Grünen-Chef Habeck über Politik und Glaube

"Kein Politiker ist ein Erlöser"

Grünen-Chef Robert Habeck wendet sich gegen übersteigerte Erwartungen an die Politik. "Kein Politiker ist ein Erlöser. Wer das hofft oder glaubt, bereitet seine eigene Enttäuschung vor." Sich selbst sieht er als "säkularer Christ".

Robert Habeck / © Hendrik Schmidt (dpa)
Robert Habeck / © Hendrik Schmidt ( dpa )

"Politik ist unperfekt, immer in Bewegung. Das produziert auch Enttäuschungen", sagte Habeck der "Zeit"-Beilage "Christ und Welt" (Mittwoch). "Aber sie erneuert sich ständig, wenn sie Zweifel und Nachdenklichkeit Raum gibt." Nichts sei allerdings schädlicher für demokratisches Vertrauen als der Eindruck, dass Politik Krisen nicht lösen könne.

Eine große Herausforderung für die Demokratie sei, dass Entscheidungen oft viel Zeit brauchten, obwohl Probleme schnell gelöst werden müssten. "Autoritäre Regime wie China sind in manchen Dingen schneller, weil sie ohne Rücksicht alles durchziehen, auf Kosten von Freiheit." Falsch wäre aber, dem hinterherzulaufen, betonte der Grünen-Politiker.

Kompromissfähigkeit erforderlich

Habeck verwies auf die Rolle von Mitgefühl in der Politik. Die Fähigkeit, sich selbst sogar im Gegner zu sehen, sei in der demokratischen Auseinandersetzung grundlegend. In Streitfragen wie dem Ausbau von Stromnetzen, dem Bau von Windkraftanlagen oder der Einschränkung von Fangflächen für Fischer habe er als Minister in Schleswig-Holstein gemerkt, dass "ich immer nur dann vorankam, wenn ich die Betroffenheit ernst genommen habe".

Andererseits müsse Politik ständig in ethischen und moralischen Dilemmata entscheiden können. "Politische Entscheidungen, die von allen zu 100 Prozent geteilt werden, wird es nie geben." Deshalb sei Kompromissfähigkeit erforderlich.

Habeck wandte sich gegen die Einschätzung, es gebe derzeit in der Politik, gerade mit Blick auf die Klima-Debatte, eine Lust an der Apokalypse. "Ich sehe keine Lust daran. Ich sehe endlich eine ernsthafte Debatte - Jahrzehnte zu spät. Und wir stemmen uns dagegen, dass diese apokalyptisch geführt wird."

Angst motiviere nicht zum Handeln, sondern lasse einen nur in Schreckstarre verharren. "Unser Beitrag ist, darauf zu bestehen, dass wir Handlungsoptionen haben. Wir haben die Technik, den Wohlstand, das Wissen, das Ruder rumzureißen."

Habeck sieht sich als "säkularer Christ"

Sich selbst bezeichnet Habeck als "säkularer Christ". Er sei jemand, der "nicht an Gott glaubt und keiner Kirche angehört, aber die Werte des Christentums teilt", sagte er weiter.

"Die Mitleidsethik des Christentums hat mich tief geprägt", fügte er hinzu. "Sie ist für mich persönlich die wichtigste Errungenschaft, mit der das Christentum die abendländische Geschichte bereichert hat." Der absoluten Macht stelle das Christentum das Mitgefühl und die Barmherzigkeit entgegen. "Das ist noch immer revolutionär und beeindruckt mich bis heute."

In christlicher Familie aufgewachsen

Er sei in einer sehr christlichen Familie aufgewachsen, berichtete der gebürtige Lübecker. Er habe sich ernsthaft und dauerhaft mit religiösen Fragen beschäftigt. "Dadurch habe ich mich aber langsam vom Glauben entfernt." Im Studium habe er sich mit philosophischen Gottesbeweisen beschäftigt.

Letztlich seien alle Philosophen zu dem Schluss gekommen, dass man weder die Existenz noch die Nichtexistenz Gottes beweisen könne. "Für mich blieb das Zweifeln. Aber noch mal: Ich habe tiefen Respekt für Menschen, die im Glauben Halt finden und Antworten geben."

Habeck hatte neulich in einem Interview der "Bild"-Zeitung gesagt, er habe zu viele Philosophen gelesen, um an Gott glauben zu können. Dazu erklärte er in "Christ und Welt": "Ich wollte mit diesem Satz niemanden provozieren oder zu nahe treten. Es tut mir Leid, dass dieser Eindruck entstanden ist."


Robert Habeck (l.) und Reinhard Kardinal Marx / © Michael Kappeler (dpa)
Robert Habeck (l.) und Reinhard Kardinal Marx / © Michael Kappeler ( dpa )
Quelle:
KNA