Pro und Contra zum UN-Migrationspakt

Debatte voller Spekulationen

Sehr spät ist der Disput um den UN-Migrationspakt aufgeflammt. Im Dezember wollen ihm die meisten Länder zustimmen, darunter Deutschland. Dagegen wächst der Protest. Wichtigster Streitpunkt: Wie verbindlich ist der Pakt?

Autor/in:
Christoph Schmidt
 (DR)

Die Bundesregierung steht weiter hinter dem UN-Migrationspakt. Er formuliere wichtige Ziele, und die Herausforderung der Migration verlange globale Lösungen, so Regierungssprecher Steffen Seibert am Montag. Damit dürfte klar sein, dass die Bundesrepublik dem "Globalen Pakt für sichere, geordnete und reguläre Migration" beim UN-Gipfel am 10. und 11. Dezember in Marrakesch zustimmt.

Die Debatte um das Dokument, das die weltweite Auswanderung erleichtern, steuern und die Rechte von Migranten stärken soll, wird derweil hitziger.

Befürworter sehen einen Meilenstein

Die Befürworter feiern den Pakt als Meilenstein für eine humanere und besser gesteuerte Migrationspolitik. Etliche seiner 23 Ziele habe Deutschland zudem längst erfüllt: etwa die Beachtung der Menschenrechte, den Zugang zu Sozialleistungen, Bildung und Gesundheitsversorgung, die Beteiligung an Rettungseinsätzen, die Festsetzung von Migranten nur im Ausnahmefall, den geregelten Familiennachzug oder den Kampf gegen Diskriminierung.

Vielmehr zielten solche Mindeststandards auf katastrophale Zustände in Transitländern wie Libyen oder die Ausbeutung von Arbeitsmigranten in den Golfstaaten.

Zudem verweisen die Unterstützer auf Ziele, die auch Migrationsgegner unterschreiben dürften, wie die Sicherung von Grenzen, den Kampf gegen Schleuserbanden oder die Ausstellung von Ausweispapieren. Das Abkommen fordert zudem mehr Hilfe für die Herkunftsländer, um Fluchtursachen zu bekämpfen und Menschen gar nicht erst in die Auswanderung zu treiben.

"Der Globale Migrationspakt ist im nationalen Interesse Deutschlands", fasste der Vizefraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Bundestag, Stephan Harbarth (CDU), die offizielle Position zusammen.

Kritiker sehen Umsiedlungsvorlage

Kritiker wie die AfD, aber auch Teile der Union, erwarten das Gegenteil und werfen der Bundesregierung vor, sie habe ein hochproblematisches Abkommen an der Öffentlichkeit vorbei durchwinken wollen. Es handele sich um eine Art Umsiedlungsvorlage für die überbevölkerten Länder des Südens in die Sozialsysteme der reichen Staaten. Ziele wie verbesserte Informationen für potenzielle Migranten, erleichterte Visavergabe, der Anspruch auf juristische Hilfen und auf Integration in den Arbeitsmarkt der Aufnahmeländer lieferten Anreize für Massenwanderungen aus den Krisengebieten der Erde.

Dabei stelle der Text Migration ausschließlich als Quelle von Wohlstand und kultureller Bereicherung dar. Negative Aspekte wie Kosten und Konflikte zwischen den Kulturen blende er völlig aus und verlange den Migranten wenig ab, so die Kritiker.

Auch die Angst vor Verteilungskämpfen spielt eine Rolle. So hat etwa der Bremer Migrationsforscher Stefan Luft wiederholt darauf hingewiesen, dass bereits die Zuwanderung nach Deutschland seit 2015 zu massiver Lohndrückerei und Mietsteigerungen geführt habe.

Für Unmut sorgt weiter, dass der Pakt nicht mehr zwischen legaler und illegaler Migration unterscheidet, sondern nur von "irregulärer" Zuwanderung spricht, die von den Aufnehmenden möglichst in eine "reguläre" umzuwandeln sei. Den verpflichtenden "Kampf gegen Diskriminierung" deuten die Gegner als Vorwand, um jede Migrationskritik zum Schweigen zu bringen. Dazu passe auch die Vorgabe des Pakts, Medien zu einer migrantenfreundlichen Berichterstattung anzuhalten.

Völkerrechtlich nicht bindend

Wie verbindlich ist der Pakt? Der Text betont das "souveräne Recht der Staaten", ihre Einwanderungspolitik selbst zu bestimmen. Sie sollen weiterhin über erwünschte und unerwünschte Migration entscheiden können. Formal ist der Pakt völkerrechtlich nicht bindend, unterstreicht auch die Bundesregierung und sieht darin lediglich eine "politische Absichtserklärung".

Allerdings tauchen immer wieder die Vokabeln "Verpflichtung" und "verpflichten" auf. Völkerrechtler sprechen von einem "soft law", das zunächst nicht bindend ist, aber durch moralischen Druck sowie die Urteile nationaler und internationaler Gerichte zu verbindlichem "Völkergewohnheitsrecht" werden könne.

Aus Angst vor einem Verlust ihrer nationalen Souveränität verweigern von 193 UN-Staaten inzwischen mehrere Länder die Unterzeichnung, darunter die USA, Australien, Österreich und weitere EU-Mitglieder.


Quelle:
KNA