Frankreich will dem deutschen Beispiel beim Umgang mit Hass im Netz folgen. Die französische Nationalversammlung billigte mit sehr großer Mehrheit einen Gesetzesentwurf, der Plattformen im Netz dazu verpflichtet, hasserfüllte Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach einem Hinweis zu löschen. Die Abgeordneten votierten in erster Lesung mit 434 zu 33 Stimmen für den Gesetzesentwurf.
In Deutschland gilt das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Es schreibt ebenfalls vor, dass die Plattformen klar strafbare Inhalte 24 Stunden nach einem Hinweis darauf löschen müssen - und in weniger eindeutigen Fällen eine Woche Zeit haben. Außerdem müssen die Plattformen konkrete Anlaufstellen benennen, bei denen man Hasspostings melden kann. Es drohen Strafen in Millionenhöhe. Das Gesetz hatte immer wieder für Kritik gesorgt. Gegner argumentieren, dass es die Betreiber dazu verleite, aus Angst vor Bußgeldern grenzwertige Inhalte eher zu sperren.
Der französische Gesetzestext sieht nun vor, dass Plattformen mit den Gerichten zusammenarbeiten müssen. Für die Bekämpfung von Hass im Netz sollen künftig eine eigene Staatsanwaltschaft und ein eigenes Gericht zuständig sein. Ende Juni hatte sich Facebook bereiterklärt, künftig bei Hasskommentaren in dem sozialen Netzwerk die IP-Adressen an französische Gerichte übermitteln. Mit der IP-Adresse kann man die Rechner im Netz und damit häufig die Computer-Anwender ausfindig machen, weil die Adressen einem bestimmten Online-Anschluss zugeordnet sind.
Außerdem soll dem französischen Gesetzestext zufolge das Meldesystem für Nutzer einfacher und einheitlicher werden. Ähnlich wie in Deutschland soll den Plattformen eine empfindliche Strafe drohen, wenn sie entsprechende Inhalte nicht entfernen - und zwar bis zu vier Prozent des weltweiten Umsatzes. (dpa, 9.7.2019)
15.08.2019
Hass, Volksverhetzung und Gewaltverherrlichung – all das findet man auch im Internet. Der Umgangston ist nicht nur rau, sondern auch strafrechtlich relevant. Wie kann auch das Netz ein besserer Ort werden?
DOMRADIO.DE: Sie ermitteln gegen Menschen, die Hass und Hetze im Internet verbreiten. Sie selbst wurden in einem Artikel der Welt als "Geisterjäger" bezeichnet. Ist das ein passender Begriff?
Dr. Christoph Hebbecker (Kölner Staatsanwalt): Nun sind wir leider nicht immer in der Lage, Einfluss auf die Wahl der Überschrift zu nehmen, aber wenn es denn der Sache dienlich ist, würde ich mich auch als Geisterjäger bezeichnen lassen. So völlig an den Haaren herbeigezogen ist das sicherlich nicht. Der Eindruck, es seien Geister kann sicherlich manchmal entstehen, nicht zuletzt auch deswegen, weil im Netz viele Leute anonym unterwegs sind.
Viele geben sich Mühe, ihre wahre Identität zu verbergen und nutzen diese teilweise auch nur scheinbar gegebene Anonymisierung, um Kommentare zu verfassen, die mitunter deutlich die Grenze dessen, was wir strafrechtlich nicht beanstanden können, unterschreiten. Teilweise posten sie also ganz klar strafrechtlich Relevantes und begehen damit eben im Internet Straftaten.
DOMRADIO.DE: Gibt es einen Fall, der Ihnen in Erinnerung geblieben ist?
Hebbecker: Was mich tatsächlich schockt oder was ich so auch nicht erwartet hätte, sind Fälle, die wir immer wieder angezeigt bekommen, in denen es auch um Holocaustleugnung geht. Das ist ein Thema, was immer wieder auftaucht und in unterschiedlicher Intensität und Breite vorgebracht wird. Die Fälle schocken mich und meine Kollegin doch tatsächlich.
DOMRADIO.DE: Bei einer Holocaust-Leugnung ist es vermutlich eine eindeutige Angelegenheit. Wo endet denn die Meinungsäußerung und wo beginnt die Volksverhetzung? Gibt es da klare Kriterien?
Hebbecker: Das ist ein ganz wichtiger Punkt, den Sie ansprechen. Es gibt im Prinzip klare Gesetze. Man muss zunächst feststellen, dass es keinen Straftatbestand "Hass" gibt. Es gibt auch keinen Straftatbestand "Hetze" oder einen Straftatbestand "Hate Speech". Was wir klassisch unter "Hate Speech" oder "Hassrede" fassen, versuchen wir als Strafrechtler und Strafverfolger dann in Straftatbeständen abzubilden. In Betracht kommen da die Straftatbestände beispielsweise der Volksverhetzung, das Verwenden von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen, das öffentliche Aufrufen zur Begehung von Straftaten.
All das sind Straftatbestände, die man dem Delikts-Phänomen "Hate Speech" zuordnen würde. Wir haben klare Fälle, in denen wir sagen können, das ist keine freie Meinungsäußerung mehr, das ist eine Straftat. Es gibt einen ganz großen Bereich, der sich im Grauen bewegt und in dem die Einzelfallentscheidungen sehr, sehr schwierig sein kann. Das macht es mitunter so schwierig.
