Italiens Regierung will Solidarität nun doch nicht besteuern

Wirksamer Protest von Kirchen und Verbänden

Italiens "Haushalt für das Volk" sorgt für Debatten. Zuerst legte sich die Regierung in Rom mit der EU an. Jetzt kritisierte nicht nur die Kirche eine Besteuerung des Freiwilligensektors. Nun will die Regierung nachbessern.

Autor/in:
Roland Juchem
 (DR)

"Unser Land durchlebt eine schwierige Zeit, aber ich hätte nie erwartet, dass freiwilliges Engagement und alles, was damit verbunden ist, so schwer getroffen würde", so Kardinal Gualtiero Bassetti im Interview der Tageszeitung "La Repubblica" (Donnerstag). Es gehe nicht um ein Problem der Katholiken oder der Kirche, "sondern um die Menschlichkeit unseres Volkes". Die geplante Steuererhöhung für nicht kommerziell tätige Organisationen sei "eine Provokation", so der Vorsitzende der Italienischen Bischofskonferenz.

"Die Abgeordneten müssen das noch einmal überdenken", hatte auch die Sprecherin des Dritten Sektors, Claudia Fiaschi, gefordert. Nun rudert die Regierung tatsächlich zurück und will auf die geplante Verdoppelung der Körperschaftssteuer für Nichtregierungsorganisationen verzichten.

Die Zeit drängt

Das kündigte der italienische Vizepremier und Chef der Fünf-Sterne-Bewegung, Luigi Di Maio, nach Medienangaben von Donnerstag an. Di Maio räumte demnach ein, dass Hilfsorganisationen benachteiligt würden, die die Schwächsten unterstützen. Daher werde die Regierung die im Budgetplan enthaltene Maßnahme so rasch wie möglich streichen.

Die Zeit drängt. Seit Donnerstag berät die Abgeordnetenkammer das Gesetz; bis zum Ende der Woche muss sie es verabschieden. Der Senat hatte bereits vergangene Woche sein Placet gegeben. Sehr viele Aktivitäten ließen sich sonst nicht mehr aufrechterhalten, warnt sie; die Auswirkungen der Maßnahme würden unterschätzt.

6220 Non-Profit-Organisationen sind betroffen

Betroffen gewesen wären Tausende Einrichtungen, die "nicht auf Gewinn" aus seien, sondern ein breites Spektrum notwendiger Tätigkeiten abdeckten, kritisierten Sprecher mehrerer Organisationen. Es gehe um ehrenamtliches Engagement in den Bereichen Umweltschutz, Gesundheit, sozialer Zusammenhalt, Kampf gegen Armut, Kultur und Erziehung. Geplant war die Abschaffung einer Tarifminderung bei der Körperschaftssteuer, was einer Verdopplung dieser Steuerlast von 12 auf 24 Prozent gleichgekommen wäre.

Konkret betroffen sind 6.220 von über 343.000 Non-Profit-Organisationen, berechnete die "Repubblica". Zu ihnen gehörten etwa das Rote Kreuz, Behindertenverbände, katholische Schulen, Organisationen, die Stipendien an bedürftige Studenten vergeben, bis hin zu kleinen Initiativen, die sich um alte, obdachlose Menschen oder Migranten kümmern. Tausende Freiwillige würden sich verraten fühlen, warnt Roberto Zuccolini von der Gemeinschaft Sant'Egidio.

Ein Sprecher der Caritas in Mailand begründete, warum eine finanzielle Kürzung den Freiwilligensektor zusätzlich belasten würde: "Es gibt ein hässliches Klima von Verdächtigungen, die Vorstellung, dass einige aus solcher Solidarität nur ihren Vorteil ziehen." Damit bestrafe man jene, die sich in transparenter Weise um die sozialen Probleme der Gesellschaft kümmern, und treffe letztlich wieder die Armen.

Körperschaftssteuer sollte ursprünglich ganz abgeschafft werden

Formal stammt das Haushaltsgesetz aus dem Ministerium von Wirtschafts- und Finanzminister Giovanni Tria. Er gilt als moderater Vertreter der Regierung von Ministerpräsident Giuseppe Conte; beide handelten maßgeblich den Kompromiss mit der EU aus. Bei diesen Verhandlungen, so heißt es, habe Conte selbst die Abschaffung des verminderten Tarifs der Körperschaftssteuer eingebracht, weil die Lega gegen eine weitere Steuer auf Tabak gewesen sei.

Dabei habe die Körperschaftssteuer für Non-Profit-Organisationen ursprünglich ganz abgeschafft werden sollen, wurde Luigi Di Maio zitiert. Zumindest sei das in den Entwürfen des "Haushalts für das Volk", wie Lega und Fünf Sterne ihn nennen, vorgesehen gewesen. "Für das Volk" - "und nicht für die Banken", begründet die Regierung die geplante Neuverschuldung.

Weil aber eine vom Europäischen Gerichtshof Mitte November für rechtlich konform erklärte Immobiliensteuer auf kirchliche Grundstücke mangels Erfassung noch nicht umsetzbar ist, habe man sich der Körperschaftssteuer zugewandt, zitiert die "Repubblica" eine Quelle aus dem Wirtschaftsministerium. Damit hätte der "Haushalt für das Volk" doch wieder das Volk getroffen. Und das soll laut Di Maio nun doch nicht sein.


Kardinal Gualtiero Bassetti / © Cristian Gennari (KNA)
Kardinal Gualtiero Bassetti / © Cristian Gennari ( KNA )
Quelle:
KNA
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