NRW-Landtagsandacht durch Corona nur per Videokonferenz

"Die Anliegen und Aufgaben vor Gott tragen"

Viele Gottesdienste werden derzeit gestreamt – nun auch die Landtagsandacht. Der Leiter des katholischen Büros NRW, Pfarrer Antonius Hamers berichtet im Interview, wieso der spirituelle Rückhalt gerade in der aktuellen Lage wichtig ist.

Andacht per Videokonferenz / © UVgreen (shutterstock)

DOMRADIO.DE: In Düsseldorf im Landtag ringen die Abgeordneten um eine Epidemiegesetz. Das sind sehr schwierige Entscheidungen, die da anstehen. Wie haben Sie die Stimmung unter den Abgeordneten wahrgenommen?

Pfarrer Antonius Hamers (Leiter des Katholischen Büros NRW): Ich bin heute Morgen im Landtag gewesen, und es war schon etwas gespenstisch, weil normalerweise an den Plenartagen der Landtag wirklich voll ist. Da sind dann viele unterschiedliche Menschen: Die Abgeordneten, die Regierung, Mitarbeiter aus den Ministerien, die Presse ist da – viele Leute, die natürlich auch auf diese Weise ihre Interessen mit einbringen wollen.

Ich selbst bin auch immer an den Plenartagen besonders gerne da im Landtag, weil man viele Leute trifft, und das war heute alles nicht so. Der Landtag hat also in einer reduzierten Anzahl von Mitgliedern getagt. Es waren aus allen Fraktionen lange nicht alle da, sondern jeweils nur ein Drittel, um den Abstand einhalten zu können. Es wird auch nur heute getagt und das große Thema war das Epidemiegesetz, über das die Abgeordneten debattiert haben, nachdem der Ministerpräsident es zunächst vorgestellt hat.

DOMRADIO.DE: Sie feiern auch normalerweise immer ökumenische Gottesdienste. Das geht jetzt gerade nicht. Und da haben Sie sich entschieden, ein digitales Angebot zu machen. Warum machen Sie das?

Hamers: Es ist so, dass wir ganz bewusst – das evangelische Büro und das katholische Büro in ökumenischer Verbundenheit – im Raum der Stille im Landtag jedes Mal in der Plenarwoche einen Gottesdienst feiern. Zu diesem Gottesdienst im sogenannten Raum der Stille kommen ungefähr 50 Leute. Das ist wirklich eine sehr schöne und sehr gute Atmosphäre. Wir frühstücken erst mit den Abgeordneten, und anschließend feiern wir einen Gottesdienst – so eine gute halbe Stunde.

In dieser Plenarwoche ist es aber so, dass der Landtag nur heute zusammenkommt und das Plenum auf diese Weise verkürzt ist. Wir haben uns dann überlegt, dass es schön wäre, die Landtagsandacht, ähnlich wie viele andere Gottesdienste momentan auch, zu streamen. Erfreulicherweise stellt uns der Landtag da seine ganze Infrastruktur zur Verfügung, und wir haben die Abgeordneten angeschrieben, sodass sie sich morgen an ihren Rechnern zuhause zuschalten können. So können wir dann auf diese Weise mit ihnen gemeinsam Gottesdienst feiern.

DOMRADIO.DE: Sie übertragen diesen Gottesdienst, diese Andacht aus dem Raum der Stille des Landtags in Nordrhein-Westfalen. Wie sieht der aus? Wie müssen wir uns den vorstellen?

Hamers: Der Raum der Stille liegt im Erdgeschoss des Landtages, direkt an der Bürgerhalle. Den gibt es seit 2012. Der Raum wurde von dem Künstler Gotthard Graubner gestaltet. Der eine oder andere kennt vielleicht Kunstwerke von Graubner - das sind so große Kissen. Unter anderem im Schloss Bellevue, also im Amtssitz des Bundespräsidenten, sieht man immer ein großes Kissen, wenn daraus berichtet wird.