DOMRADIO.DE: Jetzt sind Sie ja Staatsanwalt und nicht bei der Polizei, das heißt, Sie wühlen sich ja nicht selbst durch Facebook und Twitter, sondern können immer nur dann tätig werden, wenn so etwas angezeigt wird. Dazu hat sich auch eine Initiative gegründet. Worum geht es dabei?
Hebbecker: Wir haben ein Projekt initiiert gemeinsam mit der Landesmedienanstalt in Nordrhein-Westfalen, das nennt sich "Verfolgen, statt nur löschen". Partner in diesem Projekt sind die Landesmedienanstalt, das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen und verschiedene große Medienhäuser, die ihren Sitz in Nordrhein-Westfalen haben. Die Idee von diesem Projekt ist die, dass strafrechtlich relevante Inhalte nicht nur gelöscht werden. Wir wollen natürlich auch, dass gelöscht wird, aber wir wollen auch, dass diejenigen, die so etwas verfassen, identifiziert werden.
Wir möchten eben auch Strafverfolgung auf diesem Gebiet betreiben, deswegen ist der Name Programm – "Verfolgen statt nur löschen". Das klappt nur als Teamwork. Die Anzeigen kommen von unseren Medienpartnern. Wir nehmen die rechtliche Einordnung vor und die Identifizierung der Beschuldigten erfolgt zentral durch das Landeskriminalamt in Nordrhein-Westfalen.
DOMRADIO.DE: Kann ich denn als Privatperson auch anzeigen?
Hebbecker: Ihre Anzeige als Privatperson wird höchstwahrscheinlich nicht den Weg auf meinen Schreibtisch finden. Aber selbstverständlich kann jeder Bürger bei jeder Polizeidienststelle und bei jeder Staatsanwaltschaft Anzeige erstatten. Genau das sollten sie auch tun. Wenn Sie Postings finden, bei denen Sie der Meinung sind, das überschreitet die Grenze des guten Geschmacks und könnte strafrechtlich relevant sein, dann sollte sich die Staatsanwaltschaft und die Polizei das vielleicht mal anschauen. Zeigen Sie diese Postings bei der Polizei an! Je mehr solcher Postings angezeigt werden, desto eher sind Strafverfolgungsbehörden auch in der Lage dem nachzugehen und Strafverfolgung auch im Internet zu betreiben.
DOMRADIO.DE: Wird denn zu viel einfach gelöscht und zu wenig angezeigt?
Hebbecker: Ja. Ich würde sagen teilweise mangelt es vielleicht auch noch an einer Sensibilisierung dafür, dass da eben auch Straftaten begangen werden. Mitunter hört man Sätze wie: "Das ist das Internet, wer sich da bewegt muss damit rechnen, dass solche Sachen geäußert werden".
Das ist ein Zustand, den wir so nicht hinnehmen können.Im Internet gelten die gleichen Regeln wie sie auch in der analogen Welt gelten. Wir müssen als Strafverfolgungsbehörden immer auch ganz klar den Anspruch haben, dass wir die Regeln, die online wie offline gelten, auch gleich effektiv und mit gleicher Intensität durchsetzen. Deswegen ist es ein völlig legitimer und normaler Vorgang, wenn eine Straftat bzw. ein strafbares Posting, angezeigt wird.
Das Interview führte Andreas Lange.
Frankreich will dem deutschen Beispiel beim Umgang mit Hass im Netz folgen. Die französische Nationalversammlung billigte mit sehr großer Mehrheit einen Gesetzesentwurf, der Plattformen im Netz dazu verpflichtet, hasserfüllte Inhalte innerhalb von 24 Stunden nach einem Hinweis zu löschen. Die Abgeordneten votierten in erster Lesung mit 434 zu 33 Stimmen für den Gesetzesentwurf.
In Deutschland gilt das sogenannte Netzwerkdurchsetzungsgesetz (NetzDG). Es schreibt ebenfalls vor, dass die Plattformen klar strafbare Inhalte 24 Stunden nach einem Hinweis darauf löschen müssen - und in weniger eindeutigen Fällen eine Woche Zeit haben. Außerdem müssen die Plattformen konkrete Anlaufstellen benennen, bei denen man Hasspostings melden kann. Es drohen Strafen in Millionenhöhe. Das Gesetz hatte immer wieder für Kritik gesorgt. Gegner argumentieren, dass es die Betreiber dazu verleite, aus Angst vor Bußgeldern grenzwertige Inhalte eher zu sperren.
Der französische Gesetzestext sieht nun vor, dass Plattformen mit den Gerichten zusammenarbeiten müssen. Für die Bekämpfung von Hass im Netz sollen künftig eine eigene Staatsanwaltschaft und ein eigenes Gericht zuständig sein. Ende Juni hatte sich Facebook bereiterklärt, künftig bei Hasskommentaren in dem sozialen Netzwerk die IP-Adressen an französische Gerichte übermitteln. Mit der IP-Adresse kann man die Rechner im Netz und damit häufig die Computer-Anwender ausfindig machen, weil die Adressen einem bestimmten Online-Anschluss zugeordnet sind.
Außerdem soll dem französischen Gesetzestext zufolge das Meldesystem für Nutzer einfacher und einheitlicher werden. Ähnlich wie in Deutschland soll den Plattformen eine empfindliche Strafe drohen, wenn sie entsprechende Inhalte nicht entfernen - und zwar bis zu vier Prozent des weltweiten Umsatzes. (dpa, 9.7.2019)