Regen stehen gelassen. Seit Monaten können sich die EU-Länder nicht mal darauf verständigen, rund 1.600 Flüchtlingskinder von den griechischen Inseln nach Europa zu holen.

KNA: Immerhin gehörte Innenminister Seehofer zu den Kräften, die einen Notfallmechanismus für aus Seenot gerettete Flüchtlinge vorangetrieben haben.

Brantner: Der Innenminister hat sicher Lehren aus dem Jahr 2015 gezogen und weiß, dass es bei dem Thema nicht allein nationale Antworten geben kann. Ich habe aber meine Zweifel, inwiefern er wirklich sein politisches Gewicht in die Waagschale wirft, um eine Lösung zu erreichen. Außerdem könnte er ja wesentlich stärker selber vorangehen.

KNA: Erwarten Sie mehr Zustimmung von anderen Ländern für den Vorschlag der Grünen, Ankunftszentren an den Außengrenzen der EU zu errichten, in denen ankommende Flüchtlinge registriert und dann verteilt werden?

Brantner: Ja, da der Vorschlag Humanität und Ordnung verbindet: Er entlastet die südlichen Länder, stellt aber sicher, dass es geordnet zugeht. Außerdem sehen wir ja, dass Städte und Kommunen, aber auch einzelne Bundesländer wie Thüringen, signalisieren, dass sie mehr Flüchtlinge aufnehmen könnten und das auch tun würden. Damit sie das können, brauchen sie ein Signal der Bundesregierung. Wir hoffen, dass aufnahmebereite Kommunen in Zukunft zusätzlich Flüchtlinge aufnehmen dürfen und sie mit EU-Geldern bei ihren Aufgaben unterstützt werden.

Zudem setzen wir Grünen uns dafür ein, dass zusätzliche legale Perspektiven auch für diejenigen geschaffen werden, die nicht hoch qualifiziert sind und eine Blue Card erhalten, sondern die etwa hier in Deutschland eine Ausbildung machen möchten.

KNA: Was könnten die Zivilgesellschaft und die Kirchen tun?

Brantner: Es wäre ganz wichtig, den Druck für dieses wichtige Thema aufrecht zu erhalten, Corona hat das Thema sicher nach hinten geschoben. Zugleich sollte das Engagement, das es in vielen Kommunen gibt, weiter gefördert werden. Ein gemeinsames Wort der Kirchen zu Beginn der Ratspräsidentschaft könnte sicher dazu beitragen, das Thema wieder nach vorne zu schieben. Das wäre ein wichtiges Signal.

KNA: Hat die EU die ärmeren Länder in Zeiten von Corona ausreichend im Blick?

Brantner: Die EU-Kommission hat inzwischen zu Geberkonferenzen eingeladen, das finde ich richtig und wichtig. Wir dürfen nicht vergessen, dass es sich um eine globale Krise handelt, die besonders die armen Länder trifft. Wenn ein Impfstoff auf den Markt kommt, muss er für alle Länder verfügbar und finanzierbar sein. Auch der Vorschlag eines Schuldenschnitts muss weiter verfolgt werden. Und wir dürfen die Konflikte im Jemen, in Syrien und Libyen nicht vergessen, die teilweise schlimmer sind als vor der Krise.


Franziska Brandner / © Britta Pedersen (dpa)
Franziska Brandner / © Britta Pedersen ( dpa )
Quelle:
KNA