Wahlkampf in Brasilien: Kirche soll Bolsonaro verhindern

Haddad setzt auf Katholiken

Der Wahlkampf in Brasilien hat längst auch die Kirchen erfasst. Nun ruhen die Hoffnungen, einen Sieg des rechtslastigen Kandidaten Jair Messias Bolsonaro doch noch zu verhindern, auf den Katholiken.

Autor/in:
Thomas Milz
Brasilien steht am Scheideweg: Politisch links oder rechts? / © Leo Correa (dpa)
Brasilien steht am Scheideweg: Politisch links oder rechts? / © Leo Correa ( dpa )

Der brasilianische Präsidentschaftskandidat Jair Messias Bolsonaro (63) steht vor einem Erdrutschsieg. Laut einer am Mittwoch veröffentlichten Umfrage kann der Rechtspopulist in der Stichwahl am 28. Oktober mit 58 Prozent der Stimmen rechnen.

Sein Herausforderer Fernando Haddad (55) von der linken Arbeiterpartei PT (Partido dos Trabalhadores) liegt bei nur 42 Prozent. Um den Sieg des als homophob und frauenfeindlich geltenden Bolsonaro zu verhindern, schmiedet Haddad derzeit eine "demokratische Front", zu der auch die katholische Kirche zählen soll.

Haddad bat Bischöfe um Hilfe

Am Donnerstag traf Haddad den Generalsekretär der Bischofskonferenz, Weihbischof Leonardo Steiner. Dabei hat sich Haddad nach eigenen Angaben dazu verpflichtet, bei einem Sieg die von der Kirche kritisierte Reform des Arbeitsrechts sowie die Deckelung des Haushalts aufzuheben. Beides war von der aktuellen Regierung des konservativen Präsidenten Michel Temer gegen den Protest der Kirche verabschiedet worden. Haddad bat die Bischöfe derweil um Hilfe bei der Bekämpfung von "Fake News".

Mit rund zwei Dritteln stellen Mitglieder der katholischen Kirche in Brasilien die Bevölkerungsmehrheit. Jedoch enthält sie sich traditionell einer parteipolitischen Stellungnahme. Am Montag hatte Steiner jedoch vor Populisten gewarnt, die "das demokratische System zerstören" wollten.

Die Katholiken mögen auf die demokratische Gesinnung der Kandidaten achten. Beobachter werteten die Äußerungen als Warnung vor Bolsonaro. Dieser hatte den ersten Wahlgang mit 46 Prozent klar gewonnen, trotzdem jedoch von Wahlmanipulationen gegen ihn gesprochen.

Haddad habe nicht um Unterstützung gebeten, so Steiner in einer Presseerklärung zu dem Treffen mit dem Linkskandidaten. "Und die Bischofskonferenz hat sich weder auf eine Partei noch einen Kandidaten festgelegt." Er habe Haddad jedoch die Punkte mitgeteilt, die den Bischöfen besonders Sorge bereiteten: eine mögliche weitgehende Legalisierung von Abtreibungen, der Schutz von Umwelt, Indigenen und Sklaven-Nachfahren, die Verteidigung der Demokratie sowie die rigorose Bekämpfung der Korruption. Zudem mahnte Steiner Schritte gegen die derzeitige Gewaltwelle an.

Katholiken verteilen sich auf beide Lager

Einflussreiche Vertreter der evangelikalen Kirchen haben derweil klar Stellung zugunsten Bolsonaros bezogen, darunter der prominente Pastor Silas Malafaia. Edir Macedo, Gründer der "Universalkirche vom Reich Gottes", hatte Bolsonaro gar seinen Sender TV Record als Plattform für Exklusivauftritte zur Verfügung gestellt. Zwar bezeichnet sich der frühere Fallschirmspringer Bolsonaro als Katholik. Im Jahr 2016 ließ er sich jedoch medienwirksam von einem evangelikalen Pastor im Jordan taufen.

Haddad erklärte am Donnerstag, dass er für den "Schutz des Lebens" eintreten werde. Beobachter werten dies als Zugeständnis an die Kirche in Sachen Abtreibung. Zugleich wurden soziale Netzwerke mit Veröffentlichungen unter dem Motto "Christen für Brasilien" geflutet.

"Ein echter Christ unterstützt weder Folter, Diskriminierung, Vorurteile noch Gewalt. Wählen Sie das Gute für Brasilien - Haddad", so einer der Texte. In Videos warben Geistliche zudem offen für Haddad. Bolsonaro war in der Vergangenheit mehrfach dadurch aufgefallen, dass er die Zeit der Militärdiktatur (1964-85) verteidigte.

Laut Umfragen ist die katholische Wählerschaft politisch wesentlich vielfältiger als die der Evangelikalen. Während diese zum Großteil konservativ-rechts wählen, verteilen sich die Katholiken zu etwa gleichen Teilen auf das linke und rechte Spektrum sowie auf die Mitte. "Der katholische Diskurs zielt sowohl auf die soziale Frage - also die Rechte der Armen - wie auf traditionelle Moralwerte, während sich der Diskurs der Evangelikalen einzig auf die Moral konzentriert", sagt Francisco Borba Neto, Religionswissenschaftler an der katholischen Universität Sao Paulo.

Bolsonaro sitzt seit Anfang der Neunzigerjahre im brasilianischen Parlament, wo er allerdings vor allem durch Beleidigungen seiner Kollegen sowie abfällige Äußerungen über gesellschaftliche Minderheiten für Aufsehen gesorgt hatte. Vor zwei Jahren wurde er landesweit bekannt, als er seine Stimme für die Amtsenthebung der damaligen Präsidentin Dilma Rousseff (PT) einem gewissen Carlos Alberto Brilhante Ustra widmete. Der 2015 verstorbene Ustra ist als Folterer des Militärregimes bekannt. Rousseff war unter den Militärs selber gefoltert worden. Für Bolsonaro indes ist die PT für die Wirtschaftskrise und die ausufernde Korruption in Brasilien verantwortlich.


Jair Bolsonaro mit Journalisten / © Thomas Milz (KNA)
Jair Bolsonaro mit Journalisten / © Thomas Milz ( KNA )

Menschen protestieren gegen Bolsonaro / © Pablo Albarenga (dpa)
Menschen protestieren gegen Bolsonaro / © Pablo Albarenga ( dpa )
Quelle:
KNA