Wir haben hier im Raum der Stille zwei Kissen von Graubner. Die erzeugen in diesem Raum eine gewisse Geborgenheit, sodass der Raum der Stille wirklich ein besonderer Raum ist, in dem man zur Ruhe kommen kann und in dem man sich besinnen kann. Er steht allen Menschen offen, unabhängig von ihrer konfessionellen Gebundenheit. Aber eben auch natürlich Menschen mit einer konfessionellen Gebundenheit, sodass wir in diesem Raum der Stille dann auch unsere gemeinsamen Gottesdienste feiern.

DOMRADIO.DE: Das machen Sie morgen auch – Sie und Ihr evangelischer Kollege. Bloß die Abgeordneten werden nicht persönlich dabei sein, sondern die sind mit Ihnen dann über die Computer verbunden. Werden Sie da jetzt irgendwas anders machen, weil die Abgeordneten nur digital zuschauen?

Hamers: Ja, zumindest wird der Gesang natürlich nicht so sein, wie er sonst ist, weil wir da nur zu dritt sind in dem Raum der Stille, also der Kirchenmusiker und wir beiden Geistlichen.

Insofern wird das natürlich schon einmal anders sein, denn normalerweise sind diese Gottesdienste immer durch ihren besonderen Gesang, durch die Gesangesfreude in besonderer Weise geprägt. Das geht dann leider morgen nicht. Ansonsten werden wir vom Ablauf her den Gottesdienst genauso feiern wie sonst auch. Schriftlesung, Auslegung der Schrift, verschiedene Lieder, Fürbittgebet, Vaterunser und Segen. So ist der normale Ablauf dieses Gottesdienstes. Das wird genauso sein wie sonst auch.

DOMRADIO.DE: Es sind ja wirklich schwere Zeiten gerade auch für Politiker im Moment. Sie müssen weitreichende, oft auch unpopuläre Entscheidungen treffen. Verstehen Sie die Andacht da auch als eine Art spirituellen Rückhalt?

Hamers: Genau darum geht es. Es ist wichtig, dass die Menschen, die wichtige Entscheidungen treffen, auch die Möglichkeit haben, sich zu besinnen. Sie sollen über die eigenen Grundlagen, über die eigenen Entscheidungen nachdenken können. Es geht auch darum, das ist jedenfalls unser christliches Verständnis, die Verantwortung vor Gott wahrzunehmen und damit auch die Anliegen und die Aufgaben vor Gott zu tragen.

Gerade heute, bei diesem Epidemiegesetz, ist im Landtag zum Ausdruck gekommen, wie sehr auch darum gerungen wird. Bei diesem Epidemiegesetz geht es ja darum, dass wir für ganz schlimme Fälle gerüstet werden oder sogar für den schlimmsten Fall gerüstet sind und dass die Regierung und das Land weiter handlungsfähig bleiben. Dabei gilt natürlich immer die Hoffnung, dass wir zu diesem Punkt gar nicht erst kommen werden, sondern dass diese besonderen Befugnisse gerade im Krankenhausbereich gar nicht erst gebraucht werden.

Das zeigt immer wieder natürlich auch den Politikerinnen und Politikern die Begrenztheit ihrer Möglichkeiten, dass im Grunde alles Handeln letztlich begrenzt ist. Auf diese Weise sind wir, jedenfalls nach christlichem Verständnis, immer auch dazu angehalten, unsere Grenzen anzuerkennen und letztlich auch Gott hinzuhalten, was uns bewegt und welche Entscheidungen wir zu treffen haben.

Das Interview führte Hilde Regeniter.


Antonius Hamers / © Nicole Cronauge (Katholisches Büro NRW)

Plenarsaal im Düsseldorfer Landtag / © Marius Becker (dpa)
Plenarsaal im Düsseldorfer Landtag / © Marius Becker ( dpa )
Quelle:
DR