Der 9. November ist der deutscheste aller Tage des Jahres

Sternstunden und Tiefstpunkte

Novemberrevolution, Hitlerputsch, Novemberpogrome und Mauerfall: Der 9. November wird als Schicksalstag der Deutschen bezeichnet. Es gibt vieles, was man daraus für die Gegenwart lernen kann.

Autor/in:
Christoph Arens
Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht / © Sebastian Kahnert (dpa)
Erinnerung an die Opfer der Pogromnacht / © Sebastian Kahnert ( dpa )

Er ist der wohl deutscheste aller Tage des Jahres. Wenn die Deutschen am 9. November auf ihre Geschichte zurückblicken, schauen sie auf absolute Tiefpunkte, aber auch auf Sternstunden. Es gibt eine Konkurrenz der Gedenktage. Jedes Jahr stellt sich deshalb neu die Frage, welche Aspekte in den Vordergrund gerückt werden sollten.

Geglückte, friedliche Revolution

Der 9. November - ein Schicksalstag, an dem sich deutsche Geschichte verdichtet und in ihren Widersprüchen deutlich wird: In diesem Jahr richtet sich die weitaus größte Aufmerksamkeit auf den Mauerfall vor 30 Jahren. Endlich mal eine geglückte und friedliche Revolution - der glücklichste 9. November in der Geschichte der Deutschen. Weil die DDR-Bürger an diesem 9. November 1989 letztlich den Weg zur Wiedervereinigung frei machten, war dieser Gedenktag zeitweilig sogar als Nationalfeiertag des vereinigten Deutschland in der Diskussion.

Doch ein freudiger Gedenktag hätte daraus nie werden können. Denn am 9. November fiel nicht nur die Mauer. Der Tag markiert auch eine der dunkelsten Stunden der deutschen Geschichte, den Absturz eines kulturell vermeintlich hoch stehenden Landes in die Barbarei: Am Abend des 9. November 1938 vollzog sich in Deutschland der bis dahin größte Judenpogrom der Neuzeit in Mitteleuropa. Mehr als 1.300 Menschen starben; mehr als 1.400 Synagogen und Beträume im gesamten Deutschen Reich wurden verwüstet und etwa 7.500 Geschäfte geplündert. Mehr als 30.000 männliche Juden wurden in Konzentrationslager gebracht. Ein Zivilisationsbruch: Von den Novemberpogromen führte der Weg nach Auschwitz, Treblinka und Buchenwald.

Novemberrevolution: das Ende der Monarchie

Weil sich die auch als Reichskristallnacht bezeichneten Gewalthandlungen im vergangenen Jahr zum 80. Mal jährten, nahmen sie eine prominente Rolle in den Politikerreden, den Ausstellungen und den Gedenkartikeln von Zeitungen und Internetportalen ein. Doch überlagert wurde die Erinnerung von einem anderen Moment der deutschen Geschichte: der Novemberrevolution, dem Ende der Monarchie und der Ausrufung der Republik in Berlin am 9. November 1918, also 100 Jahre zuvor.

Dieser Tag, an dem der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann vom Berliner Reichstagsgebäude aus die Republik ausrief, gilt als die Geburtsstunde der parlamentarischen Demokratie in Deutschland. Dennoch habe er in der Erinnerungskultur der Deutschen nie den Platz gefunden, der ihm zustehe, sagte damals Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier, der den Deutschen ihre Demokratiegeschichte näher bringen möchte. Die Weimarer Republik werde fast nie von ihrem Anfang und von ihren Chancen her gedacht, sondern meist ausgehend von ihrem Ende im Jahr 1933 durch die Machtübernahme der Nationalsozialisten.

Geplanter Bombenanschlag auf Hitler

Doch mit diesen Meilensteinen der Geschichte ist der 9. November noch nicht ausreichend als Gedenktag beschrieben. Am 9. November 1923 brach der sogenannte Hitlerputsch gegen die demokratische Reichsregierung in München kläglich zusammen. Ebenfalls am Vorabend des 9. November, diesmal 1939, also vor genau 80 Jahren, scheiterte allerdings auch der geplante Bombenanschlag des Handwerkers Georg Elser auf Hitler. Er hätte womöglich den Zweiten Weltkrieg noch verhindern können. Bei der Einweihung eines Denkmals in Elsers Heimatstadt Hermaringen würdigte Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier den NS-Widerstandskämpfer vor wenigen Tagen als einen "Großen" der deutschen Geschichte, "an den die Erinnerung lange, viel zu lange klein gehalten worden ist".

Weithin verschwunden aus der Gedenkkultur ist der 9. November 1848. Die standrechtliche Hinrichtung des republikanischen Parlamentsabgeordneten der Frankfurter Nationalversammlung, Robert Blum, nach dem Oktoberaufstand in Wien bedeutete eine offene Kampfansage der Vertreter der Monarchie gegen das aus der bürgerlichen Märzrevolution hervorgegangene erste demokratisch gewählte gesamtdeutsche Parlament. Die Hinrichtung Blums markierte einen entscheidenden Wendepunkt: den Anfang vom Ende dieser Revolution.

 

Quelle:
KNA
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