In Kenia kämpfen staatenlose Missionare um Anerkennung

Gestrandet auf Gottes Mission

Für die Mission ihres Lebens mussten sie ihre Grundrechte einbüßen: In Kenia lebt eine Gruppe Missionare, die im Zuge von Migration ihre Staatsangehörigkeit verlor. Jetzt kämpfen ihre Nachfahren um Anerkennung.

Autor/in:
Markus Schönherr
Ein Geistlicher in der kenianischen Hauptstadt Nairobi / © Ben Curtis (dpa)
Ein Geistlicher in der kenianischen Hauptstadt Nairobi / © Ben Curtis ( dpa )

Sie verließen ihre Heimat, um Gottes Wort zu verbreiten. Doch die Mission endete anders als gedacht. Etwa 100 Simbabwer waren in den frühen 1960er Jahren Richtung Norden nach Kenia gepilgert. In der Hauptstadt Nairobi errichteten sie die "Gospel of God Church", heute eine etablierte christliche Konfession in Kenia.

Staatenlose Nachfahren

"Zuerst kamen nur die Männer. Als sie erfuhren, dass Kenia bald unabhängig werden würde, holten sie bald ihre Familien nach", sagt Yvonne Ndege, Sprecherin des Flüchtlingshilfswerks UNHCR in Nairobi. Die UN-Agentur hat schon länger ein Auge auf die Gruppe geworfen - denn ihre Nachfahren, etwa 4.000 Frauen, Männer und Kinder, sind heute staatenlos. Nach sechs Jahrzehnten im "Gelobten Land", so titelt eine kenianische Zeitung, seien die Pilger von einst nach wie vor Fremde in ihrer neuen Heimat.

Dritte Generation gut integriert

Die gestrandeten Missionare stammen aus der Volksgruppe der Shona. In Nairobi stellen viele der Frauen wie in Simbabwe Körbe in traditioneller Handarbeit her; die Männer arbeiten zum Großteil auf dem Bau. Etliche Shona leben bereits in dritter Generation in Ostafrika, nachdem ihre Eltern Kenianer heirateten. Sie sind integriert, sprechen neben Englisch sogar die Landessprache Swahili. Sie hören kenianische Musik und kleiden sich wie Kenianer. Zu den Einheimischen, die mit der Zeit zu Freunden, Nachbarn und Verwandten wurden, haben sie ein gutes Verhältnis.

Rechtliche Schlechterstellung

Obwohl sie und ihre Eltern hier geboren wurden, will Kenia die Shona-Nachkommen nicht als Bürger anerkennen. Das schafft Probleme - zumal die meisten Simbabwe nur aus Erzählungen kennen. Einen Pass oder eine Geburtsurkunde besitzen sie nicht. "Wir können kein Bankkonto eröffnen, Eigentum kaufen oder frei reisen. Auch unsere Kinder können nach der Grundschule nicht weiterlernen - weil wir keine Staatsbürger sind", zitiert die Zeitung "Daily Nation" den Betroffenen Elijah Jack Mwanga Achija.

Wird ein Familienmitglied oder ein Nachbar krank, könne man nur auf einen verständnisvollen Arzt hoffen, der nicht auf einen Ausweis besteht. "Ich will für meine Familie aus dem Armutskreis ausbrechen", klagt eine junge Shona. Dies könne sie aber nur tun, wenn sie dieselbe Chance auf Bildung wie gleichaltrige Kenianer habe.

Wenig Wissen über Staatenlose

"Praktisch unsichtbar" für den Staat seien die Shona und andere staatenlose Gruppen im Land, weiß auch die Kenianische Menschenrechtskommission (KHRC). Deshalb haben die Shona jetzt ihren Kampf um Anerkennung begonnen - gemeinsam mit den Menschenrechtlern und dem UNHCR. Im Januar lud die Kommission Vertreter der Shona und Parlamentspolitiker erstmals an einen Tisch ein. Es sei "alarmierend, dass die meisten Abgeordneten vor dem Treffen gar nicht wussten, dass große Gruppen Staatenloser in Kenia leben", so die Behörde.

Für das UNHCR steht jedenfalls fest: "Obwohl sie keine Bürger sind, gibt es eine langjährige Verbindung. Deshalb gehören sie zu Kenia dazu", sagt Sprecherin Ndege. Während einige Shona durch Heirat einen offiziellen Status in der ostafrikanischen Nation erhielten, sei dies keine Lösung für alle. Deshalb setzt sich die UN-Organisation auf politischer Ebene für die unsichtbaren Kenianer ein. Das sind neben den Shona noch sechs weitere Volksgruppen aus Afrika.

Kampagnen für eine Anerkennung

"Das Problem Staatenlosigkeit wird in unserem Land kaum wahrgenommen. Kampagnen halfen zuletzt, das Bewusstsein in der Gesellschaft zu steigern", sagt Ndege. Die UNO-Flüchtlingshilfe arbeitet daran, die Shona statistisch zu erfassen, um der Regierung eine handfeste Lösung anzubieten.

Es gebe Hoffnung, ist auch Moses Gowi überzeugt, der Sprecher der Menschenrechtskommission. Zuletzt hätten lokale Führer "guten Willen" gezeigt, um eine Lösung für die Shona zu finden. Das habe den Druck auf die Regierung von Präsident Uhuru Kenyatta erhöht. Zudem gibt es einen Präzedenzfall: Vor kurzem wurde die Volksgruppe der Makonde als Kenias 43. Ethnie - und damit als offizielle Bürger - anerkannt. Die Gruppe war vor 80 Jahren aus Mosambik gekommen.


Junge Kenianer stehen in Nairobi vor geschlossenen Läden im Kibera Slum. / © Jerome Delay (dpa)
Junge Kenianer stehen in Nairobi vor geschlossenen Läden im Kibera Slum. / © Jerome Delay ( dpa )
Quelle:
KNA