Steinmeier sieht keine Gefahr für Demokratie

Maßnahmen gegen Corona

Der Bundespräsident erwartet noch den weltweiten Höhepunkt der Pandemie. Die Maßnahmen zur Eindämmung müssten täglich durch die Politik begründet werden. Für die Demokratie bestehe dort eine Gefahr, wo die Pandemie missbraucht werde.

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Telefon / © Guido Bergmann/Bundesregierung (dpa)
Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier am Telefon / © Guido Bergmann/Bundesregierung ( dpa )

Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier sieht durch die Maßnahmen von Bund und Ländern zur Eindämmung der Corona-Pandemie nach eigenen Worten nicht die Demokratie gefährdet. Die Gesellschaft brauche zwar ihre Grundfreiheiten "wie die Luft zum Atmen", sagte er der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung". Die Demokratie nehme Schaden, wo die Krise missbraucht werde, um autoritäre Strukturen zu verstärken. Dafür gebe es Beispiele in Europa. "Ich sehe aber nicht, dass diese Sorge bei uns gerechtfertigt ist", betonte Steinmeier.

Begründungen der Maßnahmen durch Politik

Trotzdem sei die aktuelle Debatte über das Ausmaß der Einschränkungen wichtig, erklärte er: "Das erzeugt der Politik gegenüber den heilsamen Zwang, täglich zu begründen, wie lange solche Maßnahmen verantwortbar sind." Er sehe mit großem Respekt, wie die Politik versuche, die Balance zwischen dem Schutz der Bevölkerung und möglichen Erleichterungen zu finden, sagte Steinmeier.

Dass es mittlerweile weniger Neuinfektionen gebe, sei das Ergebnis "von klugem Krisenmanagement, gepaart mit Verantwortung und Disziplin der Menschen in Deutschland". Wenn die Beschränkungen jetzt aber zu schnell fallen würden, "hätten wir einen Pyrrhus-Sieg erzielt".

"Das betrifft uns alle"

"Alle Erleichterungen müssen überprüft werden und im Zweifel auch revidierbar sein. Aber der Druck steigt, denn die sozialen, psychischen und wirtschaftlichen Folgen werden immer deutlicher", sagte er.

Nach seiner Ansicht steht der Höhepunkt der Pandemie vermutlich erst bevor. "Dann, wenn in den ärmeren Regionen dieser Welt, wo Menschen Not und Hunger leiden und die Gesundheitssysteme schwach sind, die Infektionsraten zunehmen. Das betrifft uns alle. Es gibt keinen Exit aus der Weltgemeinschaft", so das Staatsoberhaupt.

Sobald ein Impfstoff gegen Corona gefunden sei, müsse er von vornherein als öffentliches Gut verstanden werden. Es sei wichtig, dass der Impfstoff "am Ende nicht nur einem Land und nicht nur der entwickelten Welt zur Verfügung steht", betonte der Bundespräsident.

Erfahrungen aus der Krise in die Zukunft tragen 

Steinmeier erklärte, dass der Hinweis von Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble, dass der Schutz des Lebens nicht absolut sei, "richtig wie selbstverständlich" sei. "Kraft Grundgesetz muss die Politik neben dem Lebensschutz auch andere Grundrechte beachten und zur Geltung bringen", so der Bundespräsident. Das verlange den Regierenden und dem Gesetzgeber schwierige Abwägungen ab. Kritik sei zudem "nicht reserviert für coronafreie Zeiten".

Steinmeier hofft auf nachhaltige Lehren aus der Corona-Zeit. "Mir ist wichtig, dass wir die Erfahrungen aus der Krise in die Zukunft tragen. Dass wir eine Gesellschaft bleiben, die aufeinander achtgibt", sagte Steinmeier. Ganz konkret zähle dazu, dass die Leistungen derer besser anerkannt würden, "die bislang zu stark im Schatten standen: Zum Beispiel die Pflegekräfte, die Kassiererinnen und Busfahrer, die wir gerade ganz neu als 'systemrelevant' erleben".


Quelle:
epd