Gründung des Ministeriums für Staatssicherheit vor 70 Jahren

Im Kampf gegen "Agenten, Saboteure und Diversanten"

Unlängst besuchte der Bundespräsident die Stasi-Unterlagen-Behörde - 30 Jahre, nachdem DDR-Bürger die damalige Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit besetzt hatten. Vor 70 Jahren wurde das MfS gegründet.

Autor/in:
Joachim Heinz
Schild mit der Aufschrift "Größtes Puzzle der Welt" vor einem Raum, in dem Stasi-Unterlagen liegen / © Elisabeth Schomaker (KNA)
Schild mit der Aufschrift "Größtes Puzzle der Welt" vor einem Raum, in dem Stasi-Unterlagen liegen / © Elisabeth Schomaker ( KNA )

Die Stasi-Zentrale in Berlin-Lichtenberg lässt manchem Besucher heute noch Schauer über den Rücken laufen. Zu DDR-Zeiten flossen in dem einschüchternden Komplex mit zuletzt 52 Einzelgebäuden die Informationen von Offizieren und Spitzeln, Spionen und Agenten über die Bevölkerung im Osten Deutschlands und den Klassenfeind im Westen zusammen.

Wo früher Erich Mielke mit der Parole "Wir müssen alles erfahren!" die totale Überwachung vorantrieb, wacht heute die Stasi-Unterlagenbehörde über insgesamt 111 Kilometer Akten, verteilt auf 13 Standorte.

Formell gegründet wurde die Stasi vor 70 Jahren, am 8. Februar 1950. Am späten Abend, so schildert es der Jenaer Historiker Jens Gieseke, trat Innenminister Karl Steinhoff vor die Provisorische Volkskammer.

Agenten, Saboteure und Diversanten bekämpfen

Er schlug vor, die in seinem Ressort angesiedelte Hauptverwaltung zum Schutz der Volkswirtschaft in ein Ministerium für Staatssicherheit, kurz MfS, umzuwandeln. Die Abgeordneten verzichteten auf jegliche Aussprachen. Per Akklamation trafen sie damit "eine der folgenreichsten Entscheidungen in der Geschichte der DDR", so Gieseke.

Ins Leben gerufen, um "Agenten, Saboteure und Diversanten" zu bekämpfen, die im Auftrag von "englisch-amerikanischen Imperialisten" die kommunistische Ordnung bedrohten, verselbstständigte sich das Ministerium schon bald. Anfangs standen Verfolgung und Verhaftung angeblicher Staatsfeinde, darunter auch Kirchenmitglieder und -mitarbeiter im Mittelpunkt. Ab den 1960er-Jahren überzog die Stasi die ganze DDR mit einem Netz aus Dienststellen und Büros, offiziellen und Inoffiziellen Mitarbeitern, den sogenannten IMs. Sie sollten die eigene Bevölkerung überwachen und kontrollieren - Misstrauen und Paranoia als Prinzip staatlichen Handelns.

Der "VEB Horch und Guck" ließ Mitbürger durch Angehörige und Freunde bespitzeln, hörte Telefongespräche ab, verwanzte Wohnungen, zerstörte mit gefälschten Briefen Beziehungen. Was das mit der Gesellschaft machte, schilderte der Altbischof von Dresden-Meißen, Joachim Reinelt, unlängst in einem Interview auf der Plattform katholisch.de.

"Es gab in der DDR Menschen, die die Macht hatten, anderen Menschen Angst zu machen - das ist das Wesen einer Diktatur, und das ist schrecklich", so Reinelt. Die "permanente Bedrohung durch die Stasi" habe die Bürger "vorsichtig und misstrauisch" werden lassen.

Am ganz großen Rad drehte unterdessen die Hauptverwaltung Aufklärung. Der lange Jahre von Markus Wolf geleiteten Auslandsspionage gelang es, in Bonn Günther Guillaume im Umfeld des damaligen Bundeskanzlers Willy Brandt zu platzieren; wenig später gab der SPD-Politiker das Amt auf.

Auch vor Morden schreckte die Stasi nicht zurück. In diesem Zusammenhang fällt immer wieder der Name von Lutz Eigendorf. Der Fußballer setzte sich im Frühjahr 1979 nach einem Gastspiel seines Clubs BFC Dynamo beim 1. FC Kaiserslautern von seiner Mannschaft ab.

Eigendorf, der sich im ARD-Magazin Kontraste kritisch über den DDR-Fußball äußerte, starb 1983 an den Folgen eines Verkehrsunfalls. Die Stasi hatte den sechsmaligen DDR-Nationalspieler die ganze Zeit auf dem Radar - unter dem Operativen Vorgang "Verräter". Ob Mitarbeiter des MfS ihre Finger auch bei dem Unfall im Spiel hatten, konnte bislang nicht geklärt werden.

Geschichten und Gerüchte

Es sind solche Geschichten und Gerüchte, die vor allem bei vielen Westdeutschen das Bild der Stasi prägten und immer noch prägen. Der Alltag der Behörde mit ihren Zehntausenden Mitarbeitern präsentierte sich indes oft grau und bieder. Die Bürokraten legten Übersichten an "über Erscheinungsformen negativ-dekadenter Jugendlicher in der DDR" wie "New Romantik's" und "Popper". Penibel verzeichneten sie, dass man "Tramper" an "Jesus-Latschen" erkenne und fügten hinter dem Begriff "Heavy-Metal-Musik" in Klammern hinzu "extrem harter Rock".

Erich Mielke, von 1957 bis 1989 Minister für Staatssicherheit, klagte noch 1992 als Häftling in Berlin-Moabit: "Was glauben Sie, mit welchen Nebensächlichkeiten wir uns befassen mussten?" Regnete es durch ein Krankenhausdach, "dann hat man uns bemüht". Die Stasi sei "Mädchen für alles" gewesen, "so wie wir jetzt für alles die Prügelknaben sind".

Nach dem Urteil von Historiker Gieseke war die Stasi "sicher kein Laienspielverein". Er warnt aber auch davor, das Leben in der DDR mit der Stasi gleichzusetzen. Bei der friedlichen Wende von 1989/90 zeigte sich, was die meisten Menschen von Mielkes Mannen hielten.

"Stasi raus - es ist aus!", skandierten sie. Mit einem Kartenspiel gleichen Namens informiert die Stasi-Unterlagenbehörde seit kurzem über das Ende des Ministeriums.


Roland Jahn / © Markus Nowak (KNA)
Roland Jahn / © Markus Nowak ( KNA )
Quelle:
KNA