Historiker zum 75. Jahrestag des Hitler-Attentats

"Kirchen haben beim Widerstand versagt"

Nach Ansicht des Berliner Historikers Wolfgang Benz sollte man die Rolle des Glaubens beim Widerstand gegen Hitler nicht überbewerten. Zum 75. Jahrestag des Hitler-Attentats sagte er christlicher Widerstand sei von Einzelpersonen ausgegangen.

Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete / © Heinrich Hoffmann/UPI (dpa)
Zerstörung im Raum der Karten-Baracke im Führerhauptquartier Rastenburg, wo Oberst Stauffenberg am 20. Juli 1944 eine Sprengladung zündete / © Heinrich Hoffmann/UPI ( dpa )

"Die beiden Kirchen haben grandios versagt - christlicher Widerstand kam von Einzelpersonen, aber nicht von der Amtskirche", sagte er der "Augsburger Allgemeinen" zum 75. Jahrestag des Hitler-Attentats.

Benz warnte zugleich vor einer Verklärung des Attentats: "Ich sehe es mit einem gewissen Unbehagen, wenn zum 20. Juli ausschließlich an Stauffenberg erinnert wird und die kleine Gruppe um ihn, die unendlich spät, zu spät, nur noch eine symbolische Tat begangen hat." Es gehe gerade heute im Sinne des "demokratischen Erbes" darum, den ganzen Widerstand gegen den Nationalsozialismus in den Blick zu nehmen: "Die Konservativen haben bislang immer vor allem den militärischen Widerstand in den Blick genommen, der aber ganz spät kam."

Es habe viele nationalbewusste Patrioten gegeben

Benz (78), der lange Jahre Direktor des Zentrums für Antisemitismusforschung an der TU Berlin war, nannte als einen der Gründe, dass es viele nationalbewusste Patrioten gegeben habe, die den von Hitler verkündeten "Erfolgen wie der Überwindung des Versailler Vertrages sehr freudig" zugestimmt hätten: "Die Erkenntnis, dass das mit Verbrechen einherging und mit einer ganz unglaublichen Hypothek auf die Zukunft erkauft war, die etwa dem scharf blickenden Schreinergesellen Georg Elser ganz früh kam - sie kam den vielen national Empfindenden, den Offizieren, Rechtsanwälten und Professoren zu spät."

Darin sieht Benz etwas typisch Deutsches: "Denn die Sozialisation der Menschen, die so ab 1880/90 geboren sind, also derjenigen, die im Dritten Reich zu den Eliten gehörten, war nicht demokratisch. Sie war obrigkeitsfromm, militaristisch, auf Befehl und Gehorsam abgestellt". Und auch wenn man den Nationalsozialismus etwa aus dem katholischen Glauben heraus abgelehnt habe, "so war man doch so erzogen, dass man nicht die Hand gegen das Regime erhob".

Besorgnis mit Blick auf die AfD

Besorgt äußerte sich der Historiker mit Blick auf die AfD: "Es ist bestürzend, wie schnell und absichtsvoll man da das Rad der Geschichte zurückdrehen will in die Zeiten des Nationalstaates und des Nationalismus, die unwiederbringlich vorbei sind." Wörtlich ergänzte Benz: "Mit alten Parolen nach der alten nationalen Herrlichkeit, die eigentlich und vor allem für Deutschland nur Unglück gebracht hat, zu greinen, das ist mindestens demokratiegefährdender Leichtsinn - oder böse Absicht."


Professor Wolfgang Benz / © Ulrich Dahl (KNA)
Professor Wolfgang Benz / © Ulrich Dahl ( KNA )
Quelle:
KNA