"BAG Kirche und Rechtsextremismus" tagt in Nürnberg

Nächstenliebe: Altmodisch, aber trotzdem einfach gut

Wie lassen sich auch bei einem gesellschaftlichen Rechtsruck Menschenrechte verteidigen? Das fragt die "Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus" auf einer Tagung in Nürnberg. Ein Gespräch mit Projektleiter Henning Flad.

Sachsen-Anhalt, Köthen: Teilnehmer einer Demonstration von rechtsgerichteten Bündnissen anlässlich  (dpa)
Sachsen-Anhalt, Köthen: Teilnehmer einer Demonstration von rechtsgerichteten Bündnissen anlässlich / ( dpa )

DOMRADIO.DE: Die "Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus", kurz BAG K+R, veranstaltet am Freitag und Samstag eine Tagung unter der Überschrift "Menschenrechte verteidigen - Nächstenliebe Leben". Was haben Sie da vor? 

Henning Flad (Projektleitung Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus): Wir wollen für zwei Tage Diskussionen führen über verschiedene Aspekte der neuen rechten Bewegung und Rechtspopulismus - darüber, wie sich die neue Rechte in diesem Land immer weiter ausbreitet, aber auch, wie Menschenrechte angesichts dessen verteidigt werden können.

DOMRADIO.DE: Sie werden Ihre Abschlussveranstaltung am Mahnmal für die NSU-Morde in Nürnberg abhalten. Warum ist Ihnen das wichtig?

Flad: Nürnberg war ja eines der Tatorte der NSU-Morde. Das allein ist ein Grund, das Mahnmal aufzusuchen. Außerdem haben wir uns als "Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus" seit etlichen Jahren immer wieder mit mit den NSU-Verbrechen beschäftigt. Und wenn wir jetzt an einem der Tatorte sind, müssen und wollen wir das natürlich auch noch mal aufgreifen - unter anderem mit einer Theateraufführung zum Thema NSU, mit den "NSU-Monologen".

DOMRADIO.DE: Die Veranstaltung soll ein Zeichen gegen Rechtspopulismus setzen. Wen erreichen Sie mit einem solchen Forum denn?

Flad: Wir erreichen erst einmal Haupt-, Neben- und Ehrenamtliche aus den Kirchen und aus der Zivilgesellschaft. Das sind ganz häufig Leute, die sich beruflich oder in ihrer Freizeit intensiver mit Rassismus, mit Antisemitismus, mit Rechtsextremismus beschäftigen.

DOMRADIO.DE: Es ist ja nicht ganz unabsichtlich, dass die Workshops, Vorträge und Diskussionen ausgerechnet an dem Wochenende stattfinden, an dem in Bayern ein neuer Landtag gewählt wird. Wie schätzen Sie die derzeitige Situation ein?

Flad: Wir werden die Landtagswahl sicherlich nicht wirklich beeinflussen können. Aber wir können diskutieren und denen den Rücken stärken, die vielleicht mit besonders sorgenvollen Blicken auf eine bestimmte Partei gucken, die wahrscheinlich das erste Mal im bayerischen Landtag sein wird. Das ist vielleicht nicht so ganz wenig.

DOMRADIO.DE: Sie als "Bundesarbeitsgemeinschaft Kirche und Rechtsextremismus" setzen sich für Menschenrechte und Demokratie ein und treten Menschenfeindlichkeit entgegen. Wo bringen Sie Ihre Botschaft an?

Flad: Wir bringen unsere Botschaft zu einer allgemeinen Öffentlichkeit mit unseren Veröffentlichungen, mit Interviews und Veranstaltungen, aber auch mit vielen Beratungen, Gesprächen und Veranstaltungen für Menschen aus dem Raum der Kirchen - sowohl im evangelischen als auch im katholischen Bereich.

DOMRADIO.DE: Werden Sie da nicht häufig angefeindet?

Flad: Ich glaube, dass es andere Organisationen im Feld gibt, die mehr angefeindet werden - das muss man ehrlicherweise sagen. Das gilt im Moment vor allem für die Partnerschaftsorganisation "Miteinander e.V." aus Sachsen-Anhalt, die von einer erheblichen Kampagne seitens der AfD betroffen sind, wo auch Mitarbeitende durchaus personalisiert angegriffen werden. Bei uns, würde ich sagen, ist das glücklicherweise nicht so sehr der Fall.

DOMRADIO.DE: Sie sind inner- und außerhalb der Kirche unterwegs. Die Kirchen stehen ja oft in der Kritik, nicht genug gegen rechtes Gedankengut und populistische Taten zu unternehmen. Jetzt erwarten Sie aber neben anderen Fachleuten aus Gesellschaft und Wissenschaft auch Vertreter der evangelischen und katholischen Kirche. Was erhoffen Sie sich?

Flad: Erstmal zum Thema der Kritik an den Kirchen: Ich glaube, dass es immer richtig ist, zuerst kritisch auf sich selbst zu gucken und zu sagen: Bevor wir anfangen, andere zu kritisieren, müssen wir uns erstmal im eigenen Haus umschauen, was es da an gegenwärtigen Problemen oder an Traditionsbeständen zu den Themen Rassismus und Antisemitismus gibt.

Ich würde allerdings auch sagen, dass beide großen Kirchen in Deutschland - evangelische wie katholische Kirche - sich in ihren Leitungen sehr deutlich und sehr klar zu diesem Themenfeld positioniert haben. Ich wüsste nicht so recht, wie die Erklärungen noch eindeutiger sein sollten.

DOMRADIO.DE: Erzbischof Ludwig Schick aus Bamberg wird dabei sein, der EKD-Ratsvorsitzende Heinrich Bedford-Strohm auch. Was kann das bewirken?

Flad: Erstmal ist damit ja auch ein Signal gesetzt, dass beide Kirchen das Thema ernst nehmen und sich positionieren wollen. Denn sonst würden die beiden ja nicht da sein. Das, finde ich, ist ein gutes Zeichen und allein die pure Anwesenheit ist an der Stelle auch schon eine Positionierung. Und beide haben sich ja auch deutlich zum Thema geäußert.

DOMRADIO.DE: Nächstenliebe ist ein allgegenwärtiger Begriff. Wie holen Sie das, was sie bedeutet, in die heutige Zeit, in der auch Rechtspopulismus an der Tagesordnung ist?

Flad: Es gibt solche etwas altmodischen Begriffe, die einfach trotzdem weiterhin gut sind. Nächstenliebe ist so einer. "Nächstenliebe leben" kann ja ganz verschiedene Sachen bedeuten: Das kann einerseits bedeuten, sich um seine Nächsten direkt zu kümmern. Aber es kann auch heißen, Menschen in Not - Geflüchteten, die hier in diesem Land angekommen sind - Unterstützung zu gewähren.

Das ist was, was beide großen Kirchen in den letzten Jahren sehr deutlich gemacht haben und was oft auch das Gemeindeleben stark geprägt hat. Das sollte man immer auch im Blick haben, wenn man über die angeblich mangelnde Klarheit der Kirchen zu diesem Thema redet. Ich denke, damit haben sie gezeigt, wo sie stehen.

Was nicht heißt, dass es nicht innerhalb der Gemeinden immer wieder auch schmerzhafte Diskussionen über Rassismus gibt. Und dass es auch richtigerweise allerlei Kritikpunkte gibt. Aber das andere muss man halt auch zur Kenntnis nehmen.

Das Interview führte Katharina Geiger.

 

Quelle:
DR