Meißner Tagung beleuchtet Populismus in Pfarrgemeinden

Nicht ausgrenzen, sondern das Gespräch suchen

Christen sind nicht immun gegen AfD-Propaganda. Der zunehmende Rechtspopulismus fordert auch Pfarrgemeinden heraus. Wie umgehen mit AfD-Sympathisanten in den eigenen Reihen? Eine Tagung sucht nach praktischen Antworten.

Autor/in:
Karin Wollschläger
Demonstration von Neonazis in Rom / © Cristian Gennari (KNA)
Demonstration von Neonazis in Rom / © Cristian Gennari ( KNA )

Die Zunahme von Rechtspopulismus polarisiert auch in Kirchengemeinden. Mitunter nutzen entsprechende Bewegungen die Unsicherheit für ihre Zwecke und werben auch gezielt in Pfarreien hinein. Ausgrenzungen, Pauschalzuschreibungen und emotional aufgeladene Debatten erschweren das kirchliche Miteinander. Wie lässt sich dem begegnen? Auf einer ökumenischen Tagung im sächsischen Meißen gingen Wissenschaftler und Seelsorger dem Thema nach und suchten nach Möglichkeiten zum konstruktiven Umgang damit.

Auch Gemeinden bilden den gesellschaftlichen Querschnitt ab

Eine strategische Unterwanderung von Kirchengemeinden durch Rechtspopulisten sieht Harald Lamprecht, Beauftragter für Weltanschauungsfragen und Geschäftsführer des Evangelischen Bundes in Sachsen, nicht: "Aber natürlich bilden Gemeinden auch einen gesellschaftlichen Querschnitt ab." Ja, das komme vereinzelt vor: kirchliche Mitarbeiter in Thor-Steinar-Shirts, demokratiefeindliche Predigten, AfD-nahe Flyer mit kruden Antigender-Parolen in Gemeindebriefen oder eine Kirchengemeinde, die die syrisch-orthodoxe Ordensfrau Hatune Dogan zum Vortrag einlädt, welche für islamfeindlichen Polarisierungen bekannt sei, etwa auf dem Blog "pi-news.de".

Lamprecht ist ein Mann der Tat. Er kratzt jeden Aufkleber mit rechten Parolen ab, den er entdeckt. "Das sehe ich als Demokraten-Pflicht. Wenn so was länger als eine Woche hängt, ist das eine Schande für den Ort." Pfarrgemeinden empfiehlt er, aktiv auf Mitglieder zuzugehen, die rechtsnationale oder populistische Meinungen äußern oder bei denen der Verdacht im Raum steht: "Nicht die Leute in eine Ecke schieben und ausgrenzen, sondern das Gespräch suchen: Warum sagst du solche Nazi-Parolen?"

Umgang mit AfD-sympathisierenden Gläubigen

"Aber was", wendet ein Pfarrer ein, "wenn mein Gegenüber sagt: Ist mir egal, ob Du mich Nazi nennst." In der Tat bedarf es dann eines neuen Settings, um die Kommunikation fortzuführen. Denn Reden funktioniert nicht immer automatisch. So schildert eine Pfarrerin aus Bautzen, wie es sie irritierte bis entsetzte, dass der örtliche Bauunternehmer - dessen Silberhochzeit sie gesegnet und dessen Sohn sie konfirmiert hatte - plötzlich in größerem Rahmen rechtspopulistische Medien sponserte.

Besonders sein Portal "denkste-mit.de" sticht hervor: Die Internetseite vertritt Verschwörungstheorien, nach denen europäische Medien Propaganda verbreiten, Multimilliardäre die Welt steuern und Parteien - wie in der DDR - Demokratie nur vortäuschen. "Ich habe versucht, mit ihm darüber zu sprechen, aber es war nicht möglich - ich stieß nur auf Misstrauen und Ablehnung, da waren so tiefe Gräben", so die Pfarrerin.

Immer wieder müssen sich Pfarrgemeinden damit auseinandersetzen, wie sie mit AfD-sympathisierenden Gläubigen umgehen sollen, die sich im Pfarreileben engagieren. Lamprecht rät zu differenziertem Hinschauen: "Was heißt AfD-nahes Gemeindemitglied? Wie weit ist derjenige in der Partei engagiert und welche Positionen hat er in der Gemeinde?" Der AfD-Pressesprecher könne wohl im Kirchenchor mitsingen, seine Mitwirkung im Ausschuss Öffentlichkeitsarbeit hingegen wäre problematisch.

Handreichung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg

Ein hilfreiches Instrument scheint auch eine neue Handreichung der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz: Sie führt Kriterien auf, die einen Ausschluss vom Ältestenamt wegen menschenfeindlichen Verhaltens begründen, und wendet das exemplarisch auf Gruppierungen an wie etwa die Identitäre Bewegung oder Reichsbürger sowie auf Parteien wie NPD oder AfD.

Zu fruchten scheint ebenfalls eine Initiative der Katholischen Akademie Dresden, die mit dem "SachsenSofa" im ländlichen Raum unterwegs ist, um Politiker und Kirchenvertreter mit den Menschen vor Ort über gesellschaftspolitische Themen ins Gespräch zu bringen.

Die katholische Sozialethikerin Marianne Heimbach-Steins verwies darauf, dass die AfD über Themen wie Lebensschutz, Islam und Gender eine Nähe zu christlichen Positionen suggerieren wolle. Bei genauerem Hinsehen zeige sich aber deutlich, dass dem nicht so sei. Eine von Heimbach-Steins mitherausgegebene Studie hatte die (Un-)Vereinbarkeit der AfD-Programmatik mit der katholischen Soziallehre untersucht.


Quelle:
KNA