Bischof Dröge zur Ausladung der AfD beim Kirchentag

"Immer den Einzelnen anschauen"

Markus Dröge ist Landesbischof in Berlin. Im Interview spricht er über Rechtspopulismus, die bevorstehende Landtagswahl in Brandenburg und die Einstufung der AfD als "Prüffall" durch den Verfassungsschutz.

Losung des Kirchentags 2019: "Was für ein Vertrauen" / © Stefan Arend (epd)
Losung des Kirchentags 2019: "Was für ein Vertrauen" / © Stefan Arend ( epd )

epd: Sie haben sich klar gegen die AfD positioniert, aber zugleich einen Dialog mit AfD-Wählern befürwortet. Was ändert die Einstufung der AfD als "Prüffall" durch den Verfassungsschutz?

Bischof Markus Dröge (Landesbischof in Berlin): Ich finde es absolut richtig, dass der Verfassungsschutz endlich in dieser Weise tätig wird und die AfD kritisch in den Blick nimmt und nicht mehr nur diese zweifelhafte Beraterrolle wahrnimmt. Der kritische Blick auf verfassungsfeindliche Bestrebungen ist schließlich Auftrag des Verfassungsschutzes. Nach meiner Überzeugung ist schon lange offensichtlich, dass die AfD die Grenze zum Rechtsextremismus nicht klar zieht. Deswegen erwarte ich auch als Bürger, dass der Verfassungsschutz hier tätig wird.

epd: Das heißt dann auch Ende jeglichen Dialogs?

Dröge: Nicht zwangsläufig. Hier in Berlin gibt es dafür ein gutes Beispiel durch den ehemaligen SPD-Innensenator Ehrhart Körting und dessen Umgang mit religiösem Extremismus. Moscheen gegenüber, die keine klare Grenze gegenüber Extremisten aus dem religiösen Bereich gezogen haben, hatte er folgende Linie: Einerseits lasse ich sie durch den Verfassungsschutz beobachten, auf der anderen Seite verweigere ich nicht das Gespräch. Diese Linie empfiehlt sich auch für den Umgang mit der AfD.

epd: ... also doch Gespräche?

Dröge: Das Gespräch mit Mitgliedern der AfD und mit Rechtspopulisten insgesamt ist besonders schwierig, weil sie vielfach gar keine sachliche Auseinandersetzung wollen, sondern nur provozieren wollen. Deswegen muss man sehr differenziert an diese Frage herangehen. Ich sage: Persönliche Gespräche mit Einzelnen immer, aber es gibt keine offiziellen Gespräche der Kirchenleitung mit der AfD, solange sie nicht ihr Verhältnis zum Rechtsextremismus geklärt hat.

epd: Der Kirchentag hat für Dortmund 2019 anders entschieden...

Dröge: Ich finde es schade, dass der Kirchentag prinzipiell keine AfD-Mitglieder oder -Politiker auf Podien zulassen will. Das halte ich für sachlich problematisch. Ich muss immer den Einzelnen anschauen. Wenn ich jemanden finde, der eine wirtschaftspolitische Position der AfD vertritt, ohne sich menschenfeindlich zu äußern, dann kann ich ihm einen Wirtschaftswissenschaftler auf dem Podium gegenübersetzen und diskutieren lassen. Ein prinzipieller Ausschluss aber nützt nur der AfD, weil sie sich dann wieder als Opfer darstellen kann.

epd: Lässt sich die Maxime, keine offiziellen Gespräche der Kirchenleitung mit AfD-Vertretern zu führen, mit Blick auf die Landtagswahl am 1. September in Brandenburg durchhalten?

Dröge: Ich glaube schon, dass wir das durchhalten können. Die EKD hat bis vor ungefähr einem Jahr keine offiziellen Gespräche mit Vertretern der Linkspartei geführt, weil diese ihre Geschichte bezüglich des Umgangs mit Christen in der DDR noch nicht aufgearbeitet hatte. Das ist mehr als 25 Jahre so durchgehalten worden. Trotzdem wurde natürlich mit Regierungsvertretern der Linken gesprochen, aber eben nicht mit der Partei.

