Moslem zieht geplante Bürgermeisterkandidatur für CSU zurück

"Die Bevölkerung ist noch nicht so weit"

Er wollte sich im bayerisch-schwäbischen Landkreis Donau-Ries als Bürgermeisterkandidat für die CSU aufstellen lassen. Doch dann kam für Sener Sahin alles ganz anders. Der bekennende Moslem stand auf einmal voll im Gegenwind.

Logo der CSU / © Lino Mirgeler (dpa)
Logo der CSU / © Lino Mirgeler ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie sind Moslem und haben sich als CSU-Kandidat für das Bürgermeisteramt in Wallerstein im Landkreis Donau-Ries beworben. Aber es kamen einige Ihrer Parteifreunde auf Sie zu und meinten, Sie sollten sich das doch noch einmal überlegen. Daraufhin haben Sie die Kandidatur zurückgezogen. Kann man es so zusammenfassen?

Sener Sahin: Irgendwann einmal ist der Ortsvorsitzende zu mir gekommen und hat gefragt, ob ich Interesse hätte, mich auf die Gemeinderatskandidatenliste setzen zu lassen oder noch besser gleich für das Bürgermeisteramt zu kandidieren. Ich habe gesagt, dass das Amt des Ersten Bürgermeisters schon interessant wäre und ich es mir auch zutrauen würde. Mutig genug dafür bin ich. 

DOMRADIO.DE: Bedenken hatten Sie keine?

Sahin: Doch. Ich habe auch Bedenken geäußert, da ich einen Migrationshintergrund habe und auch Moslem bin. Ich habe den Ortsvorsitzenden gefragt, ob er der Meinung sei, dass dies hier im Lande gut ankomme. Seine Reaktion darauf werde ich nicht so schnell vergessen. Er sagte: "In was für einem Jahrzehnt leben wir denn? Jetzt gibt es so etwas nicht mehr."

Ich war aber der Ansicht, dass er besser vorab erst einmal mit seinen Vorstandskollegen reden und sich deren Meinung abholen sollte. Bevor ich meine Zustimmung gebe, wollte ich hören, was die anderen Parteikollegen dazu sagen. Die Vorstandsmitglieder haben sich darüber besprochen, waren anscheinend begeistert und haben das positiv aufgenommen. Schließlich sei ich auch gut integriert.

DOMRADIO.DE: So positiv ging es dann aber nicht weiter, oder?

Sahin: Die Pläne sind öffentlich geworden und dann ging es los. Anscheinend haben viele beim Ortsverband und sogar in Berlin beim zuständigen Bundestagsabgeordneten mit dem immer gleichen Thema angerufen: "Wie kann die Christlich Soziale Union, die CSU, einen Bürgermeister, der Moslem ist, aufstellen?" Das "C" passe nicht zu diesen Plänen. Unser Ortsvorsitzender reagierte darauf recht sauer. Man wolle schließlich keinen Pfarrer, sondern einen Bürgermeister aufstellen, betonte er.

DOMRADIO.DE: Können Sie die Kritik nachvollziehen?

Sahin: Ich akzeptiere die Meinungen und Denkweisen dieser Leute. Die denken so. Es sind Menschen, die auf dem Land aufgewachsen sind. Das kann man mit der Großstadt überhaupt nicht vergleichen. Für mich war das dann in Ordnung.

Ich schäme mich fast, dass diese ganze Geschichte gerade so hochgekocht wird. Ich finde, dass es auf der Welt viel schlimmeres gibt, über das man dringend reden müsste – wie Kriege, Hunger und Klima. Aber für viele ist anscheinend dieses Thema auch ganz, ganz wichtig.

DOMRADIO.DE: Ist für Sie ist der muslimische Glauben mit den Werten der Christlich Sozialen Union vereinbar?

Sahin: Im Parteibuch der CSU steht ausführlich drin, dass der Glaube in dem Fall keine Rolle spielt. Egal, was man glaubt, man muss die Werte teilen und demokratisch sein. Es kann bei der CSU ein Hindu, ein Buddhist, ein Jude oder ein Atheist kandidieren. Aber anscheinend sehen das nicht alle so.

Ich kann denjenigen, die meinen, dass ein Moslem und die CSU nicht zusammenpassen, entgegenen, dass ich als Moslem in den letzten zehn Jahren wahrscheinlich häufiger in der Kirche war als die Leute, die sich nun so aufgeregt haben. Ich bin da ein offener Mensch, ich habe keine Berührungsängste mit einer anderen Religion. Man sollte sich gegenseitig respektieren. Die Zehn Gebote gibt es in allen großen Religionen. Ich wollte ja auch nur Bürgermeister werden und kein Pfarrer.

DOMRADIO.DE: Unterstützung bekommen Sie jetzt vom CSU-Bezirksvorsitzenden und Europaabgeordneten Markus Ferber. Der hat gesagt, die CSU sei keine Partei von Katholiken und Protestanten, sondern eine werteorientierte Partei. Und ein Moslem könne genauso die Werte teilen wie ein Christ. Bedeutet das für Sie, dass Sie sich nun doch aufstellen lassen – egal, was für ein Widerstand von der einen oder anderen Seite kommt?

Sahin: Nein. Warum soll ich jetzt kandidieren, wo ich weiß, dass die Bevölkerung noch nicht so weit ist, einen muslimischen Bürgermeister zu akzeptieren?

DOMRADIO.DE: Das heißt, Sie warten noch ein bisschen?

Sahin: Ich sage einmal ganz ehrlich wie es ist: "Es dauert hier noch 20, 30 Jahre, wenn nicht noch länger, bis ein Moslem einmal Bürgermeister wird." Hier in der Gesellschaft leben Menschen, wie beispielsweise Ostdeutsche, die seit 30, 40 Jahren da sind, Häuser gebaut haben und arbeiten gehen. Sogar die werden nicht akzeptiert. Das ist nicht nur hier vor Ort so, sondern in ganz Deutschland. Ich kann das nicht verstehen. Das sind Deutsche, die hier arbeiten, in diesem Land geboren und aufgewachsen sind. Man muss diese Denkweise unbedingt abschaffen.


Sener Sahin / © privat (dpa)
Sener Sahin / © privat ( dpa )
Quelle:
DR