Regierungskrise in Österreich durch Video-Affäre

War die Veröffentlichung legal?

Die Regierungskrise in Österreich nimmt Fahrt auf – ausgelöst durch die Video-Affäre um FPÖ-Ex-Vizekanzler Strache. War die Veröffentlichung der Aufnahme eigentlich legal? Der Journalist Klaus Pröpers mit Antworten nicht nur auf diese Frage.

War die Video-Veröffentlichung legal? (dpa)
War die Video-Veröffentlichung legal? / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die rechts-konservative Koalition in Österreich steht im Zuge der Video-Affäre um den zurückgetretenen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) vor dem Aus. Am Montagabend hat die FPÖ angekündigt, alle Minister aus der Regierung abzuziehen. Das ist die Reaktion auf die Entscheidung von Bundeskanzler Kurz, FPÖ-Innenminister Herbert Kickl aus dem Kabinett zu entfernen. Wie sehen Sie den aktuellen Stand? Hat Österreich derzeit überhaupt noch eine Regierung?

Klaus Prömpers (Journalist): Österreich hat allenfalls noch eine geschäftsführende Regierung, denn noch hat der Bundespräsident die sechs Minister der rechtspopulistischen FPÖ nicht entlassen. Das wird er wohl entweder im Laufe des heutigen oder morgigen Tages tun, nachdem der Bundeskanzler ihm das vorgeschlagen hat.

Klar ist, dass Innenminister Herbert Kickl entlassen werden soll. Daraufhin sagten die übrigen fünf FPÖ-Minister, die in der Koalition bisher mitregieren, sie würden die Regierung ebenfalls verlassen.

Ab morgen oder übermorgen steht Österreich dann vor einer geschäftsführenden Regierung. Wie lange die hält, wissen wir aber nicht.

DOMRADIO.DE: Vielleicht bis im September dann neu gewählt wird?

Prömpers: Das kommt darauf an. Eine der Parteien, die im Parlament vertreten ist, hat bereits angekündigt, ein Misstrauensvotum gegen diese dann so bestehende Regierung einzubringen.

Die österreichische Volkspartei (ÖVP), also sozusagen das Pendant zur deutschen CDU/CSU in Österreich, hat 61 von 183 Sitzen im Parlament. Sie braucht also Leute, die mit ihr stimmen. Sie brauchen insgesamt 92 Stimmen, um dieses Misstrauensvotum zu überstehen. Es ist sehr fraglich, ob sie das schafft.

Die SPÖ und die FPÖ haben bereits angekündigt, sie würden gegen diesen Bundeskanzler stimmen. Das hieße, es gäbe unter Umständen eine nur vom Bundespräsidenten eingesetzte Expertenregierung, die dann bis zum September agiert.

DOMRADIO.DE: Es gibt aber auch schon erste Umfragen unter Wählern, die ziemlich eindeutig zeigen, dass die FPÖ durch diesen Skandal kräftig an Boden verliert. Die verlorenen Stimmen wandern offenbar ins Lager von Kanzler Sebastian Kurz ab. Kann man sagen, dass er am Ende der Gewinner dieses Skandals ist?

Prömpers: Das ist noch nicht ganz raus. Solche Umfragen müssen sich erst noch manifestieren. Zum einen geschieht dies am Sonntag bei der Europawahl im Abstimmungsverhalten und den abgegebenen Stimmen für die eine oder andere Partei. Und zweitens müssen sich die Stimmen dann voraussichtlich am 26. September - so munkelt man - in der Nationalratswahl, also der Parlamentswahl manifestieren. Bis dahin kann noch viel Wasser die Donau runter fließen und manches des jetzigen Kurzzeit-Erfolges wieder wegspülen.

Auf Twitter beispielsweise kann man lesen, dass ein Journalist des "Spiegel", der an der Geschichte arbeitet, sagt, es werde auch neue Enthüllungen über Kanzler Kurz geben. Da sei noch Material in den Videos drin. Auf der anderen Seite war die "Bild"-Zeitung in Deutschland gestern derjenige Ort, wo Kanzler Kurt seine Aktion rechtfertigte und nicht in irgendeiner Zeitung Österreichs.

Es gibt im Hintergrund also auch ein "Match" zwischen "Spiegel" und "Bild" darum, wer am Ende die meisten Dinge in Österreich bewegt hat. Eine etwas kuriose Situation.

DOMRADIO.DE: Der Ausgangspunkt dieses ganzen Dilemmas ist aber dieser Video-Mitschnitt. Dass der gezeigt wurde, war illegal. Der Deutsche Journalistenverband hat die Veröffentlichung aber nochmal verteidigt. Wird darüber überhaupt noch in Österreich geredet?

Prömpers: Das ist hochumstritten. Ich würde nicht unbedingt sagen, dass das Zeigen des Videos illegal war. Die Aufnahme war sicherlich illegal, weil das ein sehr starkes Eindringen in die Privatsphäre der drei beteiligten Strache, Gudenus und dessen Frau war. Die Veröffentlichung des Videos durch "Spiegel" und "Süddeutscher Zeitung" kann man nachvollziehen.

Ich finde, dass es sogar die Pflicht der Journalisten ist, wenn ihnen so etwas zugänglich gemacht wird, darauf hinzuweisen, was es da gibt. Denn dadurch ist doch die Denkweise dieser beiden Politiker, als sie in Regierungsämter strebten, sehr deutlich geworden.

Insgesamt kann man sagen, dass das hier in Österreich sehr stark diskutiert wird. Vor allem steht die Frage im Raum, wer es gemacht hat. Waren es Geheimdienste westlicher Herkunft? So wurde schon mal gemutmaßt und von Spindoktoren (Verantwortliche für Öffentlichkeitsarbeit, insbesondere in der Politik, Anm. d. Red.) gestreut. Dazu sagte ein deutscher Geheimdienstexperte, das sei absolut lächerlich. Welchen Grund sollte es dafür geben? Es gibt auch andere Mutmaßungen. Aber das sind alles Spekulationen.

DOMRADIO.DE: Die FPÖ steht aber jetzt als Partei da, deren Vorsitzender zumindest käuflich wirkt und gegen Spendengelder mit Aufträgen gelockt hat. Hat sich denn die katholische Kirche in Österreich zu diesen Vorgängen geäußert oder positioniert?

Prömpers: Zu diesen aktuellen Vorwürfen und den Tatsachen, die da aus dem Video herauskamen, noch nicht. Aber in den vergangenen 15 Monaten, die diese Regierung zwischen ÖVP und FPÖ bestand, wurde immer wieder vom Wiener Kardinal Schönborn und anderen angemerkt, dass bestimmte Maßnahmen, die von dieser Regierung gegen Asylbewerber und Migranten ergriffen worden sind, nicht gerade christlich seien.

Man müsse doch bedenken, dass da viele Menschen kommen, denen geholfen werden müsse. Immer wieder wurde diese populistische Art damit umzugehen, Vorbehalte in der Bevölkerung gegen Migranten zu schüren und die Bedingungen zu verschärfen, kritisiert. Insofern wird beispielsweise die Caritas nicht gänzlich unglücklich sein, wenn diese Regierung scheitert.

Das Interview führte Verena Tröster.


Klaus Prömpers (privat)
Klaus Prömpers / ( privat )
Quelle:
DR