Vor diesem Hintergrund fände ich es verwunderlich, wenn jetzt mit Leichtigkeit gefordert wird, man müsse mit der AfD ins Gespräch kommen, weil man prinzipiell mit allen Fraktionen reden müsse. Für mich ist klar, dass das mit der AfD nicht geht - jedenfalls solange die Abgrenzung gegenüber dem Rechtsextremismus nicht erfolgt ist. 

epd: Was sagen Sie den Wählern, die diese Partei etwa bei der Europawahl, der Kommunalwahl im Mai oder der Landtagswahl in Brandenburg wählen wollen?

Dröge: Denen sage ich, dass sie die AfD vermutlich vor allem deshalb wählen, weil sie ihren Protest und ihren Unwillen zum Ausdruck bringen wollen. Nach Wahlanalysen trauten bei der letzten Bundestagswahl in Ostdeutschland 60 Prozent ihrer Wähler der AfD keine Lösungskompetenz zu. Das ist erschreckend! Da kann ich nur sagen: Das ist ein unverantwortliches Wahlverhalten! Man kann nicht Kräften zu Stärke oder gar an die Macht verhelfen, von denen man selbst nicht glaubt, dass sie Probleme lösen!

epd: Ist Rechtsextremismus auch Gotteslästerung, so wie Sie es beim Antisemitismus benannt haben?

Dröge: In der Auseinandersetzung mit dem Rechtsextremismus würde ich nicht von Gotteslästerung sprechen, weil die Adressaten ja überhaupt nicht glaubwürdig theologisch denken. Wenn AfD, Rechtspopulisten und Rechtsextreme das Christentum verteidigen wollen, dann steht da kein christliches Menschenbild dahinter. Das ist eine reine Funktionalisierung von Religion.

Ich würde es so formulieren: Es ist Gotteslästerung, das Christentum für völkische Ideologien in Anspruch zu nehmen. Das ist ein Missbrauch des Namens Gottes für eine völkische Ideologie. Beim Antisemitismus sind die Zusammenhänge komplexer, weil es ja auch um unsere gemeinsamen biblischen Wurzeln geht. Deshalb: Wer antisemitisch denkt, der greift auch unser christliches Gottesverständnis an.

epd: Wie schätzen Sie die AfD in Brandenburg ein knappes dreiviertel Jahr vor der Landtagswahl ein?

Dröge: Vor allem in Brandenburg hat sich die AfD in letzter Zeit radikalisiert. Viele gemäßigte Kräfte sind gar nicht auf die Wahllisten gekommen. Viele, die versucht haben in dem entsprechenden Kontext eine reale Politik zu machen, sind zur Seite gedrängt worden.

Ich halte es nicht für ausgeschlossen, dass sich daraus auch innerhalb der AfD Konflikte ergeben, die die Partei schwächen könnten. Ob das aber Auswirkungen auf das Wahlergebnis für die AfD haben wird, bleibt abzuwarten. Wahrscheinlich ist zu befürchten, dass die AfD-Wähler sich da nicht genau informieren. Aber egal wie stark die AfD bei der Landtagswahl in Brandenburg wird, wir werden ganz klar unsere Linie halten. Und die heißt, keine offiziellen Gespräche mit dieser Partei, solange sie sich nicht klar vom Rechtsextremismus abgrenzt.

epd: Wie geht die Kirche intern mit Rechtspopulismus um?

Dröge: Wir als Kirchenleitung sind gerade dabei mit Blick auf die Gemeindekirchenratswahlen die Handreichung zu dem Thema noch einmal zu aktualisieren und neu aufzulegen. Und wir haben einen Beauftragten berufen, der Gemeinden in dieser Problematik beraten kann.

Geplant ist außerdem, dass wir auf der Synode im April ein theologisches Papier unter dem Titel "Wozu wir stehen" verabschieden. Das Papier soll über den Sommer hinweg in den Gemeinden diskutiert werden. Wir wollen nicht sagen, wogegen wir sind, sondern wofür wir stehen. Das beinhaltet dann automatisch, welche Haltung wir in unseren Gemeinden nicht dulden können.

Yvonne Jennerjahn und Jens Büttner


Markus Dröge / © Jürgen Blume (epd)
Markus Dröge / © Jürgen Blume ( epd )
Quelle:
epd