Evangelische Gemeinde erträgt Hasstiraden im Netz

"Allah unser" und die Folgen

Eine evangelische Gemeinde im hessischen Bad Vilbel ist Hassattacken ausgesetzt, nachdem sie eine Veranstaltung mit dem Namen "Allah unser" auf Facebook angekündigt hatte. Der zuständige Pfarrer sagt: "Da stehen wir drüber".

Hasskommentare im Internet / © Lukas Schulze (dpa)
Hasskommentare im Internet / © Lukas Schulze ( dpa )

DOMRADIO.DE: Es ist eine Veranstaltungsreihe, mit der Sie ein ein wenig provozieren wollen, das ist in dem Fall wahrscheinlich ein bisschen zu gut gelungen?

Klaus Neumeier (Pfarrer der evangelischen Christusgemeinde in Bad Vilbel): Ja und nein. Hier vor Ort haben wir sehr positive Resonanz gehabt, die Veranstaltung war auch sehr gut besucht. Und da gab es überhaupt keine Probleme. Es war ein sehr guter Dialog mit Muslimen, die hier auch in Bad Vilbel vor Ort leben, sich hier auch organisiert haben. Und da ging es dann um die Frage nach den Gottesbildern, die wir in unseren Religionen haben. Was ist gemeinsam, wo gibt es auch Unterschiede? Das war hier überhaupt kein Thema ...

DOMRADIO.DE: Und jetzt kommt das große Aber?

Neumeier: Genau! "Aber" deswegen, weil das per Facebook bundesweit geteilt wurde, erkennbar im rechten Milieu. Da ergoss sich dann in der Tat ein kleiner kirchlicher Shitstorm über unsere Gemeinde. Es ist erkennbar, dass das Menschen mit AfD-Hintergrund sind. Und dann sind es ganz viele, bei denen es um Islamophobie geht, also Angst, dass sich der Islam in Deutschland ausbreitet und dass wir dem mit einem solchen Titel Vorschub leisten.

DOMRADIO.DE: Wir reden von 200 bis 250 Kommentaren, die da am vergangenen Wochenende reinkamen, was liest man denn da so?

Neumeier: Die unter der Gürtellinie waren "Satanischer Bet-Bruder" und ähnliche Sachen. Das Ganze hat sich dann auf mich fokussiert, weil ich dann auch für die Gemeinde dort Stellung genommen habe, obwohl ich die Veranstaltung nicht selbst geleitet habe. Es gibt aber auch erkennbar ehrliche Sorge aus bestimmten christlichen Milieus, die dann sagten, wir müssen uns ganz klar gegen den Islam abgrenzen und wir dürfen auf gar keinen Fall irgendwie dem Vorschub leisten, dass der Islam sich in Deutschland weiter ausbreitet.

DOMRADIO.DE: Denken Sie darüber nach, das anzuzeigen? Denn es gab ja zum Beispiel vor einigen Monaten den Fall im Erzbistum Bamberg, bei dem die AfD im Netz gegen Erzbischof Ludwig Schick vorgegangen ist. Da wurde sogar ein Gerichtsverfahren angeleiert wegen der Kommentare.

Neumeier: Waren bei uns auch Überlegungen, die aber mehr von wohlmeinenden Menschen an uns herangetragen wurden "das sollten wir doch tun". Da haben wir uns gegen entschieden, das ertragen wir. Es ist auch nicht so, dass es jetzt Drohungen gegen die Veranstaltung gab, sondern Beleidigungen, Schmierworte gegen mich oder gegen Menschen hier aus unserer Gemeinde. Aber da haben wir gesagt, "da stehen wir drüber".

DOMRADIO.DE: "Allah unser" hieß die Veranstaltung, würden Sie das Gleiche nochmal so machen?

Neumeier: Ja, durchaus. Wir machen diese Veranstaltungsreihe – das ist ein alternatives Gottesdienstprojekt mit Bistro-Atmosphäre –, um mit provozierenden Titeln Menschen ansprechen zu können, die jetzt nicht regelmäßig in Gottesdienste kommen, die eher weniger kirchlich verbunden sind. Und das sagen uns alle Regeln der Öffentlichkeitsarbeit, dass wir das natürlich nur erreichen können, wenn wir auch Titel haben, die Aufmerksamkeit erwecken.

Das Interview führte Renardo Schlegelmilch.


Quelle:
DR
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