Hanauer Pfarrer zur zentralen Trauerfeier

Zusammenhalten gegen die Angst

"Es war eine tiefe Feier, bei der die Opfer und Hinterbliebenen im Mittelpunkt standen", sagt der Hanauer Pfarrer Andreas Weber über die zentrale Trauerfeier am Mittwochabend. Jetzt gehe es darum, zusammenzustehen und zusammenzuhalten.

Menschen in Hanau versammeln sich, um die zentrale Trauerfeier auf Leinwand zu verfolgen / © Andreas Arnold (dpa)
Menschen in Hanau versammeln sich, um die zentrale Trauerfeier auf Leinwand zu verfolgen / © Andreas Arnold ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie haben gestern auch an der zentralen Trauerfeier in Hanau teilgenommen. Wie haben Sie sie erlebt?

Andreas Weber (Pfarrer der katholischen Pfarrgemeinde Sankt Elisabeth in Hanau): Es war eine tiefe Feier, die niemanden unberührt gelassen hat, auch mich nicht. Die Ansprachen, aber auch die Zeugnisse der Angehörigen, die zu Wort kamen, die über ihre Geschwister, ihre Freunde gesprochen haben, gingen wirklich tief. Und es war eine Feier, wo die Opfer und Hinterbliebenen im Mittelpunkt standen. Das war auch das Ansinnen des Oberbürgermeisters und des Runden Tischs der Religionen. Das ist auch wirklich gelungen.

Die Politiker haben sich unter die Hinterbliebenen gemischt. In der ersten Reihe saßen neben jedem dieser hochkarätigen Politiker immer zwei Angehörige der Opfer. Sie sind gemeinsam in den Raum gekommen, haben den Raum gemeinsam wieder verlassen und sind dann auch noch unter Ausschluss der Öffentlichkeit zusammen geblieben. Das war eine sehr gute Botschaft.

DOMRADIO.DE: Hanau wird vermutlich noch lange mit den Erinnerungen an den Anschlag zu kämpfen haben. Ihre Gemeinde befindet sich auch in der Nähe der Tatorte. Mit was für einem Gefühl gehen Sie aktuell durch die Straßen?

Weber: Das ist schon ein Gefühl der Beklemmung, auch mit der Frage: Wie kann so etwas geschehen? Wir sind ja eine Stadt, die seit Jahrzehnten einen hohen Anteil an Migranten hat, und wir waren auch der Meinung, dass da viel an Integration gelungen ist und auch gelungen bleibt.

Unsere katholischen Jugendlichen wachsen unter den Jugendlichen mit anderen Herkünften auf. Und auch in der Gemeinde leben viele Menschen mit Migrationshintergrund. Die katholische Kirche ist eine Kirche, die viele Muttersprachen hat, gerade hier in Hanau. Von daher trifft es uns besonders, weil wir dachten, dass das ein gelungenes Miteinander ist.

DOMRADIO.DE: Menschen sprechen sicherlich auch viel mit Ihnen über ihre Sorgen und Ängste, gerade jetzt nach dem Anschlag. Wie nehmen Sie die Stimmung in der Gemeinde wahr?

Weber: Da war zunächst einmal der Schock. Es war eine Schockstarre, so haben Menschen es mir berichtet. Einige Menschen wohnen auch in der Nachbarschaft des mutmaßlichen Täters und haben ihre Erfahrungen mit uns ausgetauscht. Aber was sich jetzt im Moment auch breit macht, ist die Angst.

Es kam gestern Abend auch in den Aussagen der Hinterbliebenen sehr deutlich zum Tragen, dass Menschen Angst haben, auf die Straße zu gehen. Sie haben Angst, dass etwas passiert. Ich persönlich empfinde das Gefühl für mich nicht. Ich fühle mich weiterhin sicher in unserer Stadt, in der wir gern leben und wo auch unsere Gläubigen sich aufgehoben fühlen. Aber es macht sich Angst breit.

DOMRADIO.DE: Wie erleben Sie denn den Zusammenhalt in der Stadt nach so einer rassistisch motivierten Tat? Hat sich da etwas verändert?

Weber: Meinem Eindruck nach war der Zusammenhalt auch vorher da und ist jetzt stärker geworden. Das muss ich wirklich sagen. Wir haben einen Runden Tisch der Religionen, den wir im Jahr 2013 auf Initiative der Stadt Hanau gegründet haben. Dort hatten wir auch eine Sitzung vor der Trauerfeier. Also, der Zusammenhalt ist stark gewachsen, auch durch verschiedene Mahnwachen, durch Gebetsstunden, die wir gemeinsam gestaltet haben.

DOMRADIO.DE: Die Botschaft bei der Trauerfeier war ja: Die Opfer waren keine Fremden. Wie geht man ökumenisch und interreligiös mit dem Thema Rechtsextremismus um?

Weber: Das Thema wird jetzt noch einmal mehr zur Sprache kommen. Rechtsextremismus darf in unserer Stadt und in unserer Gemeinde keinen Platz haben. Es muss jetzt noch einmal einen gemeinsamen Aufbruch geben - ein Zusammenhalten, um gegen diese Tendenzen noch einmal ganz stark vorgehen. Das geschieht sowohl in ökumenischer als auch in interreligiöser Sicht. Wir haben einen Arbeitskreis der christlichen Kirchen und wir haben auch den Runden Tisch der Religionen, wo alle Religionen vertreten sind, auch die muslimischen Vereine und andere größere Weltreligionen. Das alles wird dort weiterhin Thema sein. 

Das Interview führte Tobias Fricke.


Quelle:
DR