Kein Ende der Proteste in Hongkong in Sicht

Hartes Vorgehen der Polizei sorgt für Entsetzen

Die Lage in der Sonderwirtschaftszone eskaliert immer weiter. Noch hält sich die Pekinger Führung zurück. Aber die Hoffnungen auf einen Dialog zwischen der Hongkonger Regierung und der Protestbewegung schwinden.

Autor/in:
Stefanie Ball
Proteste in Hongkong / © Kim Hong-Ji (Reuters)
Proteste in Hongkong / © Kim Hong-Ji ( Reuters )

"Bevor Sie festgenommen werden, sollten Sie ein Foto von sich machen", rät Rechtswissenschaftler Eric Cheung jungen Demonstranten. Um festzuhalten, dass man unverletzt ist und später ein Beweismittel in der Hand zu haben, falls es zu Misshandlungen durch die Polizei kommt. Denn die Gewalt in Hongkong eskaliert immer weiter.

Zentraler Schauplatz ist seit dem Wochenende die Polytechnische Universität auf der Halbinsel Kowloon. Nach heftigen Zusammenstößen zwischen Polizei und Demonstranten haben sich auf dem Campus noch immer rund 100 junge Leute verbarrikadiert, die Polizei hat das Gelände umstellt.

Derweil treffen sich auf der anderen Seite des Hongkonger Hafens, auf Hongkong Island, wo auch internationale Unternehmen ihren Sitz haben, die Büro-Angestellten zur Mittags-Demonstration. Schon seit Tagen.

Leidtragende sind lokale Unternehmen

Die Proteste in Hongkong, die im Juni begannen und sich gegen eine Unterhöhlung der Freiheiten in der Sonderverwaltungszone durch die chinesische Zentralregierung wenden, seien noch immer von einer breiten Masse der Bevölkerung getragen. Das beteuert ein Insider, der seinen Namen nicht nennen möchte. Trotz Gewaltexzessen auch aufseiten der Demonstranten, trotz der Einschränkungen im Alltag, die immer spürbarer werden.

Leere Straßen, leere Restaurants, die U-Bahn stellt ihren Betrieb ab 22 Uhr ein, manchmal auch schon früher, die Regale in manchen Supermärkten sind leergefegt, die Schulen haben geschlossen, Firmen bieten ihren Mitarbeitern an, von zu Hause aus zu arbeiten. Die Leidtragenden sind die lokalen Unternehmen. "Für die hiesige Wirtschaft ist das Ganze ein Desaster", sagt Wolfgang Niedermark, Chef der Deutschen Auslandshandelskammer in Hongkong. Vor allem die Touristen und Geschäftsleute von Festland-China bleiben aus; normalerweise sind es pro Jahr 50 Millionen, inzwischen sind die Zahlen um die Hälfte eingebrochen.

Ende der Konfrontationen nicht in Sicht

Ein Ende der Konfrontationen ist nicht in Sicht. "Es fehlt eine Plattform, wie etwa ein wirklich demokratisch gewähltes Parlament, in dem der Konflikt mit friedlichen Mitteln ausgetragen werden könnte", sagt Armin Reinartz, der das Büro der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung in Hongkong leitet. Für viele Hongkonger ist die eigene Regierung reiner Befehlsempfänger der kommunistischen Partei in Peking. Die Hoffnung, dass es zu einem Dialog mit den Demonstranten kommt, ist vorbei. Vor allem das harte Vorgehen der Polizei entsetzt viele. Die Polizei scheint völlig von der Leine gelassen. Regularien scheinen nicht mehr viel Wert.

Formal gehört Hongkong, das bis 1997 britische Kolonie war, zu China. Bei der Übergabe wurden aber für weitere 50 Jahre Sonderrechte vereinbart, die der Millionenmetropole weitgehende Freiheitsrechte und Autonomie einräumen. Immer häufiger in den vergangenen Jahren hat sich die Pekinger Regierung aber darüber hinweggesetzt. Jüngster

Vorfall: Am Montag erklärte ein Gericht in Hongkong das von der Regierung im Rahmen der Proteste verhängte Vermummungsverbot zunächst für verfassungswidrig. Doch nur wenige Stunden später ließ Peking wissen, der chinesische Volkskongress sei die einzige Institution, die über die Verfassung Hongkongs entscheiden könne.

Wie reagiert Peking?

Dass demnächst chinesisches Militär in Hongkong aufmarschiert, um die Proteste niederzuschlagen, scheint gleichwohl unwahrscheinlich. "China wird stillhalten, solange Hongkong noch alles unter Kontrolle hat", sagt der China-Kenner, der anonym bleiben will. Das Genfer Menschenrechtsbüro der Vereinten Nationen appellierte unterdessen an die Demonstranten, auf Gewalt zu verzichten. Die Hongkonger Regierung rief es zugleich zur Deeskalation auf. Dafür müsse sie alle Gruppen an einen Tisch bringen.

Doch die nächste Eskalationsstufe steht schon bevor: Am Wochenende soll eigentlich in den Hongkonger Distrikten gewählt werden, und das Pro-Peking-Lager sieht sich einer deutlichen Niederlage gegenüber.

Nun argumentiert die Regierung, wegen der anhaltenden Unruhen die Wahlen womöglich verschieben zu wollen. "Angesichts der derzeitigen Stimmungslage", warnt der Präsident der Europäischen Handelskammer in China, Jörg Wuttke, "wird jeder Aufschub die Situation noch weiter verschärfen."

 

Quelle:
KNA