Katholische Religionslehrer zu umstrittenem AfD-Pädagogen

Kein Schwarz-Weiß-Denken möglich

Er ist lokaler Abgeordneter der AfD und im Internet fällt er durch kritische Inhalte gegen Papst Franziskus auf: Ein Religionslehrer in Sachsen sorgt für Unruhe, doch das Bistum Dresden-Meißen hält an ihm fest. Wie ist der Fall einzuordnen?

Kinder auf dem Weg in die Schule / © Maja Hitij (dpa)
Kinder auf dem Weg in die Schule / © Maja Hitij ( dpa )

DOMRADIO.DE: Ein Religionslehrer ist nicht vergleichbar mit allen anderen Lehrern. Er braucht einerseits einen Auftrag seiner Schule, er braucht aber auch eine Entsendung seiner Religionsgemeinschaft - in diesem Fall vom Bistum Dresden-Meißen. Das nennt man die Missio canonica. Können Sie uns erklären, warum es so etwas überhaupt braucht?

Elmar Middendorf (Stellvertretender Vorsitzender Bundeverband der katholischen Religionslehrer und -lehrerinnen an Gymnasien e. V.): Der Religionslehrer steht in zwei Solidaritäten - mit dem Staat und mit der Kirche. Es gibt mehrere Gründe, warum es die Missio canonica braucht. Der Staat schafft für den Religionsunterricht die Rahmenbedingungen und bildet Lehrerinnen und Lehrer an Universitäten und Seminaren aus. Er stellt den organisatorischen Rahmen bereit.

Für die Inhalte sind dann die Glaubensgemeinschaften verantwortlich. Wenn der Staat katholischen Religionsunterricht anbietet, muss er sicher sein, dass es auch katholischer Religionsunterricht ist. Das sichert er nicht nur über den Lehrplan, den er mit den Kirchen abstimmen kann, sondern auch darüber, dass die Lehrperson von der Kirche entsandt ist - also eine Missio hat. Das ist ein wichtiger Grund.

Von der Lehrerseite kann ich nur sagen, dass die Missio eine wunderbare Sache ist, die den Lehrenden den Rücken stärkt. Sie können sich denken, man bekommt viel Kritik von allen Seiten - progressiv und konservativ. Wenn man dann sagen kann, ich bin von der Kirche entsandt, ich habe Teil am Sendungsauftrag der Kirche, dann gibt das eine ganz andere Grundlage und Stärkung des Unterrichts. Nicht zuletzt ist es auch für die Schülerinnen und Schüler und die Eltern wichtig zu wissen, derjenige, der unterrichtet, ist von der Kirche entsandt.

DOMRADIO.DE: Welche Kriterien entscheiden darüber, ob jemand die Missio canonica bekommt oder nicht?

Middendorf: Das entscheidet immer der Bischof. Da gibt es einige Kriterien. Wichtig ist ein abgeschlossenes Hochschulstudium. Und natürlich, dass derjenige oder diejenige nach den Grundsätzen der katholischen Kirche lebt. Wie will man das überprüfen? Das ist natürlich schwierig. In der Regel ist es so, dass zwei Personen als Zeugen befragt werden. Kandidaten müssen Personen benennen, die bezeugen können, dass sie am Leben der Kirche teilhaben.

Ich habe das selbst schon öfter für Schülerinnen und Schüler gemacht, die später Religionslehrer werden wollten. Aufgrund dessen kann der Bischof sich dann ein Bild machen und anhand dieser Kriterien entscheiden, die Missio zu erteilen.

DOMRADIO.DE: Ein Kriterium, das Sie jetzt nicht angesprochen haben, ist eine Parteizugehörigkeit zu haben oder nicht zu haben. Darum geht es jetzt in diesem Fall im Bistum Dresden-Meißen. Das Bistum spricht davon, dass es im konkreten Fall kein Ausschlusskriterium ist. Wie stehen Sie als Religionslehrer-Verband dazu?

Middendorf: Ich kann nur für mich persönlich sprechen. Als Verband haben wir uns dazu noch nicht geäußert. Es gibt Regelungen innerhalb der Kirche, die besagen, Priester und Kleriker sind angehalten, sich nicht parteipolitisch in der Öffentlichkeit zu engagieren. Sie können Mitglied einer Partei sein, sollen aber ihre Aufgabe nicht mit Parteipolitik verquicken. Das gilt sinngemäß auch für Lehrer.

Andererseits stehen wir in einer doppelter Loyalität. Für einen Lehrer an einer Schule ist das normalerweise kein Hindernis. Man kann Mitglied einer Partei sein. Wir sollen ja auch zu politischer Selbstständigkeit und zu politischem Engagement erziehen. Und dann kann es nicht schaden, wenn man selbst auch in seinem Privatleben beispielhaft tätig ist. Was natürlich nicht geht, ist, dass man eigene politische Meinungen mit dem Unterricht verquickt und in den Unterricht einfließen lässt, sodass es Schülerinnen und Schüler beeinflussen soll.

DOMRADIO.DE: Jetzt geht es in dem konkreten Fall auch darum, dass der Lehrer Kritik an der Flüchtlingspolitik von Papst Franziskus geübt hat. Sie haben es gesagt: Wenn man von seiner Religionsgemeinschaft entsandt wird, gibt es ein Loyalitätsverhältnis. Inwiefern können Sie als Religionslehrer Kritik an katholischen Positionen üben?

Middendorf: Kritik an der Kirche ist möglich, genauso wie es Kritik in der Kirche gibt. Warum soll sie in der Schule anders sein als in der Kirche selbst? Der Religionsunterricht soll ausdrücklich zu einer kritischen Position zum eigenen Glauben anleiten. Er soll Schülerinnen und Schüler ermöglichen, ihren Glauben zu reflektieren. Das heißt, sie müssen in der Lage sein, Kritik anzunehmen und Kritik zu äußern. Insofern hat Kritik gerade im Religionsunterricht ihren Platz. Ich wüsste keinen Platz, wo offener über Glauben gesprochen werden dürfte und sollte als im Religionsunterricht.

Die Frage ist, was ich mit meiner eigenen Kritik an der Kirche mache. Das ist vielleicht ähnlich wie mit der politischen Meinung. Ich darf meine eigene Meinung nicht zum Maßstab des Unterrichts machen. Andererseits funktioniert jeder Unterricht nur, wenn der Lehrer authentisch ist. Das ist in jedem Fach so. Die Schülerinnen und Schüler wollen wissen, wo sie als Lehrer stehen. Irgendwann kommt die Frage, und dann darf man aus seiner eigenen Meinung keinen Hehl machen.

DOMRADIO.DE: Im Fall von Sachsen geht es darum, dass der Religionslehrer nicht bloß Mitglied, sondern aktiver Politiker in der AfD ist und aus diesen Positionen keinen Hehl macht. Ist das Ihrer Meinung nach miteinander vereinbar?

Middendorf: Formalrechtlich ist es natürlich vereinbar. Ich kann mir aber schwer oder eigentlich gar nicht vorstellen, dass man das, was diese Partei nach außen trägt, mit dem christlichen Glauben in Verbindung bringen kann. Universale Solidarität, Menschenwürde, das, was man theologisch als Gotteskindschaft bezeichnet - diese Überzeugungen beißen sich doch sehr mit dem, was an verächtlicher Sprache über andere Rassen und andere Religionen von Vertretern dieser Partei in die Öffentlichkeit gebracht wird. Beim Thema Flüchtlingspolitik, das man ja durchaus kritisch sehen kann fehlt mir ganz entschieden, dass auch einmal die Opferperspektive eingenommen wird.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR