Diözesanrat über zunehmenden Antisemitismus und die AfD

"Dagegen müssen wir etwas tun"

Der Holocaust-Gedenktag blickt auf die schlimmste Episode der deutschen Geschichte. Verbände wie der Diözensanrat in Köln setzen sich dafür ein, dass der Holocaust nicht vergessen wird. Warum ist das noch so wichtig?

Holocaust-Mahnmal in Berlin / © Maurizio Gambarini (dpa)
Holocaust-Mahnmal in Berlin / © Maurizio Gambarini ( dpa )

DOMRADIO.DE: Sie haben als Diözesanrat Kontakt zu einigen Überlebenden des Holocaust. Gibt es eine Geschichte oder einen persönlichen Kontakt, der Sie besonders berührt?

Norbert Michels (Geschäftsführer des Diözesanrates der Katholiken im Erzbistum Köln): Es gibt einen persönlichen Kontakt zu Anita Lasker-Wallfisch. Sie ist inzwischen 93 Jahre und lebt mit ihrer gesamten Familie in London und Umgebung. Frau Lasker-Wallfisch ist eine der letzten Überlebenden des sogenannten Auschwitzer Mädchenorchesters. Ich habe sie vor zwei Jahren das erste Mal kennengelernt und man kann sagen, wir sind inzwischen ganz gut befreundet. Ich habe im letzten Jahr noch einmal an einer Veranstaltung teilgenommen im NS-Dokumentationszentrum. Da wurde sie mit dem höchsten Orden des Landes Nordrhein-Westfalen ausgezeichnet. Mir war die besondere Ehre zuteil geworden, höchstpersönlich von ihr und dem Ministerpräsidenten des Landes Nordrhein-Westfalen, Armin Laschet, zur Ordensverleihung eingeladen zu werden.

DOMRADIO.DE: Was bewegt Sie so sehr an der Geschichte von dieser Frau?

Michels: Das hat auch einen persönlichen Hintergrund. Mein Vater, der inzwischen seit zehn Jahren verstorben ist, ist hier in der Nähe in Siegburg geboren und war hier ansässig. Mein Vater wäre als typischer Jude durchgegangen. Er hatte eine Hakennase, kräusliches schwarzes Haar und er hat hautnah miterlebt, wie mehr und mehr seine Frau seiner Freundinnen und Freunde deportiert worden und von den Nazis auf die schrecklichste Art umgebracht worden sind. Er hat mir davon immer eindringlich erzählt und mir immer gesagt: Du musst mit dafür sorgen, dass so etwas nicht wieder passiert. Seitdem begleitet mich dieses Thema.

DOMRADIO.DE: Am Mittwoch hatten sie eine Veranstaltung, im Vorfeld des Internationalen Holocaust-Gedenktag. "Nie wieder Krieg" war der Titel. Sie hatten auch eine besondere Frau zu Besuch. Wer ist diese Frau?

Michels: Das ist die zweite Überlebende des sogenannten Mädchenorchesters von Auschwitz. Sie hat inzwischen das 94. Lebensjahr erreicht. Das ist eine so taffe Frau - die singt mit einer Rapband, die "Microphone Mafia", auch und gerade für den Frieden, für Menschenfreundlichkeit gegen Rassismus und Antisemitismus. Und ich finde diese Frau unheimlich beeindruckend.

DOMRADIO.DE: Dem Diözesanrat ist das Gedenken an die Gräueltaten der Nazis ein Anliegen. Warum ist es so wichtig, sich gegen das Vergessen dieses menschenverachtenden Massenmordes zu engagieren?

Michels: Ich finde es gerade heute wichtig, weil die heutige Zeit eine Übergangszeit für mich ist. Viele sagen: Warum sollen wir uns eigentlich damit beschäftigen, das ist so lange her. Aber ich sage deutlich: Wir haben wieder einen zunehmenden Antisemitismus. Wir haben wieder eine zunehmende Menschenfeindlichkeit in unserer Gesellschaft. Wir haben eine Partei, die aus meiner Sicht zu Recht vom Verfassungsschutz überprüft wird. Die wieder mit Themen zutage tritt, die wir schon längst überwunden glaubten. Dagegen müssen wir - vor allen Dingen als katholische Christen - etwas tun.

 

Die Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten müsse wach gehalten werden, mahnt der Initiator der Lesung, Norbert Michels / © Beatrice Tomasetti (DR)
Die Erinnerung an die Gräueltaten der Nationalsozialisten müsse wach gehalten werden, mahnt der Initiator der Lesung, Norbert Michels / © Beatrice Tomasetti ( DR )
Quelle:
DR