Warum ein Leipziger Pfarrer auf die Straße geht

"Christen können bestimmte Positionen nicht mittragen"

Solidarität statt Ausgrenzung - mit diesem Motto ruft das Bündnis #unteilbar zu einer Großkundgebung in Leipzig auf. Mit dabei ist Pfarrer Gregor Giele von der Leipziger Propsteikirche. Warum geht er mit?

Kundgebung gegen Rassismus in Berlin / © Paul Zinken (dpa)
Kundgebung gegen Rassismus in Berlin / © Paul Zinken ( dpa )

DOMRADIO.DE: Im Oktober des vergangenen Jahres sprengte eine Kundgebung von #unteilbar alle Erwartungen. Statt der erwarteten 40.000 Menschen kame letztlich fast eine Viertelmillion. Welchen Hintergrund hat denn die heutige Demonstration #unteilbar von 15 bis 17 Uhr in Leipzig?

Gregor Giele (Pfarrer der Leipziger Propsteikirche St. Trinitatis): In Sachsen stehen Landtagswahlen an und man kennt ja die Vorhersagen. Die Prognosen sagen, dass vor allen Dingen Parteien, die mit Menschenfeindlichkeit agieren und zum Teil werben gute Chancen haben, hohe Prozentzahlen erreichen. Da ist es gut, dass es inzwischen viele Menschen gibt, die auf die Straße gehen und sagen: Wir stehen für eine andere Botschaft.

DOMRADIO.DE: In einem Statement des Bündnisses #unteilbar heißt es, dass Rassismus und Menschenverachtung in Sachsen auf dem Vormarsch sind. Wie sehr sorgen Sie sich um unsere Gesellschaft? Inwieweit sind wir vielleicht schon geteilt?

Giele: Das ist schwer zu sagen. Rassismus und Menschenfeindlichkeit sind ja nur die Folge-Antworten auf etwas, was vorausgeht. Etwa, dass in unserem Land ein Bild unserer Wirklichkeit gezeichnet wird, das nur dunkel ist: Alles wird schlechter, alles geht auf den Untergang zu. Das ist für mich eine völlig falsche Beschreibung der Wirklichkeit.

Dass bei der Demo Menschen sagen "Nein, unsere Gesellschaft ist bunter, ist vielfältiger, hat viel Potenzial und gute Ideen für die Zukunft" ist glaube ich das erste und wichtigste, um eine echte Alternative zu bilden. Nicht nur zu sagen: Wählt uns, um die anderen zu verhindern. Sondern positiv zu sagen: Das ist unser Vorschlag für die nächsten Jahre und unsere Zukunft. Ihr habt die Entscheidung.

DOMRADIO.DE: Die Kirche ist zwar kein Mitveranstalter der Demo, aber Sie als Pfarrer sind trotzdem mit dabei. Welche Verantwortung muss die Kirche bei diesem Thema übernehmen?

Giele: Wir gehören dorthin - egal ob als Veranstalter oder als Teilnehmer. Wir können bestimmte Positionen, die momentan in Ostdeutschland laut propagiert und plakatiert werden als Christen nicht mittragen. Uns bindet der Schöpfungsbericht, jeder Mensch ist wunderbar und einmalig von Gott geschaffen und hat eine eigene Würde. Uns bindet Matthäus 25 - die Werke der Barmherzigkeit. Uns bindet die Botschaft von der Nächstenliebe, die nicht nur den Hausnachbarn meint, sondern weltweit zu denken ist. Und diese Botschaften wollen wir als Christen natürlich einspielen und bei diesen Demonstrationen stark machen.

DOMRADIO.DE: Was erhoffen Sie sich persönlich von der heutigen Demonstration?

Giele: Zuallererst natürlich, dass möglichst viele kommen. Die Zahl ist immer auch ein Zeichen. Zum anderen auch eine hohe Wahrnehmung. Man geht ja durch die gesamte Innenstadt. Dass diese anderen Botschaften - von Solidarität, weltweiter Verbindung, europäischer Identität und Menschenfreundlichkeit - auch von vielen gehört werden.

Das Gespräch führte Julia Reck.

 


Pfarrer Gregor Giele (KNA)
Pfarrer Gregor Giele / ( KNA )
Quelle:
DR