Blick auf die CSU-Krise und Populismus vor der Bayernwahl

"Für Christen gibt es eine rote Linie"

Am Sonntag wählt Bayern einen neuen Landtag. Laut Prognosen könnte die CSU abrutschen und die AfD ist auf dem Vormarsch. Warum? Und was ist zu tun? Eine Ursachenforschung mit dem Hochschulpfarrer der Ludwig-Maximilians-Universität.

Bayernflagge vor dem Münchner Landtagsgebäude / © Sven Hoppe (dpa)
Bayernflagge vor dem Münchner Landtagsgebäude / © Sven Hoppe ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die CSU-Strategie, am rechten Rand zu fischen, scheint nicht so richtig aufgegangen zu sein. Wundert Sie das?

Pater Holger Adler (Jesuit und Hochschulpfarrer an der Münchener Ludwig-Maximilians-Universität): Ich bin kein Politikexperte und überlasse die Analysen lieber den anderen. Ich bin auch kein Kenner der CSU. Aber Sie reden von "fischen" und da fällt mir der alte Satz ein: Man soll nicht in fremden Teichen fischen, denn wer das tut, der vernachlässigt seinen eigenen Teich. Vielleicht ist das hier passiert.

DOMRADIO.DE: "Ein Christ kann niemals Nationalist sein", hat der berühmte Jesuit Alfred Delp gesagt. Hat dieses Zitat gerade vor der Wahl Relevanz?

Adler: Wir müssen uns anschauen, in welchem Zusammenhang Alfred Delp das gesagt hat. Er war ja Mitglied der Widerstandsbewegung im Nazi-Reich - dem sogenannten Kreisauer Kreis - und damit hat der Satz "Ein Christ kann niemals Nationalist sein" für uns Deutsche eine ganz besondere Relevanz. Das heißt: Es kann nicht um Abschottung gehen, nicht um Rückzug auf Nationalismen und nicht um eine Sprache der Diskriminierung. Sondern: Einem Christ, einer Christin sollte es darum gehen, dass unsere Idee als Christen über allem Nationalen steht.

DOMRADIO.DE: In der letzten Ausgabe ihres Magazins "Jesuiten" haben der Chefredakteur und ihr Provinzial einen Wahlprüfstein für Politiker geliefert. Was wäre denn ein Wahl-Prüfstein für die Wähler, die übermorgen ihre Stimme abgeben werden. Worauf sollten diese dringend achten?

Adler: Was für Politiker und Handeln gilt, gilt auch für die Wähler. Ich kann natürlich keinem vorschreiben, wie er zu einem Urteil kommt, das muss muss schon jeder selbst. Aber ich kann sagen, wenn ich als Christ wählen soll, dann gibt es eine rote Linie. Und die fängt an bei den Fragen: Gibt es Tendenzen der Abschottung? Gibt es Tendenzen der Diskriminierung? Und gibt es diese auch in der Sprache, wo ich sage als Christ kann ich da nicht gut zuhören?

Ich nenne ein Beispiel: Anker-Zentrum. Das klingt erst mal ganz gut, aber es ist nichts anderes als ein Lager. Genauso ist es mit einem Satz, den wir von einem Politiker gehört haben: "Zu meinem 69. Geburtstag wurden 69 Menschen abgeschoben". Da muss ich als Christ wach werden und sagen: Ist die Sprache verroht, dann ist es auch der Mensch.

DOMRADIO.DE: Die Rückkehr des Nationalen ist eine Entwicklung, die wir gerade nicht nur in Europa erleben. Was steckt Ihrer Meinung nach dahinter?

Adler: Ich glaube, die Rückkehr des Nationalen ist eine Krise der Identität, der persönlichen Integrität. Und diese wird geschürt mit Ängsten, leider oft mit Ängsten, die irreal sind.

DOMRADIO.DE: In welcher Rolle sehen Sie die katholische Kirche und Ihre Vertreter? Wahlempfehlungen stehen ihr ja wohl nicht zu Gesicht – aber was dann?

Adler: Jetzt muss man fragen, wer ist die Kirche und die Leitung? Da denke ich an Kardinal Marx, der zum Kreuzerlass schon deutliche Worte gefunden hat, was ich auch nach wie vor bewundere. Ich gebe keine Wahl-Empfehlung. Aber ich wenn ich predige, dann ist es immer auch eine politische Predigt, weil das Christentum eine politische Religion ist.

Wir sollen an der Seite der Ausgegrenzten, der Diskriminierten, der Schwachen stehen. Und wenn das nicht politisch ist, dann weiß ich auch nicht.

Das Gespräch führte Hilde Regeniter.


Quelle:
DR
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