Berliner Erzbischof Koch zum Ausgang der Landtagswahlen

"Ich habe es noch schlimmer erwartet"

Die SPD hat die Landtagswahl in Brandenburg trotz deutlicher Verluste gewonnen. Zweitstärkste Partei wurde mit 23,5 Prozent der Zweitstimmen die rechtspopulistische AfD. Der Berliner Erzbischof sieht trotzdem eine "umschwingende Mentalität".

Landtagswahl in Brandenburg / © Monika Skolimowska (dpa)
Landtagswahl in Brandenburg / © Monika Skolimowska ( dpa )

DOMRADIO.DE: Wie bewerten Sie diese Wahl?

Erzbischof Heiner Koch (Erzbistum Berlin): Das Ergebnis bewegt mich, weil es die Polarisierung dieses Landes zeigt. Ein Großteil der Menschen glaubt den Politikern nicht, glaubt vor allen Dingen nicht an eine gute Zukunft. Sie haben das Gefühl, man könne nichts machen und es gehe immer wieder bergab. Das trifft vor allen Dingen die großen Landregionen, wo die Menschen spüren, dass keiner ihnen richtig helfen kann, dass die Jugend wegzieht, dass es mit dem Aufbau einer Industrie nicht klappt und die Wirtschaft nicht vorwärts kommt. Diese Stimmung ist da. Da spielt jetzt bei der Wahl sicherlich auch die Mentalität eine Rolle, es denen da oben einmal zeigen zu wollen.

Aber ich habe es noch schlimmer erwartet. Vor 14 Tagen wäre das Ergebnis wohl noch deutlich kritischer gewesen. Ich habe in den letzten 14 Tagen wirklich eine Mobilisierung der Menschen erlebt, die sagen: "So lassen wir uns das Land nicht kaputtmachen. Wir kämpfen gegen Populismus gegen Rechtspopulismus, gegen Extreme."

Das hat wirklich das Bewusstsein gestärkt: "Wir sind das Volk, das lassen wir uns nicht von den Populisten wegnehmen." Die höhere Wahlbeteiligung ist ja ein deutliches Zeichen für eine umschwingende Mentalität. Die gilt es jetzt zukunftsfähig zu nutzen! Also: Nicht lamentieren, sondern auf die Zukunft bauen.

DOMRADIO.DE: Die Wahlbeteiligung lag bei über 60 Prozent, das kann man tatsächlich als ein sehr gutes Zeichen werten. Was bedeutet dieses Wahlergebnis insgesamt denn jetzt für die Kirchen?

Koch: Wir haben uns sehr bewusst in die Wahlen hineingegeben, nicht weil wir für eine bestimmte Partei Position nehmen wollten, sondern weil wir in vielen Grundfragen das menschliche Zusammenlebens gefährdet sahen: die Menschenwürde, die klare Fähigkeit zum Diskurs, die Auseinandersetzung, die konstruktive Haltung auf Lösungen hin. Wir sind als Kirchen auch mit in der Verantwortung, uns jetzt nicht wieder zurückzuziehen und zu sagen: Sollen die Politiker doch machen.

Wir haben als Christen eine Verantwortung. Wir dürfen uns nicht hinter die Mauern der Kirche und der Sakristei zurückziehen. Das müssen wir aktiv wahrnehmen, auch indem wir die, die Verantwortung übernehmen, unterstützen. Die können ja auch nicht von heute auf morgen alles lösen. Ich möchte all denen danken, die sich da diesen harten Kämpfen ausgesetzt haben in den letzten Wochen. Das ist großartig, was da geschehen ist.

DOMRADIO.DE: Sehen Sie denn auch Folgen des Wahlergebnisses für die Politik in Berlin?

Koch: Ich vermute, dass dieses Wahlergebnis sowohl in Sachsen wie in Brandenburg zunächst einmal die große Koalition noch einmal stärkt. Aber sie muss jetzt handeln und deutlicher machen, wo sie Fortschritte erzielt. Ich glaube, dass die große Koalition weit erfolgreicher ist, als man das in der Öffentlichkeit wahrnimmt. Aber es ist auch klar: Die große Koalition ist ein zu Ende gehendes Modell, das spürt man. Die Leute wollen einen Neuanfang.

Das Interview führte Verena Tröster.


Erzbischof Heiner Koch / © Christoph Busse (KNA)
Erzbischof Heiner Koch / © Christoph Busse ( KNA )