Bayerische Verfassungsrichter billigen Kopftuchverbot im Gericht

Auch andere religiöse Symbole betroffen

Seit mehr als zwei Jahrzehnten beschäftigt das Kopftuch die deutschen Gerichte. Dabei geht es einerseits darum, ob private Arbeitgeber das Kleidungsstück am Arbeitsplatz verbieten dürfen.

Frauen mit Kopftüchern bei Gerichtsverhandlung / © Jörg Carstensen (dpa)
Frauen mit Kopftüchern bei Gerichtsverhandlung / © Jörg Carstensen ( dpa )

Andererseits befassen sich die Richter auch damit, ob muslimische Frauen das Kopftuch im Schuldienst oder als Vertreter der Justiz tragen dürfen. Am Montag entschied der Bayerische Verfassungsgerichtshof, dass das Kopftuchverbot für Richterinnen und Staatsanwältinnen im Freistaat während der Verhandlungen zulässig ist. Auch andere religiöse Symbole sind betroffen. Die Katholische Nachrichten-Agentur (KNA) nennt wichtige Daten in der Debatte.

1961: Die Bundesrepublik und die Türkei vereinbaren ein Anwerbeabkommen. In den folgenden Jahrzehnten kommen Millionen Türken als Gastarbeiter nach Deutschland - die meisten bleiben. Damit kommt auch das Kopftuch als Kleidungsstück muslimischer Frauen in die Gesellschaft.

1998: Am 13. Juli verweigert Baden-Württemberg der muslimischen Lehrerin Fereshta Ludin die Einstellung in den Schuldienst, weil sie im Unterricht ihr Kopftuch nicht ablegen will.

2002: In seiner Islam-Charta bekennt sich der Zentralrat der Muslime in Deutschland zum Grundgesetz und fordert zugleich, in der Bundesrepublik müsse eine würdige muslimische Lebensweise möglich sein. Dazu zählt der Zentralrat das Kopftuch.

2003: Nach jahrelangem Rechtsstreit entscheidet das Bundesverfassungsgericht im Fall Fereshta Ludin mit fünf zu drei Stimmen, dass einer muslimischen Lehrerin nicht ohne ein konkretes Gesetz verboten werden darf, im Unterricht ein Kopftuch zu tragen. Damit sind die Länderparlamente als Gesetzgeber am Zuge und erlassen in den folgenden Jahren unterschiedliche Regelungen.

2003: Das Bundesverfassungsgericht bestätigt das Urteil des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt von 2002, nach dem das Tragen eines Kopftuchs aus religiösen Gründen an einem nicht-staatlichen Arbeitsplatz kein ausreichender Kündigungsgrund ist.

2004: Baden-Württemberg verankert als erstes Bundesland das Kopftuchverbot an öffentlichen Schulen im Schulgesetz. Im Juni bestätigt das Bundesverwaltungsgericht die Rechtmäßigkeit.

2011: Das Tragen einer Mütze in der Schule kann aus Sicht des Bundesarbeitsgerichts in Erfurt als religiöse Bekundung gewertet und damit verboten werden. Das Gericht stellt darauf ab, dass die Kopfbedeckung "erkennbar als Ersatz für ein islamisches Kopftuch getragen wird". Der Fall kommt nach Karlsruhe.

2015: Das Bundesverfassungsgericht kippt ein pauschales Kopftuchverbot für muslimische Lehrerinnen in öffentlichen Schulen. Ein Verbot sei nur dann möglich, wenn das Tragen der muslimischen Kopfbedeckung eine konkrete Gefahr für den Schulfrieden bedeute.

2017: Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg folgt dieser Argumentation im Falle der Entschädigungsklage einer abgelehnten muslimischen Lehramtsbewerberin mit Kopftuch gegen das Land Berlin. Dessen Neutralitätsgesetz, das auffällige religiöse Kleidung bei staatlichen Bediensteten verbietet, sei nur bei einer konkreten Gefährdung des Schulfriedens anzuwenden.

2017: Baden-Württemberg verabschiedet als erstes Bundesland ein Gesetz zur Neutralität von Richtern und Staatsanwälten. Es verbietet das Tragen religiös und politisch geprägter Kleidungsstücke im Gericht. Betroffen sind hauptamtliche Richter, Staatsanwälte, Rechtsreferendare und auch Rechtspfleger, wenn diese richterliche Aufgaben ausüben. Nicht betroffen sind Schöffen und ehrenamtliche Richter.

2017: Das Bundesverfassungsgericht lehnt einen Eilantrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gegen das vom hessischen Justizministerium verhängte Kopftuchverbot für Referendarinnen im juristischen Vorbereitungsdienst ab. Das hessische Justizministerium hatte ihr verboten, während ihrer Ausbildung mit Kopftuch Gerichtsverhandlungen zu führen oder die Staatsanwaltschaft zu vertreten.

2017: Der Europäische Gerichtshof (EuGH) in Luxemburg entscheidet im März erstmals über das Recht privater Arbeitgeber, muslimischen Frauen das Kopftuch zu verbieten. Danach können Arbeitgeber ihren Mitarbeitern verbieten, ein islamisches Kopftuch zu tragen, wenn sie zugleich alle anderen weltanschaulichen Zeichen untersagen. Gibt es eine solche Regel nicht, müssen Arbeitgeber das Tragen eines islamischen Kopftuches erlauben, auch wenn das einem Kunden nicht gefällt. Einschränkungen müssen insbesondere Mitarbeiter hinnehmen, die im Kundenkontakt Neutralität wahren müssen.

Herbst 2018: Mit NRW und Niedersachsen bereiten zwei weitere Bundesländer Gesetze vor, die das Tragen religiöser Symbole für Vertreter der Justiz während der Arbeit untersagen.

März 2019: Aus Sicht des Bayerischen Verfassungsgerichtshofs ist das im März 2018 in Bayern erlassene Verbot für Richterinnen und Richter, Staatsanwälte und Landesanwältinnen, in Verhandlungen religiös oder weltanschaulich geprägte Symbole oder Kleidungsstücke zu tragen, rechtens.


Quelle:
KNA
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