Evangelischer Kirchentag ist politisch geprägt

Rechtsterrorismus, Populismus und Digitalisierung

​Der Kirchentag stellt die Vertrauensfrage und wendet sich aktuellen Themen zu: Digitalisierung, Donald Trump sowie der Kampf gegen Antisemitismus und Terror von rechts beschäftigen die Protestanten in Dortmund.

Rückblick 2019: Junge Leute zeigen ihren Schal mit dem Kirchentagsmotto / © Bernd Thissen (dpa)
Rückblick 2019: Junge Leute zeigen ihren Schal mit dem Kirchentagsmotto / © Bernd Thissen ( dpa )

Glaubensfest und Debattenforum: Nach der Eröffnung mit drei abendlichen Gottesdiensten am Mittwoch hat sich der evangelische Kirchentag in Dortmund am Donnerstag aktuellen politischen Grundsatzfragen zugewandt. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier forderte eine "Demokratisierung des Digitalen".

Die evangelische Theologin Margot Käßmann übte harsche Kritik an US-Präsident Donald Trump. Der Antisemitismusbeauftragte der Bundesregierung, Felix Klein, forderte, im Kampf gegen Antisemitismus auch den muslimischen Judenhass stärker in den Blick zu nehmen.

Steinmeier sagte in einer Grundsatzrede zur Digitalisierung, es gehe um die "Rückgewinnung des politischen Raumes" gegen Verrohung und Verkürzung von Sprache und Debatten. Der Bundespräsident beklagte zudem eine digitale Fremdbestimmung durch Konzerne und forderte gesetzliche Regelungen sowie internationale Vereinbarungen, um "das Spiel zu unterbrechen und die Spielregeln zu überprüfen".

Motto: "Was für ein Vertrauen"

Der 37. Deutsche Evangelische Kirchentag mit rund 118.000 Teilnehmern dauert bis Sonntag. Fast 2.400 Veranstaltungen, darunter Bibelarbeiten, Gottesdienste, Konzerte und Workshops sowie zahlreiche prominent besetzte Diskussionsrunden, stehen auf dem Programm unter dem biblischen Leitwort "Was für ein Vertrauen". Der Kirchentag ist alle zwei Jahre in einer anderen Stadt zu Gast.

Die frühere Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Käßmann, geißelte am Donnerstag in einer Bibelarbeit Machtstreben und schlug sich auf die Seite der Schwachen.

"Nichts stellt die Macht der Mächtigen so sehr infrage wie die aufrechte Haltung der Opfer", sagte sie und erinnerte an das Foto des jungen Mannes, der sich vor 30 Jahren bei den Protesten auf dem Platz des himmlischen Friedens in Peking den anrollenden Panzern entgegengestellt hat. Sein Bild werde als Mut, als Freiheitssehnsucht, als Würde des Menschen in die Geschichte eingehen. "Ich denke, das von Donald Trump wird nie mit Würde erinnert werden", sagte Käßmann.

Gegen Antisemitismus und für friedliches Zusammenleben

Der Antisemitismusbeauftragte Klein sagte, Antisemitismus von Muslimen in Deutschland habe seinen Ursprung vielfach im Nahost-Konflikt und in "dem Hass auf Israel und die israelische Politik gegenüber den Palästinensern". "Wir müssen den Israel-bezogenen Antisemitismus stärker bekämpfen", betonte er. Dazu sei es wichtig, auch an den Schulen den Nahost-Konflikt und seine Geschichte zu thematisieren.

Bei schwül-warmen Temperaturen waren am Mittwochabend rund 40.000 Menschen zu den drei Eröffnungsgottesdiensten des Kirchentages gekommen, die unter freiem Himmel gefeiert wurden. Steinmeier sagte bei der Eröffnung: "Wir wollen die Welt nicht nur beschreiben und beklagen, sondern wir wollen sie zum Besseren verändern."

Die Zukunft sei angesichts der drängenden Probleme ungeduldig. "Daher lasst sie uns anpacken: für ein friedliches Zusammenleben in der Gesellschaft, für Verständigung zwischen den Völkern und Religionen, für Klima und Umwelt", sagte er.

Erschütterung über Mord an Regierungspräsident Lübke

Zum Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke sagte Steinmeier, schon der Verdacht sei furchtbar und unerträglich, dass in einem Land mit dieser Geschichte jemand, der für die Demokratie gearbeitet hat, "hingerichtet wird durch einen politischen Mord, mutmaßlich begangen von einem überzeugten Rechtsextremisten, dem im Netz Beifall geklatscht wird". Deshalb müsse dieses Verbrechen so schnell wie möglich aufgeklärt werden.

Lübcke war wegen seiner Haltung in der Flüchtlingspolitik offenbar in der rechtsextremen Szene verhasst. Anfeindungen wurden vor allem im Internet geäußert.

Erschüttert über den gewaltsamen Tod Lübckes äußerte sich auch Kirchentagspräsident Hans Leyendecker bei der Eröffnung des Christentreffens: "Ein Staatsdiener wurde hingerichtet, weil er sich für andere Menschen eingesetzt hat."

Zuvor hatte er bei einer Gedenkveranstaltung für Opfer des NS-Regimes und rechtsextremistischer Gewalt gesagt, die Zivilgesellschaft dürfe Hassern und Hetzern nicht den Raum überlassen: "Wir Demokraten müssen um die Rückeroberung des öffentlichen Raums kämpfen."

Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet (CDU) rief bei der Eröffnung am Abend zu mehr Wachsamkeit gegenüber Rechtsextremismus auf: "Nie wieder dürfen wir so wegschauen, wie wir das in den letzten Jahrzehnten beim Rechtsterrorismus gemacht haben."


Quelle:
epd