Rheinischer Präses Rekowski mahnt Bewegung im Kohle-Streit an

"Sozialen Frieden erhalten und frühzeitig Klarheit schaffen"

Der Ausstieg aus der Kohleverstromung ist für den Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Manfred Rekowski, eine wichtige Zukunftsfrage. Alle Kräfte sollten gebündelt werden, um den nötigen Strukturwandel hinzubekommen.

 (DR)

epd: Unterstützen Sie den Protest im Hambacher Wald?

Manfred Rekowski (Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland): Wir haben RWE als evangelische Kirche darum gebeten, auf Rodungen zu verzichten, solange die Kohlekommission berät, um die Gespräche nicht zu belasten. Es dient auch dem gesellschaftlichen Frieden, wenn an dieser Stelle nicht Fakten geschaffen werden. Daher haben wir viel Verständnis für jede friedliche Form des Protestes, die diese Intention aufgreift.

epd: Ist der Hambacher Wald denn noch zu retten? RWE bestreitet einen Zusammenhang zwischen Abholzungen und den Kohlegesprächen.

Rekowski: Sowohl RWE als auch die NRW-Landesregierung berufen sich formal auf Genehmigungen der früheren rot-grünen Landesregierung. Es ist durchaus richtig, dass RWE das Recht auf seiner Seite hat. In einer politisch und gesellschaftlich derart umstrittenen Frage wie der Klima- und Kohlepolitik müssen aber alle Akteure überlegen, wie sie zu tragfähigen Lösungen und einem Konsens beitragen können.

Leider gibt es bei RWE an dieser Stelle bislang überhaupt keine Bewegung. Auf unsere Bitte nach einem Moratorium für die Abholzungen haben wir bislang noch keine Antwort erhalten.

epd: Was erwarten Sie von der Landesregierung?

Rekowski: Zunächst bin ich positiv beeindruckt von einem visionären Pragmatismus der Landesregierung im Blick auf den Strukturwandel im Ruhrgebiet, wo in diesem Jahr die Steinkohleförderung endet. Dieser Wandel wird als Zukunftsaufgabe gesehen, der sich die Regierung mit aller Kraft stellen will. Diese Haltung würden wir uns auch bei der sehr wesentlichen Zukunftsfrage der Klimapolitik und des Endes des Braunkohle-Verstromung wünschen.

Die Landesregierung sieht ihre Aufgabe hier primär im Vertrauensschutz für RWE, für die Industrie und für die dort angesiedelten Arbeitsplätze. Unseres Erachtens ist es für einen intelligenten Strukturwandel darüber hinaus unabdingbar, die Klimaschutzziele von Paris als zentrales politisches Ziel zu verfolgen. Hier gibt es bislang leider einen erheblichen Dissens zwischen der Haltung der Landesregierung und unserer Position und ich spüre aktuell nicht viel Bewegung.

epd: NRW-Wirtschaftsminister Andreas Pinkwart sorgt sich um die Versorgungssicherheit und preiswerten Strom für die Industrie im Falle eines ehrgeizigen Braunkohle-Ausstiegs. Können Sie dem folgen?

Rekowski: Die Argumente müssen ernst genommen werden, es gilt aber auch zu prüfen, ob die Prämissen stimmen. Seriöse Einrichtungen wie das Wuppertal Institut für Klima, Umwelt, Energie oder das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung kommen zu deutlich anderen Berechnungen und Einschätzungen. Die Landesregierung argumentiert, die in NRW selbst gesetzten Klimaziele würden übererfüllt. Allerdings verfehlt Deutschland nach dem, was sich derzeit abzeichnet, vermutlich deutlich die Klimaziele von Paris.

Was preiswerte Energie angeht: Auch der Klimawandel hat einen hohen Preis, den wir zahlen müssen, ob wir wollen oder nicht. Eine Folge sind weitere weltweite Fluchtbewegungen. Mit dem Status quo wollen und können wir uns deshalb nicht abfinden und bleiben darüber mit der Landesregierung im Gespräch.

epd: Sollte die Landesregierung, wie verschiedentlich gefordert wurde, im Streit um den Hambacher Forst vermitteln?

Rekowski: Ich habe meine Zweifel, ob die Landesregierung eine solche Rolle übernehmen könnte. Angesichts der Haltung, die sie bislang einnimmt, bliebe ihr wenig Spielraum für einen Kompromiss.

epd: Sorgen Sie sich auch um die Arbeitsplätze oder gar um den sozialen Frieden in den Braunkohle-Regionen?

Rekowski: Natürlich, deshalb muss der Strukturwandel sozial verträglich gestaltet werden. Ein großes Land wie Nordrhein-Westfalen hat in dieser Hinsicht sicherlich mehr Potenzial als etwa die Lausitz. Im Blick auf die ostdeutsche Kohleregion wird hinter vorgehaltener Hand mitunter die Sorge geäußert, dass die AfD massiven Zulauf erhalten könnte, wenn dort in den Tagebauen die Lichter ausgehen. Richtig ist daran sicherlich: Wenn man Menschen in die Perspektivlosigkeit entlässt, ist das Sprengstoff für den gesellschaftlichen Zusammenhalt.

Deshalb ist es wichtig, den Betroffenen möglichst frühzeitig Klarheit und Perspektiven zu geben. Je mehr Zeit zur Verfügung steht, desto größer sind die Chancen, den nötigen Strukturwandel pragmatisch, sozialverträglich und ökonomisch akzeptabel hinzubekommen. Dabei dürfen Arbeitsplätze und Klimaschutz nicht gegeneinander ausgespielt werden. Stattdessen sollten für die nötigen Anstrengungen alle Kräfte gebündelt werden.

epd: Was halten Sie von einem angeblichen Konsens in der Kohlekommission, das letzte Braunkohlekraftwerk spätestens im Jahr 2038 vom Netz zu nehmen?

Rekowski: Ich beteilige mich nicht an Spekulationen über Jahreszahlen. Die Kohlekommission sollte ergebnisoffen und hinter verschlossenen Türen überlegen, wie tragfähige Lösungen aussehen können. Prioritär ist, dass es so früh wie möglich ein Maximum an Klarheit gibt, damit genügend Zeit zur Bewältigung der Aufgabe bleibt: aus der Kohleverstromung auszusteigen und dabei sowohl die Klimaschutzziele als auch die Zukunft der Beschäftigten im Blick zu behalten.

epd: Vertreter der Umweltverbände erwägen, die Kommission zu verlassen, falls in Hambach wie von RWE angekündigt im Oktober gerodet wird.

Rekowski: Ich unterstütze wie gesagt nachdrücklich die Forderung nach einem Moratorium bei den Rodungen. Zum Gespräch gibt es aber letztlich keine Alternative. Es wäre daher gut, wenn alle Beteiligten weiter gemeinsam nach tragfähigen Lösungen suchen würden, auch in der Kohlekommission.

epd: Inwiefern ist die rheinische Kirche vom Braunkohleabbau betroffen?

Rekowski: In der Region leben fast eine halbe Million Menschen. Sowohl Beschäftigte, deren Arbeitsplatz bislang an der Braunkohle hängt, als auch Familien, die ihre Dörfer verlassen mussten, sind Mitglieder unserer Gemeinden. Insofern ist uns das Thema sehr nah.

Wir werden unsere Position deshalb im Kontakt mit der Landesregierung und RWE weiter einbringen und hoffen, dass wir konstruktive Bewegung erzeugen können.

Das Interview führte Ingo Lehnick.


Manfred Rekowski / © Harald Oppitz (KNA)
Manfred Rekowski / © Harald Oppitz ( KNA )
Quelle:
epd