Warum Trumps Nahost-Plan kein Friedensplan ist

Keine gemeinsamen völkerrechtlichen Werte

Was taugt der Nahost-Friedensplan von US-Präsident Trump? Der Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und Nahost-Experte Marc Frings meint: Der Plan führt in Richtung Apartheid.

Einig: US-Präsident Trump und Israels Premier Netanjahu (dpa)
Einig: US-Präsident Trump und Israels Premier Netanjahu / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Verdient das, was Trump und die US-Regierung da ausgearbeitet haben, überhaupt den Namen "Friedensplan"?

Marc Frings (Generalsekretär des Zentralkomitees der deutschen Katholiken und ehemaliger Leiter des Auslandsbüros der Konrad-Adenauer-Stiftung in Ramallah): Nein, wir sind weit davon entfernt, dass das ein tatsächlicher Friedensplan ist. Die Fernsehbilder sprachen für sich. Eingebunden waren nur der Oppositionsführer Benny Ganz und der amtierende Premierminister Netanjahu. Die beiden stehen sich jetzt im Wahlkampf gegenüber. Tatsächlich gibt es keine direkte Kommunikation zwischen der palästinensischen Führung und Washington. Deswegen kann man natürlich auch nicht von einem Dialog auf Augenhöhe sprechen.

DOMRADIO.DE: Widerspricht der Plan dem Völkerrecht?

Frings: Wir haben politische Rahmenbedingungen, die seit ungefähr 50 Jahren vorgeben, in welche Richtung eigentlich verhandelt werden sollte. Es gibt zudem das Völkerrecht, und das ist für die Europäische Union maßgebend, um hier eine gleichberechtigte Lösung zu finden. Wir haben aber eine Situation, in der das Völkerrecht im Grunde ausgeschlossen wird. Wir sehen das konkret in dem Plan am Beispiel der Flüchtlinge, wo das Völkerrecht nicht mehr berücksichtigt wird. Wir sehen das bei den Themen Selbstbestimmungsrecht und staatliche Souveränität. Das bleibt alles in dem Plan sehr vage und wirkliche völkerrechtliche Aspekte fehlen komplett. Auf den 181 Seiten fällt der Begriff Völkerrecht nicht einmal.

DOMRADIO.DE: Die Palästinenser lehnen den Plan ab. War das zu erwarten?

Frings: Der Plan ist kein Angebot, das die Grundlage für Verhandlungen bietet. Es gibt an einer Stelle den Satz: Wir reden mit den Palästinensern, wenn sie den Plan so annehmen. Die Palästinenser müssten also erst einmal unterschreiben, bevor man ins Gespräch kommt. Die Amerikaner haben über viele Jahrzehnte eine singuläre und herausgehobene Rolle als Vermittler gespielt. Sie waren die einzigen, die hier vermitteln konnten. Diese Rolle ist nun abgelaufen. Jetzt sind insbesondere die Europäer gefordert, sich zu positionieren. Denn das, was gestern vorgetragen wurde und was nun zur offiziellen Politik werden könnte – sowohl in Washington auch über die Zeit von Trump hinaus und in Israel – das ist weit von dem entfernt, was die Europäer wollen. Das geht ganz klar in die Richtung von dem, was andere Apartheid nennen würden. Die Frage ist jetzt, ob Europa bereit ist, das ursprüngliche Konzept der Zwei-Staaten-Lösung zu retten. Denn ansonsten war gestern der endgültige Tag, an dem dieses Konzept vom Tisch gewischt wurde.

DOMRADIO.DE: Wo liegt denn das eigentliche Problem?

Frings: Es hakt nicht an dem Konzept, das verhandelt werden muss, sondern an den Parametern. Wir haben eine Situation, in der seit 50 Jahren vor allem auf die arabische Seite Druck ausgeübt wird. Das war auch schon bei den Verhandlungen mit Syrien so, mit Jordanien, mit Ägypten, aber eben vor allem auch mit den Palästinensern. Es geht darum, dass Druck auf beide Seiten ausgeübt werden muss. Es braucht eine politische Erneuerung auf beiden Seiten. Auch wenn Israel eine Demokratie ist, haben wir es mit einer massiven Elitenkontinuität und einer ideologischen Kontinuität zu tun, die sich komplett von einem Konzept zur Verständigung mit den Palästinensern verabschiedet hat. Und wir haben es mit einer desolaten politischen Lage in Palästina zu tun, wo der Präsident keinen Rückhalt mehr genießt. Gleichzeitig gibt es die Fraktur zwischen Gaza unter der Hamas und dem Westjordanland unter der Fatah. Diese beiden Seiten kommen nicht mehr zusammen. Grundsätzlich gibt es kein Vertrauen in der palästinensischen Gesellschaft für die aktuelle Führung, um überhaupt wieder verhandeln zu können.

DOMRADIO.DE: Was glauben Sie, wie es weitergehen kann?

Frings: Wir müssen uns an eine Situation gewöhnen, in der sich bestimmte Parameter verschoben haben. Ich habe in Washington Gespräche mit den Nahost-Beratern potenzieller Präsidentschaftskandidaten geführt, die sehr deutlich gemacht haben, dass nicht alles zurückgeholt werden kann, was Trump jetzt festsetzt.

Wir haben also jetzt zwei Möglichkeiten: Entweder die Europäer verständigen sich, dass sie bereit sind, hier Verantwortung zu tragen. Das wäre die beste aller Welten. Das ist leider sehr unwahrscheinlich. Ansonsten sollten nun politische Debatten darüber stattfinden, wie man mit einem Akteur Israel umgeht, mit dem wir zwar enge politische, kulturelle, wirtschaftliche Beziehungen führen, mit dem wir aber im Grunde genommen völkerrechtlich keine Werte mehr teilen.

Das Interview führte Dagmar Peters.


Marc Frings / © Harald Oppitz (KNA)
Marc Frings / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
DR