VdK-Präsidentin über "Faire-Kassenwettbewerb-Gesetz"

"Für Menschen mit viel Unterstützungsbedarf bringt es nichts"

An diesem Donnerstag stimmt der Bundestag über das Gesetz zum Fairen-Kassenwettbewerb ab. Für chronisch kranke Patienten oder solche mit Behinderungen bringt es keine Verbesserungen, sagt die Präsidentin des Sozialverbandes VdK.

Rollstuhlfahrer an einem Bahnsteig  (dpa)
Rollstuhlfahrer an einem Bahnsteig / ( dpa )

Katholische Nachrichtenagentur (KNA): Ein Versicherter, der wegen einer Behinderung auf einen Rollstuhl angewiesen ist, wechselt die gesetzliche Krankenkasse. Weil sich die neue Krankenkasse mit der alten Krankenkasse nicht über die Höhe des Preises für den Rollstuhl einigen kann, meldet sich die alte Kasse bei dem Versicherten. Inhalt des kurzen Telefongesprächs: Sie möchte am nächsten Tag "ihren" Rollstuhl abholen. Ist der Fall, der mir geschildert wurde, ein Einzelfall?

Verena Bentele (Präsidentin des Sozialverbandes VdK): Ich fürchte nein. Nach meiner Einschätzung rechnen viele Kassen leider auch damit, dass Betroffene sehr viel mit sich machen lassen. Sie sind über Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten als neue Mitglieder nicht sehr erfreut. Sie wissen, dass zum Teil hohe Kosten auf sie zukommen. Wenn sich die Kassen dann nicht über die Höhe der Summen für die Hilfsmittel einigen können, haben die Versicherten das Nachsehen. Und bei privaten Krankenkassen gibt es von vorne herein Ausschlusskriterien.

KNA: Wird das Gesetz zum fairen Kassenwettbewerb, über das der Bundestag abstimmt, daran etwas ändern?

Bentele: Für Menschen, die viel Unterstützung brauchen, bringt es nichts. Menschen mit Behinderungen oder chronischen Krankheiten müssen sich im Klaren sein, dass bei einem Wechsel nach wie vor Versorgungslücken entstehen können, dass sie Tage oder Wochen warten müssen, bis sie neue Hilfsmittel erhalten. Es kann auch passieren, dass sie etwa in der Pflegestufe zurückgestuft werden und auf einmal weniger Unterstützung erhalten. Sie sollten sich also vor einem Wechsel gut informieren und sich am besten durch einen entsprechenden Verband wie den VdK vertreten lassen.

KNA: Ein weiteres Problem ist, dass der Ermessensspielraum der Krankenkassen offensichtlich recht groß ist und die eine Krankenkasse etwa Hilfsmittel wie ein Handbike für Rollstuhlfahrer nicht finanziert und eine andere schon.

Bentele: Auch das wird sich mit dem neuen Gesetz nicht ändern, fürchte ich. Die Ermessensspielräume bleiben. Dabei kann etwa ein Handbike für Rollstuhlfahrer nicht nur ein gutes Fortbewegungsmittel sein, sondern es dient auch der Fitness.

KNA: Wie könnte es besser laufen?

Bentele: Die Kassen müssen besser zusammenarbeiten, sie sollten sich besser untereinander verständigen, damit es einen nahtlosen Übergang gibt. Der Versicherte, der auf Hilfsmittel angewiesen ist, darf nicht der Leidtragende sein. Noch besser wäre es, wenn der Gesetzgeber sich durchringen könnte, eine Bürgerversicherung einzuführen, in die alle solidarisch einzahlen und die alle solidarisch unterstützt. Nur für Extras wie eine Schönheitsoperation müssten Versicherte dann selbst in die Tasche greifen.

Das Interview führte Birgit Wilke.


Verena Bentele / © Kay Nietfeld (dpa)
Verena Bentele / © Kay Nietfeld ( dpa )
Quelle:
KNA