Katholikin Nahles als erste Frau an der SPD-Spitze gescheitert

Der Glaube an die Wiederauferstehung der Partei fehlt

"Frau, gläubig, links" heißt der Titel ihrer Biografie. Und so schaffte es Andrea Nahles als erste Frau an die SPD-Spitze. Jetzt wirft die Katholikin hin. Den Glauben an eine bessere Zukunft für ihre Partei konnte sie nicht mehr vermitteln.

Tritt zurück: Andrea Nahles / © Fabian Sommer (dpa)
Tritt zurück: Andrea Nahles / © Fabian Sommer ( dpa )

Eigentlich wäre sie als gläubige Katholikin ja genau die Richtige, um der ältesten Partei Deutschlands zur dringend notwendigen Wiederauferstehung zu verhelfen. Allein - es fehlt der Glaube. Offenbar bei den Genossinnen und Genossen, aber auch bei Andrea Nahles selbst: Der notwendige Rückhalt sei nicht mehr da, schreibt sie in ihrer Erklärung am Sonntag, in der sie den Rückzug von Partei- und Fraktionsvorsitz ankündigt.

Damit ist auch die erste Frau an der SPD-Spitze gescheitert, die im April 2018 zur Vorsitzenden gewählt worden war. Mit lediglich 66 Prozent der Stimmen. Auch da war die Zahl der Zweifler offenbar schon groß. In ihrer sehr kämpferischen Bewerbungsrede hatte sie direkt zum Auftakt betont, wie ungewöhnlich ihr Aufstieg in der Partei war: "Katholisch, Arbeiterkind, Mädchen, Land - es war nicht unbedingt logisch, dass ich in der SPD Karriere machen werde."

Nahles-Erfolge: Rente mit 63 und Mindestlohn

Vielen war die ehemalige Juso-Vorsitzende lange Zeit offenbar zu krawallig. Immer wieder erinnerten sie an ihr Pippi-Langstrumpf-Lied im Bundestag oder an Aussprüche wie "Ab morgen kriegen sie in die Fresse" und "Bätschi". Als Arbeitsministerin setzte Nahles ab 2013 mit viel Pragmatismus und zähem Ringen um Kompromisse unter anderem die Rente mit 63 und den Mindestlohn durch. Nach der Übernahme der Fraktionsspitze begann für das "katholische Mädchen vom Lande" - wie sie sich selbst bezeichnete - dann ein weiteres Kapitel ihrer politischen Karriere als Parteichefin.

Aus der Provinz kommt sie tatsächlich: Nahles wuchs in einem katholischen Elternhaus als Tochter eines Maurermeisters in der Eifel auf. Nach dem Abitur - in der Abi-Zeitung gab sie "Hausfrau oder Bundeskanzlerin" als Berufswunsch an - studierte sie Politik, Philosophie und Germanistik in Bonn.

Sozialdemokratisches und kirchliches Engagement eng miteinander verbunden

Parallel dazu stieg Nahles in der SPD auf: Als 18-Jährige trat sie in die Partei ein, 1995 wurde sie Bundesvorsitzende der Jusos. Mitglied im SPD-Parteivorstand ist sie seit 1997, dem Präsidium gehört sie seit 2003 an. In den Bundestag kam sie erstmals 1998. Bevor sie 2013 Arbeitsministerin wurde, war sie vier Jahre lang SPD-Generalsekretärin.

Und sie ist in ihrem katholischen Glauben tief verwurzelt. Bevor vor gut zehn Jahren ihre Biografie "Frau, gläubig, links" erschien, wussten das nur wenige ihrer Parteigenossen. "Aus meinem Christsein lässt sich mein Kompass für Gerechtigkeitsfragen entwickeln", sagte sie in einem Interview der Katholischen Nachrichten-Agentur (KNA). Und weiter: "Im Grunde entstand das linke, das sozialdemokratische Engagement aus meinem Engagement in der katholischen Kirche."

Früher Messdienerin, heute ZdK-Mitglied

So war Nahles Messdienerin und in einer ökumenischen Jugendgruppe aktiv. Mittlerweile ist sie Mitglied im Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK). Lange Zeit zog sie sich regelmäßig eine Woche im Jahr ins Kloster zurück. In ihrem Berliner Büro hängt ein Holzkreuz aus der Benediktinerabtei Maria Laach in der Nähe ihres Heimatdorfs.

Ihr Glaube habe sie geprägt, lange vor ihrem Eintritt in die SPD, betont sie. Die 48-Jährige machte auch nie einen Hehl daraus, dass im Bundestag bei ethischen Fragen der Glaube und das daraus abgeleitete Menschenbild für sie eine Rolle spielen. Etwa bei Abstimmungen über Embryonenschutz, Stammzellforschung oder Sterbehilfe.

Bezeichnende Wort in der Rücktrittserklärung

Unkritisch sieht sie ihre Kirche nicht: So bemängelt sie etwa deren Umgang mit Homosexuellen und fordert immer wieder eine Stärkung der Frauen. Trotz des Missbrauchsskandals habe sie noch nie an Austritt gedacht, bekannte sie. Und erzählte auch, dass sie mit ihrer Tochter regelmäßig bete und in der Bibel lese.

Anders als einer ihrer Vorgänger, Franz Müntefering, sah Nahles den SPD-Parteivorsitz nie als das schönste Amt neben dem Papst, denn "im Vatikan scheint es mir zu viele Intrigen zu geben". Ob es in Berlin so viel besser ist? In der Rücktrittserklärung heißt es: "Ich hoffe sehr, dass es Euch gelingt, Vertrauen und gegenseitigen Respekt wieder zu stärken und so Personen zu finden, die ihr aus ganzer Kraft unterstützen könnt."

Glaube als Kraftquelle in schwierigen Zeiten

Die Enttäuschung ist sicher groß - doch Andrea Nahles hat immer wieder betont, sie schöpfe auch in politisch schwierigen Situationen viel Kraft aus ihrem Glauben. Er sei "ihre Triebkraft auch in schwierigen Zeiten". Vielleicht hat sie dann auch wieder mehr Zeit für ein paar ruhige Stunden in Maria Laach. Für den 12. August ist dort ein Vortrag angekündigt: Andrea Nahles über Grundgesetz und Gleichberechtigung. Auch darüber hinaus dürfte sie Einiges zu berichten haben.


Quelle:
KNA